Der Justizminister fordert von VW Konsequenzen aus der Abgas-Affäre. Außerdem in der Presseschau: weniger Bürokratie in Jobcentern, Bewährungsstrafe für Schatzsucher und Benzin im falschen Tank.
Thema des Tages
VW und Verbraucherschutz: Heiko Maas (SPD), Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz, drängt VW zu einer kundenfreundlichen Lösung der Abgas-Affäre. Neben Plänen für eine Schlichtungsstelle zur außergerichtlichen Lösung von Konflikten bei Neuwagenkäufen habe das Justizministerium den Autobauer zu einer internationalen Gleichbehandlung bei Entschädigungszahlungen aufgefordert, schreibt die SZ (Markus Balser/Thomas Fromm). Während US-amerikanischen Kunden eine Wiedergutmachung von 1.000 Dollar in Aussicht gestellt wurde, gingen europäische VW-Fahrer bislang leer aus. Hierbei solle es nach Unternehmensangaben auch bleiben, weil die Situationen nicht vergleichbar seien. In Deutschland stünden technische Umrüstungen betroffener Fahrzeuge unmittelbar bevor. Der Start des Rückrufs hänge von der bislang noch nicht erteilten Zustimmung des Kraftfahrt-Bundesamtes ab. Diese Behörde solle auch den Verbraucherschutz zu ihrem Ziel machen, so das HBl (Anja Stehle) zu den Plänen des Justizministeriums. Eine von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) eingesetzte Untersuchungskommission schlage zudem die Einrichtung staatlicher Prüfstände für Emissionsnachmessungen vor. Auf diese Weise könnten wirtschaftliche Abhängigkeiten zwischen Prüfinstituten und Herstellern vermieden werden.
Markus Balser (SZ) begrüßt in einem Kommentar die Vorhaben. VW habe bislang die versprochene "mustergültige" Aufarbeitung der Affäre nicht geleistet, um "vor sich selber gerettet" zu werden und glaubwürdig zu bleiben, bedürfe es eines stärker an Verbraucherinteressen orientierten Vorgehens.
Rechtspolitik
Jobcenter-Bürokratie: Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) plant einen Bürokratieabbau bei Jobcentern. Ein entsprechender Gesetzentwurf solle Anfang Februar dem Kabinett vorgelegt werden. Er sehe unter anderem vor, dass Leistungsbescheide künftig für ein ganzes Jahr und nicht wie bislang für sechs Monate erteilt werden, schreibt die SZ (Uwe Ritzer). Ein von Experten gefordertes konsequentes Pauschalensystem zur Beendigung des "täglichen Kleinkriegs" über Minimalbeträge sehe der Entwurf nicht vor. Weitere problematische Inhalte des Entwurfs beschreibt die taz (Barbara Dribbusch). So würden Kinder getrennter Eltern nur noch dann als der jeweiligen Bedarfsgemeinschaft zugehörig anerkannt, wenn die elterliche Betreuung zeitlich annähernd gleich ausfalle.
Schengen: Beim Treffen der EU-Innenminister in Amsterdam ist Griechenland seitens Deutschlands, Österreichs und Schwedens zu verstärkten Grenzschutzmaßnahmen aufgefordert worden. Anderenfalls würden sich die Schengen-Außengrenzen "nach Mitteleuropa bewegen", zitiert die FAZ (Helene Bubrowski) die österreichische Innenministerin. Dabei sei ein Ausschluss aus dem Schengen-System ohne den Willen des betreffenden Mitgliedsstaates rechtlich nicht möglich. Besprochen werde in Amsterdam auch eine Verlängerung der aktuellen Grenzkontrollen an den Binnengrenzen.
Eigentum: In einem Kommentar zur ungleichen Vermögensverteilung in Deutschland behauptet Heribert Prantl (SZ), dass das Maß, ab dem Ungleichheit in Unfreiheit umschlage, erreicht sei. Hierfür sei auch die Abschaffung der Vermögensteuer im Jahr 1997 verantwortlich. Die Steuer sei vom 1995 vom Bundesverfassungsgericht mitnichten verboten worden, vielmehr habe das Gericht bestimmt, dass sie nicht als Substanz, vielmehr nur als Sollertragsteuer ausgestaltet werden dürfe. Aufgabe des Gemeinwesen sei es, dem Verfassungssatz von der Sozialpflichtigkeit des Eigentums "zu guter Geltung zu verhelfen".
Bargeld: Das HBl (Frank M. Drost) berichtet zu Plänen der SPD-Bundestagsfraktion, künftig eine Obergrenze für den Einsatz von Barzahlungen einführen zu wollen. Durch eine Begrenzung auf 5.000 Euro und die Abschaffung von 500 Euro-Scheinen solle Geldwäsche erschwert werden. Das derartige Obergrenzen in anderen europäischen Ländern bereits gelten, legt das HBl (Norbert Häring) in einem weiteren Artikel dar. Die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme sei durchaus umstritten, weil die Geldscheine vom EU-Vertrag zum gesetzlichen Zahlungsmittel erklärt wurden. Auch die Praxis einiger deutscher Behörden, Barzahlungen durch Satzung oder Gesetz auszuschließen, sei rechtlich fragwürdig.
Justiz
EuGH zu Kartellbehörden: Kartellrechtliche Kronzeugenregelungen der Europäischen Kommission sind für die Entscheidungen nationaler Kartellbehörden nicht verbindlich, beide Regelungssysteme bestehen damit weiterhin eigenständig nebeneinander. Dies entschied nach Bericht des HBl (Heike Anger) der Europäische Gerichtshof in der vergangenen Woche.
BVerfG – Oppositionsrechte: Aus Anlass des jüngst am Bundesverfassungsgericht verhandelten Organstreitverfahrens zur Verfassungsmäßigkeit geltender Quoren für bestimmte Oppositionsrechte untersuchen die Politikwissenschafter B. Engst, T. Gschwend und C. Hönnige auf verfassungsblog.de, inwiefern "effektive Opposition" im Bundestag an die in Streit stehende Antragsbefugnis für die abstrakte Normenkontrolle gebunden ist. Im Ergebnis ihrer empirischen Analyse verneinen die Autoren einen solchen Zusammenhang. Oppositionellen Abgeordneten stünde der Zugang zum BVerfG unabhängig von der abstrakten Normenkontrolle auch noch durch Organstreitverfahren und individuelle Verfassungsbeschwerde offen.
BVerwG zu Bundestagsgutachten: Nach jahrelangem Rechtsstreit entschied das Bundesverwaltungsgericht im vergangenen Juni, dass der Bundestag in Bezug auf Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes eine informationspflichtige Behörde sei und die Gutachten dementsprechend öffentlich zugänglich machen muss. Die Funktionsweise des hierzu nun eingerichteten Portals "FragDenBundestag" erklärt zeit.de (Marvin Strathmann).
BGH zu Sondertilgungsrechten: Bei der Berechnung von Entschädigungen für vorfristige Kredittilgungen müssen Baufinanzierer vereinbarte Sondertilgungsrechte berücksichtigen. Dies entschied der Bundesgerichtshof, wie die SZ (Berrit Gräber) berichtet. Die im Fall beklagte Bank hatte eben dies durch eine AGB-Klausel ausgeschlossen. Wegen unangemessener Benachteiligung erklärte das Gericht dies für unwirksam. Wenn Finanzierer vertraglich ein Sondertilgungsrecht vereinbarten, müssten sie damit rechnen, dass Kunden dieses in Anspruch nähmen und damit auch weniger Zinsen zu zahlen hätten.
LG Frankenthal zu Barbarenschatz: Wegen Unterschlagung des sogenannten "Barbarenschatzes", rund 100 wertvollen Gold- und Silberstücken im Wert einer halben Million Euro, hat das Landgericht Frankenthal einen Hobby-Archäologen zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Der Verurteilte, in der Szene als Sondergänger bekannt, hatte seinen Fund im Widerspruch zu gesetzlichen Bestimmungen nicht bei den Landesbehörden angezeigt, schreibt die SZ (Wolfgang Janisch). Dass das sogenannte Schatzregal sämtliche historisch relevanten Erdfunde zum Eigentum des jeweiligen Bundeslands mache, werde von Hobby-Forschern kritisiert. Denn blieben die Sachen ohne deren Einsatz im Erdreich verborgen.
LG Verden zu Familiendrama: Das Landgericht Verden hat im Fall der im heimischen Wohnzimmer verhungerten Frau die Angeklagten, Ehemann und Tochter des Opfers, wegen Totschlags durch Unterlassen zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Nach einem Sturz hatten die Verurteilten die hilfebedürftige Frau sich selbst überlassen und Rettungskräfte erst nach ihrem Tod verständigt. Die SZ (Peter Burghardt) berichtet.
Recht in der Welt
EU/Polen – Rechtsstaatlichkeitsmechanismus: In einem englischsprachigen Beitrag zählt Rechtsprofessor Dimitry Kochenov auf verfassungsblog.de auf, welche vier strategischen, die Anwendbarkeit von Art. 7 EU-Vertrag behindernden Fehler die EU-Kommission in ihrem Umgang mit der Situation in Polen begangen haben soll.
Großbritannien – Brexit: Die FAZ (Helene Bubrowski) untersucht Inhalt und Erfolgsaussichten der bevorstehenden EU-Reformverhandlungen mit Großbritannien. Speziell die "rechtlichen Hürden" eines britischen Sonderwegs bereiteten Probleme, Premierminister David Cameron müsse zudem damit rechnen, dass seine innenpolitischen Gegner die von ihm zu erreichende Einigung auch durch den Europäischen Gerichtshof prüfen lassen werden. Dagegen würden sich die europäischen Verhandlungspartner vor allem an der britischen Forderung, EU-Ausländer im Land für eine gewisse Zeit von Sozialleistungen auszuschließen, stoßen.
Schweden – Entführung: Ein schwedischer Arzt muss sich wegen Entführung und Vergewaltigung einer Frau vor Gericht verantworten. Er habe geplant, sein Opfer über Jahre in einem eigens errichteten, unterirdischen Bunker festzuhalten, gibt spiegel.de die Anklage wieder. Tatsächlich brachte er sie jedoch selbst zur Polizei, nachdem er mitbekam, dass nach ihr gefahndet wurde. Die Frau konnte sich dort offenbaren.
Russland – Kritik: Weil sie in einem sozialen Netzwerk satirische Darstellungen von Präsident Wladimir Putin teilte und als "Gefällt mir" markierte, steht eine Verkäuferin in Jekaterinenburg vor Gericht. Ihr würden Schüren von Hass gegen die Machthaber und die nationale Gruppe der Russen vorgeworfen, schreibt die FAZ (Kerstin Holm).
Ägypten – Repression: Die FAZ (Leonie Feuerbach) berichtet zu den Bemühungen einer deutschen Studentin, die Freilassung ihres wegen einer vermeintlichen Protestaktion inhaftierten ägyptischen Verlobten zu erreichen. Erstinstanzlich zu zwei Jahren Haft verurteilt, warteten beide nun auf die für den kommenden Mittwoch terminierte Urteilsverkündung in der Berufungsinstanz.
China – Anwälte: Der Deutsche Anwaltverein hat aus Anlass des am vergangenen Sonntag begangenen "Tag des bedrohten Anwalts" erneut gegen die Verfolgung chinesischer Rechtsanwälte protestiert. lto.de berichtet.
Sonstiges
Diskriminierung: Nach Berichten zu angeblichen Zugangsverboten für Flüchtlinge in Freiburger Diskotheken befragt die taz (Christian Rath) Christine Lüders, Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, zur Rechtmäßigkeit der Maßnahme und möglichen Schadensersatzansprüchen Betroffener nach dem Allgemeinen Gleichstellungsgesetz.
Versailler Vertrag: Ein 130 Kilometer langer Fahrradweg von Aachen nach Troisvierges in Luxemburg ist völkerrechtlich trotz Verlaufes durch deutsches Gebiet tatsächlich belgisches Hoheitsgebiet. Die Hintergründe der auf einer Abtretung gemäß den Bestimmungen des Versailler Vertrages von 1919 beruhenden ungewöhnlichen Konstruktion erläutert Richter Eike Fesefeldt auf lto.de.
NSU-Dokudrama: Auch SZ (Renate Meinhof) und FAZ (Ursula Scheer) besprechen nun das am heutigen Dienstag im ZDF ausgestrahlte Dokudrama "Letzte Ausfahrt Gera – Acht Stunden mit Beate Zschäpe".
NSU-Krimi: In der Welt (Elmar Krekeler) wird "Die schützende Hand. Denglers achter Fall" von Wolfgang Scharlau besprochen. Der "Investigativschriftsteller unter den deutschen Krimiautoren" geht in einer "literarischen Ermittlung" der Frage nach, wer Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt tötete und schrecke dabei auch vor "staatsverschwörerischen Argumentationslinien" nicht zurück.
Das Letzte zum Schluss
Falsch befüllt: Der Geschmack der mit Süßstoffen angereicherten Coca Cola-Variante Zero scheidet die Geister. Weil eine Flasche des Getränks nun aber auch noch wochenlange Bauchschmerzen verursacht haben soll, wird sich das Amtsgericht Düsseldorf eingehender mit der Brause beschäftigen müssen. Wie focus.de berichtet, verlangt die gar nicht begeisterte Konsumentin 4.000 Euro Schadensersatz vom Unternehmen. Der Klägerin sei nach ihrer Darstellung beim Verzehr ein eigenartiger Benzin-Geruch aufgefallen, leider zu spät, um langanhaltende Magenprobleme zu verhindern.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 26. Januar 2016: Konsequenzen aus VW-Affäre / Bürokratie in Jobcentern / Unterschlagung von Schatz . In: Legal Tribune Online, 26.01.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18246/ (abgerufen am: 29.04.2024 )
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