SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi will gegen sinkende Wahlbeteiligung mit Wahlwochen und mobilen Wahlurnen vorgehen. Außerdem in der Presseschau: Wegfall der Erbschaftsteuer ohne Neuregelung?, Justizminister Heiko Maas im Interview, Richter und Restmüll, BGH zur Leihmutterschaft, Strafprozesse gegen Manager als "Geiselhaft" - und eine Anzeige wegen missfallenem Weihnachtsgeschenk.
Thema des Tages
Wahlrecht: SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi hat als Mittel gegen sinkende Wahlbeteiligung in einem Interview mit der Samstags-Welt (Jochen Gaugele/Daniel Friedrich Sturm) eine Reform des Wahlrechts vorgeschlagen. Statt an einem Wahltag soll nach schwedischem Vorbild während einer ganzen Woche gewählt werden dürfen. Auch der Ort der Stimmabgabe könnte durch mobile Kabinen variabel ausgestaltet werden. Zudem sollte die Legislaturperiode von vier auf fünf Jahre angehoben werden. Die Samstags-Welt (Jochen Gaugele/Karsten Kammholz/Daniel Friedrich Sturm) fasst außerdem die Reaktionen der anderen Parteien zusammen.
Simone Schmollack (Samstags-taz) und Jan Heidtmann (Montags-SZ) kritisieren, dass Fahimi den Vorschlag unter anderem mit der Bequemlichkeit der Wähler begründet habe.
Rechtspolitik
Erbschaftsteuer: Das Bundesverfassungsgericht hat im Dezember die Steuervergünstigungen für Unternehmenserben beanstandet und eine Neuregelung bis Ende Juni 2016 gefordert. In der Debatte um die Umgestaltung des Einkommensteuerrechts drängen CDU-Politiker auf eine Einigung zu ihren Bedingungen mit dem Argument, die Erbschaftsteuer würde ab dem Stichtag sonst gänzlich wegfallen. Wie die Montags-taz (Christian Rath) erläutert, waren sich die Verfassungsrichter jedoch einig, dass die Erbschaftsteuer auch ohne Neuregelung weiterhin erhoben werden soll und wollen ab dem Stichtag selbst anordnen, was bis zur gesetzlichen Neuregelung gelten soll.
Verfassungsrichter-Wahl: Christian Bommarius (Berliner Zeitung) kritisiert die Ausgestaltung der Wahl der Bundesverfassungsrichter und der geplanten Reform, die für die Wahl nun eine Abstimmung im Plenum des Bundestages vorsieht. Weil die eigentliche Entscheidung über die Kandidaten in den Parteizentralen getroffen werde, bedeute die Reform lediglich, dass nun "nicht mehr 12, sondern alle 631 Abgeordneten zum Abnicken der von den Richtermachern vereinbarten Kandidaten gerufen werden." Die Intransparenz sei aber zu verschmerzen angesichts möglicher Einflussnahmen durch Parteien bei einer umfassenden Reform.
Heiko Maas: Die FAS (Peter Carstens) porträtiert in einem umfassenden Beitrag den Minister der Justiz und für Verbraucherschutz Heiko Maas (SPD). Neben seinen Gesetzesinitiativen wie die Verschärfung des Strafrechts bei Kinderpornographie und Vergewaltigungen sowie das geplante Anti-Doping-Gesetz wird auch sein Verhältnis zum Innenminister Thomas des Mazière (CDU) dargestellt.
Der Spiegel (Melanie Amann/Horand Knaup, Zusammenfassung) führt ein Interview mit Maas. Darin kritisiert er die Teilnehmer der Pegida-Demonstrationen, plädiert für die Einhaltung von rechtsstaatlichen und demokratischen Standards bei der Terrorismusbekämpfung und beklagt, dass Sebastian Edathy (SPD) bisher kein Bedauern für den Kauf der umstrittenen Bilder gezeigt habe.
Föderale Finanzbeziehungen: Den aktuellen Stand der Debatte um die Reform des Solidarpakts I und II fasst die WamS (Martin Greive/Karsten Kammholz) zusammen. Das ursprüngliche Vorhaben, den Solidarzuschlag in die Einkommensteuer zu integrieren, sei vom Tisch, jedoch werde weiterhin um die finanzielle Unterstützung der Länder durch den Bund gestritten. Die Reform werde nun für den 18. Juni 2015 geplant.
Justiz
Richter und Restmüll: Die Reinigungsrichtlinie der hessischen Landesverwaltung gilt ab Jahresbeginn auch für Frankfurter Richter und Staatsanwälte. Künftig werde deshalb nur noch der Papierkorb von einer Putzkraft geleert, während die Juristen ihren Restmüll selbst zur Sammelstelle bringen müssen. Der hessische Richterbund kritisiert, dies drücke Geringschätzung gegenüber Richtern und Staatsanwälten aus, meldet die Montags-FAZ (Helmut Schwan) in ihrer Rubrik Streifzüge.
BGH - Leihmutterschaft: Helene Bubrowski (Montags-FAZ) kritisiert im Leitartikel das Urteil des Bundesgerichtshofs von vorletzter Woche, das eine US-Entscheidung über die Elternschaft eines homosexuellen Paares für ein von einer Leihmutter geborenes Kind anerkannt hatte. Die Richter hätten "die Tore für Leihmutterschaften im Ausland ganz weit aufgemacht" und die "Leihmütter völlig außer Acht gelassen", die gegenüber ihren Auftraggebern rechtlos seien. Vergleichbar mit der rechtlichen Beurteilung von Scheidungen im Ausland hätte das Gericht prüfen müssen, ob die Menschenwürde im konkreten Fall gewahrt gewesen war. Statt einer automatischen Anerkennung ausländischer Urteile solle im Rahmen eines Adoptionsverfahrens geprüft werden, ob die Mutter wirklich bereit ist, ihr Kind wegzugeben.
BGH zu Kostenantrag vor BGH: Stellt der Beklagte bei einer Klagerücknahme einen Kostenantrag gem. § 269 Abs. 4 S. 1 Zivilprozessordnung vor dem Bundesgerichtshof, muss er keinen beim BGH zugelassenen Anwalt bestellen. Das habe der BGH in einem Beschluss vom 18. November dieses Jahres entschieden, meldet blog.beck.de (Hans-Jochem Mayer). Die Antragstellung erfordere nicht die besondere Erfahrung und Kompetenz des spezialisierten Anwalts.
BFH zu Kernbrennstoffsteuer: Wie das Handelsblatt (Axel Schrinner) berichtet, hat der Bundesfinanzhof den Antrag der Kernkraftwerksbetreiber RWE und Eon auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Steuerbescheide nach dem Kernbrennstoffsteuergesetz abgelehnt; den Interessen des Staates an einer geordneten Haushaltsführung sei Vorrang zu einzuräumen. Die Unternehmen müssen die Kernbrennstoffsteuer also zunächst bezahlen, obwohl das Finanzgericht Hamburg die Steuer für verfassungs- und unionsrechtswidrig hält und die Frage nach der Vereinbarkeit mit dem Verfassungs- und EU-Recht dem Bundesverfassungsgericht und dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt hat.
OLG Köln zu Diether Dehm: Nach einem Bericht der Montags-SZ (Karoline Meta Beisel) hat das Oberlandesgericht Köln die Bezeichnung des Linken-Politikers Diether Dehm als "Borderliner" durch den Journalisten Hajo Schumacher erlaubt. Das Gericht habe im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht die Äußerung über dessen geistigen Zustand als Meinungsäußerung gewertet. Die Bezeichnung sei zudem zwar überspitzt gewesen, jedoch müsse Dehm sich diese gefallen lassen, weil er selbst zu derartigen Attacken neige.
LG Arnsberg zu Aktenversendungspauschale: Laut blog.beck.de (Hans-Jochem Mayer) hat das Landgericht Arnsberg entschieden, dass keine Aktenversendungspauschale bei Gewährung von Akteneinsicht erhoben werden darf, selbst wenn die Akte zu diesem Zweck zwischen verschiedenen Justizgebäuden transportiert werden muss. Die Akte habe aufgrund ihres geringen Gewichts keine Mehrkosten an Benzin verursacht und stelle somit keine Auslage im Sinne der Nr. 9003 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz dar.
OLG München - NSU: Nach 172 Verhandlungstagen im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München zieht die Samstags-taz (Andreas Speit) ein vorläufiges Fazit. Vorgestellt werden die Vorwürfe gegen die Angeklagten Beate Zschäpe, Ralf Wohlleben, Carsten S., André Eminger und Holger Gerlach sowie die bisherigen Erkenntnisse aus der Vernehmung von über 300 Zeugen. Nach der Weihnachtspause werde das Nagelbombenattentat in der Kölner Keupstraße verhandelt.
Strafprozesse gegen Manager: Joachim Jahn (Montags-FAZ) geht im Wirtschafts-Leitartikel auf aufsehenerregende Prozesse im Wirtschaftsstrafrecht ein, wie etwa die entschiedenen Verfahren gegen Uli Hoeneß und Thomas Middelhoff und laufende Verfahren gegen die ehemaligen Vorstände der HSH Nordbank und die Führung der Bank Sal. Oppenheim. Jahn kritisiert die lange Verfahrensdauer, die einer "Geiselhaft im Gerichtsgebäude" gleichkomme. Die Vorwürfe des versuchten Prozessbetrugs gegen den Co-Chef der Deutschen Bank und ehemalige Vorstände hält Jahn für eine "Räuberpistole", bei der fraglich sei, ob das Landgericht München I das Hauptverfahren überhaupt eröffnen werde.
Anwalt David Schneider-Addae-Mensah: Der Spiegel (Dietmar Hipp) schildert den Fall des dunkelhäutigen Rechtsanwalts David Schneider-Addae-Mensah, der im April beim Einwerfen eines Briefes beim Bundesverfassungsgericht durch einen Beamten der Bundespolizei kontrolliert und festgenommen worden war. Daneben erfahre der Rechtsanwalt häufig Kontrollen durch Beamte, insbesondere in Grenzregionen. Das Verfahren gegen den Bundespolizisten sei eingestellt worden, während Schneider vom Amtsgericht Karlsruhe zu einer Verwarnung mit Strafvorbehalt wegen Beleidigung verurteilt worden sei. Dagegen habe er Berufung eingelegt.
Anwalt Lutz Libbertz: Die WamS (Britta Stuff) porträtiert den Münchener Rechtsanwalt Lutz Libbertz, der Prominente wie Dieter Bohlen und Rudolph Mooshammer vertreten hat. Libbertz wird geschildert als Anwalt, der in zahlreichen Rechtsgebieten tätig ist, unter anderem im Arzthaftungs-, Familien-, Erb-, und Strafrecht.
Recht in der Welt
EU und EMRK: Professorin Sionaidh Douglas-Scott befasst sich auf verfassungsblog.de mit dem Gutachten des Europäischen Gerichtshofs zum Entwurf der Übereinkunft über den Beitritt der EU zur Europäischen Menschenrechtskonvention. Sie stellt sechs Einwände des EuGH gegen den Beitritt vor und sieht in der ablehnenden Haltung eine Gefahr für den Schutz von Menschenrechten. Professor Martin Scheinin erläutert auf verfassungsblog.de Gründe, die eine Erklärung für die negative Tendenz des Gutachtens liefern könnten, wie etwa die aktuelle EU-Skepsis und die Befürchtung einer Umgehung des Vorabentscheidungsverfahrens.
Irland - Lebenserhaltende Maßnahmen: Das Oberste Gericht in Irland hat am Freitag entschieden, dass die lebenserhaltenden Maßnahmen bei einer hirntoten Frau beendet werden dürfen, berichtet die Samstags-taz (Ralf Sotschek). Die Frau war in der 18. Woche schwanger, so dass die medizinischen Maßnahmen wegen des Abtreibungsverbots von den Ärzten fortgesetzt worden waren. Das Gericht habe nun entschieden, dass die Rechte des Fötus denen der schwangeren Frau vorgingen, jedoch hätte der Fötus im vorliegenden Fall nur geringe Chancen auf Überleben gehabt.
Sonstiges
Urlaubstage an Weihnachten und Silvester: Rechtsanwalt Gero Ludwig erläutert auf blog.handelsblatt.com, welche arbeitsrechtlichen Regelungen an Heiligabend und Silvester zu beachten sind. Während die beiden Tage keine gesetzlichen Feiertage darstellen, können sie als Urlaubstage vom Arbeitgeber gewährt oder tarifvertraglich geregelt werden. Um keinen Urlaubstag nach dem Bundesurlaubsgesetz handelt es sich dagegen, wenn nur ein halber Tag gearbeitet werden soll und dieser halbe Tag als "Urlaub" beantragt wird.
Arbeitszeugnisse: Vor dem Hintergrund, dass die Arbeitsverhältnisse häufig zum Jahresende beendet werden, beschreibt Rechtsanwältin Doris Maria Schuster in der Samstags-FAZ die Voraussetzungen des Anspruchs auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses. Trotz der weit verbreiteten Praxis, ein Gefälligkeitszeugnis auszustellen, habe der Arbeitnehmer bei durchschnittlicher Leistung lediglich einen Anspruch auf ein befriedigendes Zeugnis, wie das Bundesarbeitsgericht kürzlich entschieden habe.
Gerhart Strates Buch "Der Fall Mollath": Die FAZ (Helene Bubrowski) bringt eine Rezension des neu erschienen Buchs "Der Fall Mollath" von Rechtsanwalt Gerhart Strate, der Gustl Mollath im Wiederaufnahmeverfahren vertreten hat. Strates Buch sei eine eindrückliche Mahnung, jedoch stellenweise zu drastisch formuliert; auch lasse er konkrete Verbesserungsvorschläge vermissen.
Uli Hoeneß - Bayerischer Verdienstorden: Uli Hoeneß soll seinen Bayerischen Verdienstorden aufgrund eines Hinweises aus der Staatskanzlei auf "ungeschriebene Gesetze" zurückgegeben haben. Jost Müller-Neuhof (Tagesspiegel) schildert in einem Kommentar die Rechtslage: In Bayern gebe es die Möglichkeit der Aberkennung, wenn ein Ordensbeirat den Ordensentzug vorschlage. Er wundere sich, warum niemand zuvor die Aberkennung erwogen habe.
Das Letzte zum Schluss
Anzeige wegen Weihnachtsgeschenk: Der Ärger über verpatzte Weihnachtsgeschenke kann dramatische Auswirkungen auf das Familienverhältnis haben oder gar zu einer Anzeige führen. So geschehen im schwedischen Blekinge, wo ein 36-jähriger Mann bei der Polizei anrief und seine Mutter anzeigte. Die Beamten nahmen die Anzeige immerhin auf, wollen aber nicht ermitteln, berichtet spiegel.de.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ms
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 25.-29. Dezember 2014: Wahlwochen statt Wahltag - Wegfall der Erbschaftsteuer? - Strafprozesse gegen Manager . In: Legal Tribune Online, 29.12.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14220/ (abgerufen am: 19.05.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag