Der 18. Bundestag ist eröffnet. Ist eine Verfassungsänderung zur Sicherung der Rechte der Oppositionsparteien nötig? Außerdem in der Presseschau: BFH zu Gleichstellung von Lebenspartnerschaften, Urteil im Maschseemordprozess, Parteienfinanzierung in Griechenland, und der Unterschied zwischen Hotel und Bordell – in steuerrechtlicher Hinsicht.
Thema des Tages
Rechte der Opposition: Der alte und neue Bundestagspräsident, Norbert Lammert (CDU), hat sich gegen Forderungen ausgesprochen, die Rechte der potenziellen Oppositionsparteien des neuen Bundestages durch eine Änderung des Grundgesetzes zu stärken. Dieses Ziel sei auch durch eine Kooperationsbereitschaft der beteiligten Fraktionen zu erreichen. Die Welt (Thomas Vitzthum) berichtet.
Die FAZ (Helene Bubrowski) stellt die grundgesetzlichen Bestimmungen zu den Rechten der Mitglieder des Bundestags vor und räumt der Ankündigung Gregor Gysis (Linke), durch eine Klage beim Bundesverfassungsgericht eine Änderung der Verfassung, die "durch neue Umstände grundgesetzwidrig geworden ist" zu bewirken, wenig Chancen ein.
Die SZ (Wolfgang Janisch) informiert in einem historischen Abriss über erfolgversprechendere Wege nach Karlsruhe. Als wichtigstes Instrument der Opposition gelte die Normenkontrollklage, für die Linke und Grüne zusammen nun allerdings nicht antragsberechtigt sind. Angesichts der politischen Konstellation sei die Anzahl der durch Landesregierungen veranlassten Gesetzesprüfungen in der kommenden Legislaturperiode eher niedrig zu veranschlagen. Übrig blieben ein von einer Fraktion oder einem Abgeordneten initiierter Organstreit oder die Verfassungsbeschwerde, die jedermann offenstehe. Peter Gauweiler (CSU) habe in den letzten Jahren als eine "Art innerfraktionelle Ein-Mann-Opposition" mit diversen Klagen gegen Rettungsschirme bewiesen, dass auch diese Rechtsschutzmöglichkeit politisch wirken könne.
Rechtspolitik
Europa: Die Zeit (Matthias Krupa/Heinrich Wefing) interviewt die EU-Justizkommissarin Viviane Reding. Die Luxemburgerin äußert sich zum vermeintlichen Demokratiedefizit der EU, europäischen Föderalismus, Sanktionsmöglichkeiten gegen Mitgliedsstaaten, in denen die Rechtsstaatlichkeit eingeschränkt wird und der Rolle der Bundesrepublik in Europa.
Korruption: Ausgehend vom Fall des ehemaligen Staatsministers im Kanzleramt und künftigen Daimler-Managers Eckart von Klaeden (CDU) fordert Petra Pinzler (Zeit) verbindliche Regeln für derartige berufliche Veränderungen. Zwar gelte für von Klaeden, gegen den die Staatsanwaltschaft einen Anfangsverdacht der Vorteilsannahme im Amt prüft, die Unschuldsvermutung. Karenzzeiten, wie sie etwa für EU-Kommissare gelten, würden jedoch dazu beitragen, dass "ausnahmslos jeder Wechsel unter Korruptionsverdacht gerät."
Recht auf Privatsphäre: In einem längeren Gastbeitrag für das Feuilleton der FAZ fordern Georg Mascolo, früherer Chefredakteur des Spiegels und Ben Scott, US-amerikanischer Politikberater das "Grundrecht auf Privatsphäre" zurück. Sie erinnern an dessen Normierung in Art. 12 der UN-Menschenrechtscharta sowie Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention und machen Vorschläge zur Erreichung dieses Ziels in Zeiten umfassender Überwachung. Zur Sicherung bestimmter Mindeststandards müsse sich Europa mit der US-amerikanischen Regierung verständigen, es wisse hierbei amerikanische Internetkonzerne, die ihre Marktmacht gefährdet sehen, auf seiner Seite.
Justiz
EGMR zu Nutzerkommentaren: Der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur Haftung eines Newsportals für rechtswidrige Kommentare seiner Nutzer von vor zwei Wochen analysiert Markus Sehl für lto.de. Dabei werden auch die Auswirkungen der Entscheidung für deutsche Seitenbetreiber untersucht und als eher gering eingeschätzt.
BAG zu Kündigungsgrund Haft: Rechtsprofessor Christian Rolfs (blog.beck.de) berichtet über ein jetzt veröffentlichtes Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom Mai. Das Erfurter Gericht entschied, dass die Kündigung eines Arbeitnehmers, der wegen Untersuchungs- und zu erwartender Strafhaft seine Arbeitsleistung über einen erheblichen Zeitraum nicht erbringen kann, sozial gerechtfertigt sein kann.
BFH zu Homo-Gleichstellung: Einer in eingetragener Lebenspartnerschaft lebenden Frau steht ein rückwirkender Kindergeldanspruch auch für die in den gemeinsamen Haushalt aufgenommenen Kinder ihrer Partnerin zu. Dies entschied der Bundesfinanzhof in entsprechender Anwendung der für die Ehe geltenden Bestimmungen nach Bericht der Welt (Kathrin Gotthold). Auch lto.de berichtet.
OLG München – NSU-Prozess: Der Prozess gegen Beate Zschäpe und andere vor dem Oberlandesgericht München wurde mit Zeugenvernehmungen zum Mord an Mehmet Turgut fortgesetzt. Bereits eine Woche nach der Tat im Februar 2004 habe die ermittelnde Rostocker Polizei einen ausländerfeindlichen Hintergrund ausgeschlossen, schreibt die SZ (Tanjev Schultz). Stattdessen sei vermeintlichen kriminellen Aktivitäten des Opfers, das Jahre zuvor in der Türkei seine Personalien mit seinem Bruder getauscht habe, nachgegangen worden. Den Hintergrund des Namenstauschs erklärt Holger Schmidt (SWR-Terrorismus-Blog).
LG Hannover zu "Maschseemord": Das Landgericht Hannover hat den Angeklagten im sogenannten "Maschseemord"-Prozess wegen Tötung aus Mordlust zu 12 Jahren Haft verurteilt und in die Psychiatrie eingewiesen. Der Täter hatte nach Auffassung des Gerichts eine Prostituierte erstochen, nachdem sie sich über seine rechtsradikale Gesinnung lustig gemacht hatte, anschließend zerstückelt und in den Maschsee geworfen, schreibt die taz-Nord (Andreas Speit).
LG Hannover - Christian Wulff: Auf eine Kritik von Wolfgang Kubicki (FDP) an Aufwand und Umfang der vor dem Landgericht Hannover anberaumten Verhandlung gegen den ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff (CDU) wegen Vorteilsannahme antwortet Rechtsanwalt Claudio Helling (wp.rechtsanwalt-helling.de).
Suhrkamp: Nach Darstellung der Welt (Sven Clausen) beabsichtigt der Minderheitsgesellschafter des Suhrkamp-Verlages, Hans Barlach, gegen die am Dienstag erfolgte Annahme des Insolvenzplanes des Hauses nicht in Berufung zu gehen. Seine neuen Rechte als Aktionär wolle er hingegen voll ausschöpfen, auch die vor einigen Wochen erhobene Verfassungsbeschwerde gegen das neue Insolvenzrecht, in den Worten Barlachs von der Suhrkamp-Leitung zu einer "Scheininsolvenz" genutzt, würde weiter betrieben.
Kommunalaufsicht zu Steuernachlass: Die schleswig-holsteinische Kommunalaufsicht hat den von der Kieler Oberbürgermeisterin Susanne Gaschke (SPD) einem Mediziner gewährten Steuernachlass in einem Gutachten als rechtswidrig gewertet. Wie die SZ meldet, hätten die Voraussetzungen einer Eilentscheidung nicht vorgelegen, zudem seien weder abgaben- noch beihilferechtliche Vorgaben erfüllt gewesen.
Recht in der Welt
Griechenland – Parteienfinanzierung: Nach Bericht der Welt (Jens Wiegmann) hat eine breite Mehrheit des griechischen Parlaments eine Änderung des Gesetzes zur Parteienfinanzierung beschlossen. Diese sehe vor, dass staatliche Unterstützung eingefroren werden könne, wenn die Führung einer Partei oder zehn Prozent ihrer Abgeordneten wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung oder wegen terroristischer Taten angeklagt sind, bei einem Freispruch würden die Gelder freigegeben. Vertreter der "Goldenen Morgenröte", der die Neuregelung gelte, kritisierten die Änderung als verfassungswidrig.
Italien – Berlusconi: In Italien soll im Februar ein neuer Prozess gegen den früheren Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi eröffnet werden. Die Staatsanwaltschaft Neapel plant den Nachweis der Bestechung von Senatoren, deren Votum 2008 zum Sturz der sozialdemokratischen Regierung Prodi geführt, schreibt die SZ (BAC).
Russland/Niederlande/Greenpeace: Nach Bericht der FAZ (Ann-Dorit Boy) hat Russland es im Fall der inhaftierten Greenpeace-Aktivisten abgelehnt, mit dem von den Niederlanden angerufenen Internationalen Seegerichtshof (ISGH) in Hamburg zusammenzuarbeiten. Die Anklage gegen die im letzten Monat aufgebrachten Aktivisten sei derweil von "bandenmäßiger Piraterie" auf "Rowdytum" abgeschwächt worden.
Iran – Hinrichtung: Ein wegen Drogenhandels Verurteilter überlebte in der vergangenen Woche im Iran seine Hinrichtung. Ein Arzt hatte den Erhängten für tot erklärt, Angehörige jedoch am folgenden Tag das Gegenteil festgestellt. Der Justizminister des Landes erklärte nun, dass eine erneute Hinrichtung "nicht nötig" sei und dem internationalen Image Irans schade, schreibt die taz (Bernd Pickert).
Sonstiges
Berichterstattung über Straftäter: Die Journalistin Canan Topcu (Zeit) fordert in einem Gastbeitrag, bei der Berichterstattung über Straftaten die Herkunft von Verdächtigen unerwähnt zu lassen. Eine Bestimmung des Pressekodexes sehe dies ohnehin vor, wenn kein "begründbarer Sachbezug" der Information zur Tat besteht. Dies sei in der Regel der Fall, oftmals unachtsam aus polizeilichen Pressemitteilungen übernommene Formulierungen trügen jedoch zur Stigmatisierung bestimmter Gruppen bei.
Auskunftsanspruch: Über eine siebenjährige "Recherche-Odyssee" schreibt die FAZ (Marvin Oppong) in ihrem Medien-Teil. Der berichtende Journalist hatte 2006 beim WDR angefragt, ob ein Rundfunkrat geschäftliche Beziehungen zum Sender unterhalten würde. Nach Einschaltung des Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit, einer über mehrere Instanzen betriebenen Auskunftsklage und einer mutmaßlich durch die Anfrage motivierten Änderung des WDR-Gesetzes erhielt er eine Antwort.
Das Letzte zum Schluss
Ein Bordell ist kein Hotel: Bei Vermietungen einzelner Zimmer in einem Bordell an Prostituierte wird nach einem am Mittwoch veröffentlichten Urteil des Bundesfinanzhofs der volle Steuersatz fällig. Wie die FAZ (Joachim Jahn) schreibt, würden nach Feststellung des Gerichts in Bordellen Zimmer nicht "für Wohn- oder Schlafzwecke, sondern für gewerbliche Zwecke genutzt", sie könnten sich daher auch nicht auf den für das Beherbergungsgewerbe geltenden ermäßigten Steuersatz berufen.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 24. Oktober 2013: Rechte der Opposition – BFH zu Lebenspartnerschaften – Griechische Parteienfinanzierung . In: Legal Tribune Online, 24.10.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9874/ (abgerufen am: 24.05.2024 )
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