Die niedersäschsische Landesregierung hätte sich ihre Antworten bei der Aufklärung der Wulff-Affäre besser überlegen müssen. Nun erhielt sie eine Rüge vom Staatsgerichtshof. Außerdem in der Presseschau: Die Bayern dürfen ein Volksbegehren durchführen, italienische Erdbebenforscher werden verurteilt und ein Anwalt fürchtet, es könnte bald alles umsonst sein.
StGH Niedersachsen zu Antwortpflicht im Parlament: Der Niedersächsische Staatsgerichtshof hat gerügt, dass die Landesregierung das Parlament bei der Aufklärung der Affäre um den ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff nicht ausreichend informiert hat. Die Welt (Ulrich Exner) und die SZ (Jens Schneider) berichten. Dabei ging es um eine Frage der SPD-Fraktion, ob die Landesregierung im Jahr 2009 an der Organisation der Prominenten-Party "Nord-Süd-Dialog" beteiligt gewesen war. Das hatte der niedersäschische Finanzminister Hartmut Möllring Anfang des Jahres verneint - kurz darauf wurde allerdings bekannt, dass das Land die Veranstaltung doch mitorganisiert hatte. Die Richter befanden nun, Möllring hätte zunächst mehr Nachforschungen anstellen oder seine Antwort mit einem entsprechenden Vorbehalt versehen müssen.
Jens Schneider (SZ) kommentiert, die Opposition habe "mit gutem Recht" attackiert, das Urteil verpflichte die Regierungen nun "zu mehr Sorgfalt".
Weitere Themen – Rechtspolitik
Ad-hoc-Meldungen: Die FTD (Daniel Schönwitz) beleuchtet die Pläne der EU, höhere Bußgelder einzuführen, wenn Aktiengesellschaften am Kapitalmarkt Informationen vorenthalten. Ende Juli hatte sich der EuGH mit den so genannten Ad-hoc-Meldungen befasst, demnächst muss der Bundesgerichtshof entscheiden, ob Anleger Schadensersatz verlangen können, wenn sie über entsprechende Zwischenschritte zu bevorstehenden Beschlüssen nicht informiert wurden. So könne "eine explosive Mischung aus unklarer Rechtslage und scharfen Sanktionen" entstehen, heißt es in dem Bericht.
Datenschutz: Ein Entwurf der EU-Kommission für ein neues Datenschutzrecht stieß in einer Anhörung des Innenausschusses des Bundestages auf Kritik. Wie die FR (Bettina Vestring) berichtet, kritisierten die Experten vor allem, dass die EU-Kommission zu viele Kompetenzen an sich ziehen wolle.
Urheberrecht: zeit.de (Kai Biermann) führt ein Interview mit dem Rechtsprofessor Lawrence Lessig, der an der Harvard Law School lehrt und Mitbegründer der Creative Commons Initiative ist. Lessig spricht sich für ein neues Urheberrecht aus, das Kopien grundsätzlich erlaubt, dabei aber zwischen privater und kommerzieller Nutzung unterscheidet.
Wahlrecht: Falk Heunemann (FTD) plädiert für ein einfacheres Wahlrecht. Der Gesetzgeber dürfe die Prinzipien der Repräsentation, der direkten Personenauswahl und des Föderalismus nicht mehr gleichrangig nebeneinander verfolgen, er müsse "mindestens eins zurückstellen".
Makler: Hamburg und Nordrhein-Westfalen wollen angesichts der angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt die Regeln für Makler grundlegend ändern. Demnach soll künftig nur noch derjenige den Makler bezahlen, der ihn bestellt. Die SZ (Charlotte Frank/Angelika Slavik) widmet den Vorschlägen das Thema des Tages.
Weitere Themen - Justiz
BayVerfGH zu Volksbegehren: In Bayern darf ein von den Freien Wählern beantragtes Volksbegehren gegen Studiengebühren stattfinden. Das entschied der Bayerische Verfassungsgerichtshof am Montag und widersprach damit der Auffassung des Innenministeriums. Die SZ (Martina Scherf) erläutert die Entscheidung im Bayern-Teil. Die Bayerische Verfassung untersagt zwar Volksentscheide, die den Staatshaushalt betreffen, die Richter sahen in den von den Hochschulen erhobenen Studiengebühren jedoch lediglich "Durchlaufposten". Heribert Prantl (SZ) begrüßt das Urteil: Die Gleichwertigkeit von Volksgesetzgebung und parlamentarischer Gesetzgebung werde damit bekräftigt, die "wunderbare Bayerische Verfassung" werde nun "wachgeküsst".
Zschäpe-Prozess vor OLG München: Nach Informationen des Focus (G. Schattauer/C. Elflein/J. Hufelschulte/A. Splicker/T. Treser) soll der mutmaßlichen NSU-Terroristin Beate Zschäpe vor dem Oberlandesgericht München der Prozess gemacht werden. Der Vorsitzende Richter am zuständigen 6. Strafsenat, Manfred Götzl, sei ein "harter Hund" mit großem Sachverstand und gelegentlichen cholerischen Anfällen.
LG Halle – Gutachterstreit um Foto: In einem Betrugsverfahren muss das Landgericht Halle klären, ob der Angeklagte eine halbe Millionen Euro erschlichen hat, indem er mit gefälschten Pässen Kredite beantragte. Zwei Gutachter kamen zu unterschiedlichen Ergebnissen auf die Frage, ob das Passfoto den Angeklagten zeigt oder nicht. Von dem Verfahren berichtet der Focus (Göran Schattauer).
KG Berlin – Verbot von Graffiti-Film: Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) wollen einen Film über Berliner Sprayer und Graffitis an Zügen verbieten lassen. Das Berliner Landgericht hatte die Verbreitung des Films bereits untersagt, weil die Aufnahmen ohne Genehmigung auf den Betriebsbahnhöfen der BVG gemacht wurden. Am Donnerstag findet die Berufungsverhandlung vor dem Berliner Kammergericht statt. Die Hintergründe des Streits schildert der Jurist Christopher Hauss für lto.de.
Weitere Themen – Recht in der Welt
Italien – Haftstrafen für Erdbebenforscher: Ein italienisches Gericht hat sieben Erdbebenforscher zu je sechs Jahren Haft verurteilt, weil sie vor dem Erdbeben in L' Aquila 2009 nicht ausreichend auf Gefahren hingewiesen hätten. spiegel.de (Axel Bojanowski) schildert den Fall und die empörten Reaktionen von Wissenschaftlern.
USA/Argentinien/Ghana – Pfändung von Marinesegler: Ein US-amerikanischer Hedgefond hat ein Segelschulschiff der argentinischen Marine in Ghana festsetzen lassen, um ausstehende Gelder vom argentinischen Staat einzutreiben. Wie die SZ (Simone Boehringer) berichtet, sind ähnliche Pfändungsversuche argentinischen Staatseigentums in Deutschland mehrfach gescheitert.
England – Zockerprozess: Die FTD (Sebastian Borger) berichtet aus London von dem Fortgang des Prozesses gegen den ehemaligen Händler der UBS-Bank, Kweku Adoboli, der sich wegen Betrugs und Bilanzfälschung verantworten muss. Der Prozess solle nach derzeitigem Stand Ende kommender Woche abgeschlossen werden.
Griechenland – Prozess gegen Ex-Siemens-Manager: Wie das Handelsblatt (Gerd Höhler) berichtet, will das Athener Oberlandesgericht mehrere ehemalige Siemens-Manager vorladen. Ihnen werde Bestechung und Geldwäsche vorgeworfen. Einige der Betroffenen seien wegen der Schmiergeldpraktiken in Deutschland bereits rechtskräftig verurteilt bzw. frei gesprochen worden.
Sonstiges
Wirtschaftsprüfer und Rechtsberatung: Mit den Vor- und Nachteilen des Trends Wirtschaftsprüfung und Rechtsberatung aus einer Hand anzubieten, setzt sich das Handelsblatt (Catrin Gesellensetter) auseinander. Das Modell sei für viele Gesellschaften attraktiv, allerdings plane der EU-Binnenmarktkommissar Barnier eine strikte Trennung von Beratung und Prüfung.
Pro-Bono-Rechtsberatung: Aled W. Griffiths (Handelsblatt) fordert die Entwicklung einer Pro-Bono-Kultur unter deutschen Anwälten nach dem Vorbild der USA. Damit könnten "Fälle, die sonst nie auf dem Schreibtisch eines Anwalts gelandet wären" vor Gericht gebracht werden und das Ansehen der Anwaltschaft würde gestärkt.
Das Letzte zum Schluss
Alles Umsonst: Der Rechtsanwalt Christoph Nebgen zeigt sich auf seinem Blog Nebgen wenig angetan von kostenloser Rechtsberatung. Ironisch kommentiert er, er habe sich wohl schon an Gratis-Baumärkte, Gratis-Tankstellen und Gratis-Vermieter gewöhnt.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ak
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 23. Oktober 2012: Antworten im Parlament – Volksbegehren in Bayern – Haftstrafen für Erdbebenforscher . In: Legal Tribune Online, 23.10.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7366/ (abgerufen am: 19.05.2024 )
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