Dreieinhalb Jahrzehnte Haft für den Whistleblower Bradley Manning. Das US-Urteil sorgt in Deutschland für Empörung. Außerdem in der Presseschau: Das Bundesverfassungsgericht muss sich bald mit dem Solidaritätszuschlag und dem Hygienepranger befassen, das Landgericht Düsseldorf verhandelt über den Bankraub eines Hackerrings und der VGH Mannheim entschied, ob ein Professor mit einem anderen Professor das Büro teilen muss.
35 Jahre für Bradley Manning: Nachdem Militärrichterin Denise Lind schon vor drei Wochen Bradley Manning in 20 von 22 Punkten, unter anderen Spionage, für schuldig sprach, weil er als Soldat rund 700.000 geheime US-Dokumente an Wikileaks weitergab, legte sie jetzt das Strafmaß fest: 35 Jahre Gefängnis. Maximal möglich waren 90 Jahre, die Anklage hatte 60 Jahre gefordert. Wie spiegel.de (Sebastian Fischer) berichtet, ist bei guter Führung eine Entlassung in neun oder zehn Jahren denkbar. Außerdem sind noch Rechtsmittel möglich.
Nicolas Richter (SZ) hält das Urteil für ein Signal der Erbarmungslosigkeit: "Wer die Öffentlichkeit aufklären möchte, weil er den Staat auf einem falschen, gar gefährlichen Weg wähnt, der wird behandelt wie ein Mörder." Bernd Pickert (taz) spricht von einer Perversion des Rechts: "Wer in Uniform Verbrechen begeht, kann auf Schutz hoffen, wenn nur die Öffentlichkeit nichts davon erfährt. Wer diese Verbrechen aufdeckt und eben öffentlich macht, wird verfolgt."
Reinhard Müller (FAZ) fordert eine differenzierte Bewertung der von Manning weitergegebenen Dokumente: "Die Gefährdung von Kameraden ist das eine, etwas anderes die Offenlegung diplomatischen Verkehrs, die zu mehr als einem Ansehensverlust Amerikas geführt hat, wiederum etwas anderes die Aufdeckung eines Verbrechens wie der offenbar willkürlichen Beschießung von Zivilisten aus einem Kampfhubschrauber."
Weitere Themen – Rechtspolitik
NSU-Untersuchungsausschuss: Am heutigen Donnerstag will der Bundestags-Untersuchungsausschuss zum Nationalsozialistischen Untergrund seinen rund 1000-seitigen Abschlussbericht vorstellen. Die taz (Wolf Wiedmann-Schmidt) fasst die Kritik an den Sicherheitsbehörden vorab zusammen. Der Ausschuss gibt auch rund 50 rechtspolitische Empfehlungen, die ebenfalls von der taz (Wolf Wiedmann-Schmidt) zusammengestellt werden.
Geheimdienstkontrolle: Die FAZ (Reinhard Müller) beschreibt die derzeitige Kontrolle deutscher Geheimdienste durch parlamentarische Gremien. Diese sei von den Abgeordneten nicht nebenbei zu leisten, deshalb sollten auch ihre Mitarbeiter Zugang zu den Gremien haben. Die SZ (Daniel Brössler) schildert die Reformvorschläge von SPD, FDP, Linken und Grünen.
Wahlrecht I - Online-Wahlen: Die wissenschaftlichen Mitarbeiter Anika D. Luch und Sönke E. Schulz halten im Juwiss-Blog die Einführung einer Stimmabgabe per Internet für vereinbar mit Art. 38 GG, wenn die Online-Wahl die Ausnahme bleibt.
Wahlrecht II - Wahlpflicht: Die Studenten Vincent-Immanuel Herr und Martin Speer plädieren in der Zeit für die Einführung einer Wahlpflicht. Wer wählt, soll sich künftig allerdings auch per Kreuzchen enthalten können. Wer gar nicht zur Wahl geht, solle dagegen eine Abgabe zahlen müssen.
Rundfunkfinanzierung: In der Serie über die Wahlprogramme zur Bundestagswahl befasst sich lto.de (Claudia Kornmeier) diesmal mit der Rundfunkfinanzierung, insbesondere der Haltung zum neuen Rundfunkbeitrag.
Weitere Themen – Justiz
Fall Mollath: Die Zeit (Sabine Rückert/Heinrich Wefing) spricht in ihrem Dossier mit Gerhard Strate, dem Verteidiger von Gustl Mollath, über Vorurteile und Hochmut der Richter, die Rolle der Medien, die Fehler von Mollaths Unterstützern, die Verfilmung von Mollaths Schicksal, mögliche Rückfälle und Mollaths psychische Gesundheit.
BVerfG – Solidaritätszuschlag: Das Finanzgericht Niedersachsen hat dem Bundesverfassungsgericht in einer konkreten Normenkontrolle die Frage vorgelegt, ob der Solidaritätszuschlag heute noch verfassungskonform erhoben werden darf. Der Vorlagebeschluss sei erwartet worden, schreibt die Welt (Martin Greive). Das Finanzgericht argumentiere, "dass aufgrund verschiedener Anrechnungsvorschriften bei der Einkommensteuer – etwa bei ausländischen Einkünften oder der Gewerbesteuer – der Solidaritätszuschlag in unterschiedlicher Höhe bei gleich gelagerten Sachverhalten festgesetzt wird". Damit verstoße die Regelung gegen Artikel 3 Grundgesetz.
BVerfG – Lebensmittel: Die niedersächsische Landesregierung hat eine abstrakte Normenkontrolle gegen § 40 des Lebens- und Futtermittelgesetzbuchs (LFGB) erhoben. Das berichtet lto.de. Die Norm schreibe vor, wann und unter welchen Bedingungen die Öffentlichkeit vor schädlichen Produkten informiert werden soll. Der dort geregelte Hygienepranger enthalte keine Löschungsfrist.
OLG Frankfurt zu Fluggastkontrolle: Die Bundesrepublik muss einem Fluggast die Kosten für ein neues Flugticket bezahlen, nachdem dieser drei Stunden auf eine Gepäckkontrolle durch den Entschärfertrupp der Bundespolizei warten musste und deshalb seinen Flug verpasste. Dies entschied laut lto.de das Oberlandesgericht Frankfurt/Main. Der Mann stehe eine Entschädigung nach aufopferungsrechtlichen Grundsätzen zu.
LAG Schleswig-Holstein zu Leiharbeitern: Leiharbeiter haben den gleichen Anspruch auf Sonderzahlungen wie Arbeitnehmer im Entleihunternehmen. Diese Entscheidung des Landesarbeitsgerichts von Schleswig-Holstein referiert Anwalt Gero Ludwig auf dem Handelsblatt-Rechtsboard. Dabei seien aber die gleichen Stichtagsregelungen zu beachten.
LG Düsseldorf – Hacker-Gehilfen: Am Landgericht Düsseldorf hat der Prozess gegen zwei Niederländer – Mutter und Sohn – wegen Computerbetrug in besonders schwerem Fall und Fälschung von Zahlungskarten begonnen. Sie sollen mit einer manipulierten Kreditkarte und einer gehackten Geheimzahl 168.000 Euro abgehoben haben. Sie gelten dabei aber nur als Handlanger eines Hackerrings, weltweit wurde vom gleichen Täterkreis ein Schaden in Höhe von 39 Millionen Euro verursacht. Es berichten spiegel.de (Jörg Diehl) und das Handelsblatt (Massimo Bognanni).
Weitere Themen – Recht in der Welt
Ägypten – Mubarak: Der gestürzte Ex-Machthaber Hosni Mubarak ist aus der Untersuchungshaft entlassen worden, berichtet spiegel.de. Ein Strafgericht entschied, dass Mubarak bereits länger als gesetzlich vorgeschrieben in Untersuchungshaft sitze.
England – Miranda: Der Lebensgefährte des Journalisten Glenn Greenwald, David Miranda, will gegen seine neunstündige Befragung auf einem britischen Flughafen juristisch vorgehen, berichtet lto.de.
China – Bo Xilai: Am heutigen Donnerstag beginnt vor einem Gericht in Jinan der Prozess gegen den ehemaligen hohen KP-Funktionär Bo Xilai wegen Machtmissbrauchs. Die FAZ (Petra Kolonko) gibt einen Überblick über das Verfahren. Der Verlauf des Prozesses sei bereits bis ins Detail durchgeplant.
Sonstiges
Der Richter in Dir: Die SZ (Wolfgang Janisch) stellt eine neue Gerichtsshow mit Michel Friedmann vor, die am 26. August zum ersten Mal bei ZDFneo ausgestrahlt wird. Sie stehe in der Tradition der alten Sendung "Wie würden Sie entscheiden".
Informantenschutz: In Deutschland sei der Informantenschutz so gut ausgestaltet, dass keine Zeitung Festplatten zerstören muss, um sie einer Beschlagnahme zu entziehen, erläutert die taz (Christian Rath).
Absurde Verträge: lto.de (Markus Sehl) stellt die Dissertation von Maximilian Becker über "absurde Verträge" vor. Dabei geht es um Verträge über Kartenlegen, Astrologie, Voodoo und Akupunktur.
Das Letzte zum Schluss
Prof darf nicht alleine sitzen: Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim lehnte die Klage eines Professors der Hochschule Furtwangen ab, der wie bisher allein in einem Büro sitzen wollte. Der Mann wehrte sich dagegen, dass er künftig das Büro mit einem Kollegen teilen muss, berichtet spiegel.de. Doch der Verwaltungsgerichtshof sah im Verlust des Privilegs keine Beeinträchtigung seiner Lehr- und Forschungstätigkeit.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 22. August 2013: 35 Jahre Haft für Manning – Karlsruhe muss Soli prüfen – Hacker-Gehilfen vor Gericht . In: Legal Tribune Online, 22.08.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9409/ (abgerufen am: 18.05.2024 )
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