Einer jungen Frau wird von einem Polizisten ins Gesicht geschlagen und schon vier Monate später folgt eine Anklage. Außerdem in der Presseschau: verschärfte Promillegrenzen für Radfahrer, Vergleich auf dem Traumschiff, Nelson Mandela vor Gericht, Flucht aus dem falschen Gefängnis und eine schmerzhafte Colaflasche aus Fruchtgummi.
Anklage in München: Der Fall von Teresa Z. hatte bundesweit für Aufsehen gesorgt. Am 20. Januar hatte die Münchnerin wegen einer Auseinandersetzung mit ihrem Freund die Polizei geholt. Auf dem Weg zur Dienststelle eskalierte die Situation, nach Rangeleien im Streifenwagen schlug ein Polizist der mittlerweile gefesselten Frau ins Gesicht. Die Staatsanwaltschaft München I hat nun nach einem Bericht der SZ (Susi Wimmer) nach viermonatigen Ermittlungen Anklage gegen den Polizisten wegen Körperverletzung im Amt erhoben. Der Angeschuldigte beharre nach Darstellung der Staatsanwaltschaft auf dem Vorliegen einer Notwehrsituation, die Frau habe ihn angespuckt und einen Kopfstoß angedeutet. Sein Dienstherr, das Polizeipräsidium München, suspendierte ihn jetzt vom Dienst. Der Bericht von spiegel.de (Julia Jüttner) macht darauf aufmerksam, dass gegen Teresa Z. noch immer ermittelt werde. Der Vorwurf hier: Verdacht der Beleidigung und der versuchten beziehungsweise vollendeten Körperverletzung. Peter Fahrenholz (SZ) gibt in seinem Kommentar den Verantwortlichen einen Rat: Sein Text ist mit "Entschuldigen, und zwar schnell" überschrieben.
Weitere Themen – Rechtspolitik
Finanzaufsicht: Die Vorstände von Geldinstituten und Versicherungen machen sich künftig strafbar, wenn sie keine Notfallkonzepte für den Krisenfall ausarbeiten und solche Pläne der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht auf Anforderung auch nicht vorlegen können. Dies bestimmen Änderungen des Kreditwesengesetzes und des Versicherungsaufsichtsgesetzes, die der Bundestag am Freitag beschloss. Die Neuerungen unterzieht Fachanwalt Tido Park auf lto.de einer kritischen Würdigung. Es mute "fast schon naiv" an, wolle man künftigen Finanzmarktkrisen mit den Mitteln des Strafrechts begegnen. Auch die Effizienz der gefundenen Lösung sei zu bezweifeln. Denn im Bemühen, möglichst detailliert Handlungspflichten zu beschreiben, habe der Gesetzgeber das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot aus den Augen verloren. Im Ergebnis erweise sich das Vorhaben als "symbolträchtiger gesetzgeberischer Aktionismus."
Managergehälter: Mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Festlegung von Vorstands- und Aufsichtsratsvergütungen durch die Hauptversammlung einer Gesellschaft setzt sich Gastautor Nikolaos Paschos (FAZ) im Recht und Steuern-Teil des Blatts auseinander. Der Entwurf ignoriere, dass der Großteil der börsennotierten Unternehmen die Vorstands-Vergütung bereits seit Jahren den Aktionären zur Abstimmung vorlege. Diese seien jedoch nicht in jedem Fall an geringen Entlohnungen interessiert. Im Ganzen mache der Entwurf den Eindruck, mit der heißen Nadel gestrickt worden zu sein, er diene wohl auch zuvörderst wahlkämpferischen Zwecken.
Promillegrenzen für Radfahrer: Den Vorschlag der Innenministerkonferenz, Promillegrenzen für Radfahrer senken zu wollen, kommentiert Ulli Kulke (Welt) zurückhaltend. "Fakten oder Tendenzen" könnten die Empfehlung nicht rechtfertigen, denn die (rückläufige) Anzahl von Verkehrsunfällen mit alkoholisierten Radfahrern treffe keine Aussage darüber, ob Alkohol beim Unfall eine entscheidende Rolle gespielt hat. Im Übrigen gelte in den allermeisten Fällen, dass alkoholisierte Radfahrer nur sich selbst und keine anderen Verkehrsteilnehmer gefährdeten.
Duldungsstatus: Eine weitere Idee des neuen Vorsitzenden der Innenministerkonferenz, Boris Pistorius (SPD), den Duldungsstatus für Flüchtlinge zu reformieren, begrüßt Heribert Prantl (SZ) in seinem Kommentar. Duldung sei "legislative Unbarmherzigkeit", sie behindere Integration und hänge den Betroffenen wie "ein Mühlstein am Hals."
Weitere Themen - Justiz
StGH Hessen zu Finanzausgleich: Nach einem Urteil des hessischen Staatsgerichtshofs in Wiesbaden ist das Gesetz zum kommunalen Finanzausgleich in wichtigen Teilen verfassungswidrig. Der Gesetzgeber habe den tatsächlichen Finanzbedarf der Kommunen zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht ermittelt und demnach keine nachvollziehbare Begründung für die Höhe der veranschlagten Kürzungen anbieten können. Wie die FAZ (Thomas Holl) berichtet, forderten die Richter das Land auf, das Gesetz bis 2015 nachzubessern.
OLG Düsseldorf zu Namensrechten: In der Auseinandersetzung zweier Schlagersänger über die Verwendung des Namens "Wendler" hat das Oberlandesgericht Düsseldorf gestern entschieden, dass beide zur gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichtet sind. Bei Verwendung des Namens müsse klargestellt werden, wer von beiden gemeint ist. Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz David Ziegelmayer zeichnet auf lto.de den Rechtsstreit nach und erkennt Potential für neue Hits. Auch Udo Vetter (lawblog.de) berichtet.
LG Darmstadt – Freiheitsberaubung: 2002 verurteilte das Landgericht Darmstadt einen Gymnasiallehrer wegen Vergewaltigung einer Kollegin zu fünf Jahren Freiheitsstrafe. 2011, nach verbüßter Strafe und erfolgreichem Wiederaufnahmeverfahren, wurde der Lehrer freigesprochen, ein Jahr später verstarb er. Nun wird vor dem Landgericht Darmstadt gegen das vermeintliche Opfer wegen des Verdachts der Freiheitsberaubung in mittelbarer Täterschaft verhandelt. Die SZ (Hans Holzhaider/Oliver Hollenstein) widmet dem Verfahren ihre Seite 3-Reportage und findet dabei mehr Fragen als Antworten.
AG Lüneburg zu "Schotter-Aufruf": Das Amtsgericht Lüneburg hat den Bundestagsabgeordneten Dieter Dehm (Linkspartei) wegen eines öffentlichen Aufrufs zu einer Straftat zu einer Geldstrafe von 2.250 Euro verurteilt, meldet die FAZ (Robert von Lucius). Dehm hatte anlässlich des letzten Castor-Transports im Internet zum Entfernen von Schottersteinen unter Bahngleisen, dem sogenannten Schottern, aufgerufen. Er wolle Berufung einlegen und notfalls "bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte" gehen.
FG Berlin-Brandenburg zu Steuerverweigerer: Der Pflicht, Steuern zu zahlen, unterliegen auch "Reichsbürger", das heißt Menschen, welche die Existenz der Bundesrepublik und ihrer Gesetze zugunsten eines Deutschen Reichs abstreiten. Dies entschied das Finanzgericht Berlin-Brandenburg bereits vor einiger Zeit. Die FAZ (Joachim Jahn) nimmt die Veröffentlichung der schriftlichen Urteilsbegründung zum Anlass, in ihrem Recht und Steuern-Teil die obskure Bewegung zu beleuchten.
ArbG Lübeck – Traumschiff-Vergleich: Der Rechtsstreit zwischen dem Betreiber der MS "Deutschland" - als "ZDF-Traumschiff" bekannt - und dem langjährigen Kapitän des Schiffs, Andreas Jungblut, ist vor dem Arbeitsgericht Lübeck durch einen Vergleich beendet worden, schreibt die FAZ (Frank Pergande). Dem Kapitän wurde im Oktober letzten Jahres wegen des vermeintlichen Verrats von Geschäftsgeheimnissen gekündigt, sein Beschäftigungsverhältnis endet nach der nun getroffenen Einigung mit zum 31. Mai.
SS-Massaker ungesühnt: Die Staatsanwaltschaft Stuttgart wird nicht erneut gegen fünf überlebende Mitglieder einer SS-Einheit ermitteln, die im August 1944 in Norditalien mehr als 500 Bewohner eines Dorfes tötete. Dies entschied nach Darstellung von spiegel.de (Felix Bohr) die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart auf die Beschwerde des letzten Überlebenden des Massakers. Den noch lebenden Beschuldigten könne nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden, selbst gemordet zu haben. Auch könne nicht sicher festgestellt werden, ob es sich "um eine von vornherein geplante Vernichtungsaktion handelte."
Untersuchungsausschuss Mollath: Die SZ (Olaf Przybilla) berichtet über eine Anhörung im bayerischen Untersuchungsausschuss zu den Begleitumständen der 2006 verfügten Einweisung Gustl Mollaths in die geschlossene Psychiatrie. Geladen war der inzwischen pensionierte Vorsitzende Richter Brixner der Großen Strafkammer, die diese Entscheidung getroffen hat. Besondere Aufmerksamkeit habe erregt, dass Brixner sich im Urteil der Kammer auf ein von Mollath dem Amtsgericht übergebenes Schriftstück bezog, das er dem Vernehmen nach selbst nie gelesen habe. Seine diesbezügliche Antwort auf Vorhaltungen des Ausschusses: "Ich lese doch keine 110 Seiten."
Weitere Themen – Recht in der Welt
Italien – Institutionen: Die politischen Entwicklungen der letzten anderthalb Jahre in Italien beleuchtet als Gastautor Rechtsprofessor Lorenzo Cuocolo im Verfassungsblog aus verfassungsrechtlicher Perspektive. In seinem englischsprachigen Beitrag "Italian institutions between crisis and reform" bezeichnet er die aktive Rolle, die Staatspräsident Napolitano bei der letzten Regierungsbildung eingenommen habe, als durch die systemische Krise, in Wahrheit die Krise des italienischen Parteiensystems, gerechtfertigt und im Einklang mit der Verfassung des Landes.
Südafrika – Nelson Mandela: Das Handelsblatt (Wolfgang Drechsler) schreibt, dass zwei Töchter Nelson Mandelas die fast 95-jährige südafrikanische Freiheitsikone vor Gericht zerren. Ziel sei die Anfechtung der Übertragung eines Großteils der Vermarktungsrechte des Namens des früheren Präsidenten an Vertraute.
Guatemala – Verurteilung aufgehoben: Der guatemaltekische Verfassungsgerichtshof hat die Verurteilung des früheren Diktators Efrain Rios Montt wegen Völkermordes aufgrund von Verfahrensfehlern aufgehoben. Weil sich die Richter im Vorprozess nicht hinreichend mit Ablehnungsanträgen der Verteidigung auseinandergesetzt hätten, müssten nun die letzten Verhandlungstage wiederholt werden, schreibt die taz (Bernd Pickert). Die Staatsanwaltschaft und Vertreter der Nebenklage hätten Rechtsmittel gegen die Verfassungsgerichtsentscheidung angekündigt. Auch die SZ (Peter Burghardt) berichtet.
Frankreich – Teaching in English: Über einen neuerlichen Sturm der Entrüstung gegen ein Gesetzesvorhaben in Frankreich schreibt die FAZ (Michaela Wiegel). Hochschul- und Forschungsministerin Geneviève Fioraso plane eine Änderung des 1994 verabschiedeten Toubon-Gesetzes zum Schutz der französischen Sprache, nach der zukünftig an staatlichen Universitäten auch auf Englisch gelehrt werden kann.
Sonstiges
Im falschen Gefängnis: Die taz (Gabriele M. Keller) berichtet in einem längeren Artikel über den bemerkenswerten Fall einer 52-jährigen Transsexuellen, die wegen einer Reihe von Einbruchsdiebstählen zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt wurde und einen Freigang im März zur Flucht aus dem (Männer-)Gefängnis nutzte.
Das Letzte zum Schluss
Harte Cola: Colaflaschen zum Kauen sind süß. Normalerweise. Vor dem Oberlandesgericht wird jedoch zur Zeit über die Schadensersatzforderung eines Süßwarenliebhabers verhandelt, der behauptet, beim Biss auf ein Fruchtgummi in Colaflaschenform auf einen Stein gestoßen zu sein. Wie Udo Vetter (lawblog.de) berichtet, wird nun ein Sachverständiger die zurückgebliebene Masse begutachten.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 22. Mai 2013: Anklage gegen Polizist - Vergleich auf dem Traumschiff - Nelson Mandela vor Gericht . In: Legal Tribune Online, 22.05.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8774/ (abgerufen am: 04.05.2024 )
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