Streiken in kirchlichen Einrichtungen? Das vorsichtige Urteil des Bundesarbeitsgerichts dazu ist das Thema des Tages. Außerdem in der Presseschau: Datenschützer Schaar fordert bessere Gesetzesvaluierung, die Gerichte streiten um das letzte Wort in Europa, UBS-Zocker Adoboli muss ins Gefängnis - und Paula und Flecki wollen endlich ihren Puddingstreit beilegen.
BAG zu kirchlichem Streikverbot: Kirchliche Einrichtungen dürfen ihren Mitarbeitern grundsätzlich Streiks untersagen – aber nur, wenn sie die Gewerkschaften bei Verhandlungen über Arbeitsbedingungen besser einbinden. Das ist die zwiespältige Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zum Streikrecht. Die Gewerkschaften ver.di und Marburger Bund, die in evangelischen Krankenhäusern und Wohlfahrtseinrichtungen zu Warnstreiks aufgerufen hatten, bekamen damit zwar in den betreffenden Fällen Recht, erhielten aber kein allgemeines Streikrecht. Das Gericht nahm damit eine Abwägung zwischen der Koalitionsfreiheit der Gewerkschaften und dem Selbstbestimmungsrecht der Kirchen vor. Ausführlich berichten unter anderem die SZ (Detlef Esslinger), die FAZ (Reinhard Bingener) und die taz (Christian Rath).
Einen kurzen Überblick zur historischen Entwicklung des Kirchenarbeitsrechts gibt die SZ (Jan Heidtmann).
Peter Thelen (Handelsblatt) begrüßt das Urteil. Ver.di habe nun "juristisch abgesichert den Fuß in der Tür" und solle auf Streikdrohungen künftig verzichten. Eva Völpel (taz) zeigt sich hingegen enttäuscht, dass die Richter "nicht am Dritten Weg der Kirchen gerüttelt" haben. Matthias Drobinski (SZ) sieht in dem Urteil des BAG nur eine "Zwischenetappe", der Streit werde wohl vor das Bundesverfassungsgericht und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gehen. Anstatt sich gegenseitig zu bekämpfen, sollten sich Kirchen und Gewerkschaften jedoch lieber gemeinsam gegen den Sozialabbau wenden.
Weitere Themen – Rechtspolitik
Gesetze und Datenschutz: Der Datenschutzbeauftragte des Bundes, Peter Schaar, fordert laut einem Bericht der FAZ (Friedrich Schmidt), Gesetze besser zu evaluieren. Dabei müssten vor allem die Auswirkungen auf Grundrechte und insbesondere der Datenschutz stärker berücksichtigt werden. Entsprechende Methoden beschreibt Schaar in einem "Leitfaden", der heute veröffentlicht werden soll.
Residenzpflicht: Hessen hat die Residenzpflicht für Asylbewerber abgeschafft. Wie die taz meldet, hat die Landesregierung die Regelung aufgehoben, wonach Asylbewerber den Regierungsbezirk, in dem sie untergebracht wurden, nur mit Sondergenehmigung verlassen durften.
Kinderrechte: Unicef-Vorstandsmitglied Anne Lütke erklärt im Interview mit Claudia Kornmeier (lto.de) den Vorschlag mehrerer Organisationen, Kinderrechte ins Grundgesetz aufzunehmen.
Weitere Themen - Justiz
Gerichtshierarchie in Europa: Wer hat "das letzte juristische Wort"? Wolfgang Janisch befasst sich im SZ-Feuilleton mit dem Grundrechtsschutz durch Bundesverfassungsgericht, Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) und Europäischen Gerichtshof (EuGH). Die Karlsruher Richter hätten sich mittlerweile mit dem EGMR arrangiert, mit dem EuGH aber noch einige Machtkämpfe auszustehen.
EuGH zu Kartellverfahren: Eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 6. November, wonach die EU-Kommission die EU bei Schadensersatzklagen gegen Mitglieder von Kartellen vor nationalen Gerichten vertreten kann, stellt der Rechtsanwalt Philipp Werner auf dem Handelsblatt-Rechtsboard vor. Die Grundrechtecharta stehe dem nicht entgegen. Damit entscheide die Komission nicht nur als zuständige Behörde über einen Wettbewerbsverstoß, sondern sei zugleich potenzieller Klägervertreter in einem Schadensersatzprozess.
EGMR zu Sparguthaben: Die SZ (Hannah Wilhelm) berichtet über drei Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, wonach die Nachfolgestaaten Jugoslawiens für die Sparguthaben von Bürgern haften, die in der Wirtschaftskrise der 1980er-Jahre ihr Erspartes verloren haben. Betroffen seien auch Hunderttausende Gastarbeiter, die ihr Geld von Deutschland in die Heimat schickten. Der Anwalt Peter Mattil wolle in solchen Fällen nun vor dem Langericht Frankfurt klagen, um Ansprüche von Sparern etwa gegen Serbien durchzusetzen.
Sachsensumpf-Prozesse: Die SZ (Christiane Kohl) schildert zwei Prozesse im Zusammenhang mit der so genannten Sachsensumpf-Affäre, in der es um mögliche Verwicklungen von Politik und Justiz in kriminelle Machenschaften um Immobiliengeschäfte und Zwangsprostitution geht. Vor dem Amtsgericht Dresden sind zwei ehemalige Zwangsprostituierte wegen Verleumdung angeklagt, nachdem sie erklärt hatten, ein Richter, der 1994 ihren Zuhälter zu einer milden Haftstrafe verurteilte, sei selbst einer ihrer Freier gewesen. Vor dem Landgericht Dresden läuft zudem ein Berufungsverfahren gegen zwei Journalisten, die aufgrund ihrer Berichterstattung über die polizeilichen Ermittlungen in erster Instanz wegen übler Nachrede verurteilt worden waren.
Schiedsgerichte: Die Rechtsanwälte Karl Pörnbacher und Sebastian Baur erläutern auf der "Recht und Steuern"-Seite der FAZ, warum viele Unternehmen internationale Streitigkeiten vor Schiedsgerichten austragen. Zunehmend wählten sie dabei auch deutsche Schiedsgerichte aus.
Münchens Gerichtssäle: Anlässlich des bevorstehenden Prozesses gegen die mutmaßliche NSU-Terroristin Beate Zschäpe berichtet die SZ (Christian Rost) im München-Teil über die Schwierigkeiten der Münchner Justiz, Prozesse mit großem Öffentlichkeitsinteresse durchzuführen. Die bisherigen Gerichtsräume seien zu klein, ein neues Strafjustizzentrum muss erst noch gebaut werden.
Weitere Themen – Recht in der Welt
Großbritannien – Haftstrafe für Adoboli: Der ehemalige UBS-Banker Kweku Adoboli ist in London wegen Betrugs zu einer Haftstrafe von sieben Jahren verurteilt worden. Er soll der Bank Verluste von 2,3 Milliarden Dollar beschert haben. Die Welt (Tina Kaiser) zeichnet den Fall detailliert nach.
Großbritannien – Klage gegen Twitterer: Nachdem der BBC den britischen Politiker Alistair McAlpine zu Unrecht des Kindesmissbrauchs verdächtigt hat, will dieser rund 10.000 Twitterer verklagen, die entsprechende Links weiter geleitet haben. Sie sollten sich entschuldigen und jeweils fünf Pfund Entschädigung zahlen. Das sei nach britischem Recht gar nicht ganz aussichtslos, erklärt zeit.de (Kai Biermann).
Kroatien – Haftstrafe für Ex-Regierungschef: Der ehemalige Regierungschef Kroatiens, Ivo Sanader, ist in Kroatien wegen Korruption zu zehn Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Er soll Schmiergelder von dem ungarischen Energiekonzern MOL und von der österreichischen Bank Hypo Alpe Adria erhalten haben, berichtet die FR. Erich Rathfelder (taz) begrüßt das Urteil als ein "positives Zeichen" im Kampf gegen Korruption.
USA – Fonds klagen gegen Ecclestone: Die Firma Bluewaters, hinter der zwei US-Beteiligungsfonds stehen, hat vor einem New Yorker Gericht Klage gegen die BayernLB, Bernie Ecclestone und die Beteiligungsgesellschaft CVC eingereicht. Wie das Handelsblatt (F. Wiebe/K. Slodcyk) berichtet, verlangt Bluewaters 650 Millionen Euro Schadensersatz. Wegen Schmiergeldzahlungen hätten sich die US-Fonds mit ihrem Angebot beim Verkauf von Formel-1-Anteilen nicht durchsetzen können.
Das Letzte zum Schluss
Paula und Flecki: Der Lebensmittelhersteller Dr. Oetker hat im Pudding-Patentstreit mit Aldi angekündigt, nicht länger gegen den gelb-braun gefleckten Pudding "Flecki" vorzugehen, der seinem Produkt "Paula" ähnele. Das Landgericht Düsseldorf hatte am Dienstag im Eilverfahren einen entsprechenden Verbotsantrag Dr. Oetkers zurück gewiesen. Das Gericht erklärte, Dr. Oetkers "Paula" habe markantere Flecken als Aldis "Flecki", der in einem etwas anderen Verfahren hergestellt werde, so dass keine Patentrechtsverletzung vorliege. Dazu spiegel.de.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ak
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 21. November 2012: Ein bisschen Streikrecht– Mehr Datenschutz – 7 Jahre Haft für UBS-Banker . In: Legal Tribune Online, 21.11.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7598/ (abgerufen am: 07.05.2024 )
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