Darf der Bund Kinobetreiber zur Förderung des deutschen Films zwingen, obwohl diese doch nur Hollywoodstreifen im Programm haben? Die Sonderabgabe wackelt. Außerdem in der Presseschau: AG Hamburg deckelt Abmahngebühren, Scheinjoints führen zu Schulausschluss, Juraplattform Groklaw macht dicht und Kritik an der Briefwahl.
BVerfG – Filmförderung: Wie spiegel.de meldet, haben die UCI-Kinogruppe sowie drei ihrer Schwestergesellschaften Verfassungsbeschwerden beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Darin wehren sie sich gegen Abgaben an die Filmförderungsanstalt nach dem Filmfördergesetz (FFG). Dies sieht eine finanzielle Förderung deutscher Filme unter anderen durch Kinobetreiber vor. Durch die Regelung sehen die Beschwerdeführer ihre Berufsfreiheit sowie den Gleichheitsgrundsatz verletzt. Der Förderbetrag richtet sich nach dem gesamten Kinokartenverkauf und beträgt zwischen 1,8 und drei Prozent des Jahresnettoumsatzes. Die Beschwerdeführer argumentierten damit, dass sie vor allem US-Filme zeigten. Die mündliche Verhandlung soll am 8. Oktober stattfinden.
Max Steinbeis (Verfassungsblog) erklärt mit Blick auf die Tagesordnung zur Verhandlung, welche verfassungsrechtlichen Fragen im Zentrum stehen: Es sei zu prüfen, ob dem Bund überhaupt die Gesetzgebungskompetenz zum Erlass des FFG zugestanden habe; in Frage käme hier Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG, wenn das FFG "Recht der Wirtschaft" sei. Weiter sei finanzverfassungsrechtlich zu klären, wieso die Kinobetreiber "die Rechnung für die national-konservatorische Kulturpolitik" des Bundes bezahlen müssten. Auch solle die Frage nach einer ausreichenden demokratischen Legitimation der "Entscheidungstätigkeit der Filmförderungsanstalt" verhandelt werden. Die SZ (Wolfgang Janisch) glaubt: "Die Abgabe wackelt". So handele es sich um eine Sonderabgabe und Karlsruhe wolle die "kreative Schaffung" solcher Abgaben eigentlich eindämmen. Auch ergebe sich aus dem Fragenkatalog des Gerichts zur Anhörung, dass sie der Bundesgesetzgebungskompetenz kritisch gegenüber stünden. Es werde betont "naiv" gefragt, ob es "Belege für einen Zusammenhang von kreativkünstlerischer Qualität eines Filmes und dessen wirtschaftlichen Erfolgschancen" gebe, so die SZ.
Weitere Themen – Rechtspolitik
EU – "Reisende Gewalttäter": Wie netzpolitik.org (Alexander Sander) informiert, plant die EU bei sportlichen Großereignissen, eine EU-weite "Troublemaker"-Datei zur besseren Überwachung "reisender Gewalttäter" einzurichten. Nicht bei allen Mitgliedstaaten komme diese Initiative gut an, so netzpolitik.org.
Verordnung zur Netzneutralität: Grundsätzlichen Diskussionsbedarf zur Frage der staatlichen Regulierung der Netzneutralität zeigt Rechtsprofessor Thomas Fetzer in einem Gastbeitrag für die Recht und Steuern-Seite der FAZ auf, insbesondere mit Blick auf eingriffsintensive "marktmachtunabhängige Diskriminierungsverbote" für den Markt, wie sie im überarbeiteten Entwurf des Bundeswirtschaftsministeriums zur Netzneutralität enthalten seien. So seien die sogenannten "Managed Services" wie etwa die "Entertain"-Plattform der Deutschen Telekom, zulässig. Netzbetreiber müssten indes allen Anbietern von Inhalten und Diensten einen diskriminierungsfreien Zugang ermöglichen; weiter dürften sie eigene Inhalte nicht zu günstigeren Bedingungen zugänglich machen.
Schutz gegen Stalker: Nach der Ingolstädter Geiselnahme wird in Bayern eine Verschärfung des Straftatbestandes gegen Stalking diskutiert, berichtet die FAZ (Albert Schäffer). So fordere etwa Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU), der Tatbestand müsse bereits greifen, wenn Nachstellungen geeignet seien, eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensführung zu bewirken, nicht erst wenn diese eingetreten sei. Der Geiselnehmer hätte vor der Tat einer auch als Geisel genommenen Frau, die im Ingolstädter Rathaus als Sekretärin arbeite, nachgestellt.
Weitere Themen – Justiz
OVG Rheinland-Pfalz zu Schulausschluss wegen "Scheinjoints": Laut lto.de entschied das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, dass auch der Verkauf von "Scheinjoints", die lediglich "Legal Highs" enthalten, zu einem Schulausschluss führen kann. Das Verhalten, obgleich am "Rande der Legalität", gefährde die Erziehung der anderen Schüler.
AG Hamburg zu Abmahnkosten: In einem Filesharing-Verfahren erklärte das Amtsgericht Hamburg in einem Hinweisbeschluss, den Gegenstandsstreitwert bei 1.000 Euro deckeln zu wollen, die Kläger hatten den Wert auf 25.000 Euro beziffert. Damit, erläutert Ole Reißmann (spiegel.de), würden auch erstattungsfähige Anwaltskosen auf rund 150 Euro begrenzt. Ein bald in Kraft tretendes Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken sehe zwar eine Deckelung der Gebühren bei 150 Euro pro einfachen Filesharing-Fall vor. Dateien würden aber meist nicht einfach heruntergeladen, sondern gleichzeitig weiter verbreitet. Deshalb gebe es hier möglicherweise eine Schutzlücke bezüglich der Deckelung. Sollte die ausgesprochene Begrenzung des Gegenstandswertes im Urteil auftauchen, sei, so Reißmann, ein Präzedenzfall geschaffen. Laut lto.de hat das AG sich auf die neue Gesetzeslage bezogen und sieht kein Rückwirkungsproblem.
Hollister-Mitarbeiter allein aufs Klo: Wie focus.de meldet, hat das Arbeitsgericht Frankfurt bestätigt, dass ein für Dienstag angesetzter Gerichtstermin im Streit zwischen der Modekette Hollister und deren Frankfurter Betriebsrat aufgehoben wurde. Letzterer habe eine einstweilige Verfügung gegen die Geschäftspolitik erwirken wollen, dass Mitarbeiter nur mit Wachpersonal auf die Toilette gehen dürfen. In der betroffenen Filiale sei dies nun aber wieder ohne Begleitung möglich.
"Kein Grund zur Briefwahl": Mit nachdrücklicher verfassungsrechtlicher Kritik betrachtet Rechtswissenschaftler Christoph Smets (juwiss-Blog) die seit 2009 bestehende Möglichkeit, bei der Bundestags- und Europawahl keine Gründe mehr für eine Wahl per Brief vorbringen zu müssen sowie eine entsprechende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Den Einschränkungen der Geheimheit und Gleichheit der Wahl durch die bestätigten Regelungen stehe keine Förderung eines anderen verfassungsrechtlichen Prinzips zur Rechtfertigung gegenüber: Das Grundgesetz enthalte keinen Anspruch auf "größtmögliche Bequemlichkeit". Eine Förderung der Allgemeinheit der Wahl, wie sie das BVerfG in Anspruch genommen habe, finde nicht statt.
Geiseldrama Ingolstadt: Über die juristischen Hintergründe des Ingolstädter Geiseldramas informiert ausführlich spiegel.de (Annette Langer). So sei der Geiselnehmer, der einer der Geiseln nachgestellt hatte, Ende Juli dieses Jahres vom Landgericht Ingolstadt wegen Stalkings zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Für eine zwangsweise psychiatrische Unterbringung habe die rechtliche Handhabe gefehlt.
Ermittlungen "Cum-ex-Trades"/ Kein Gesinnungsstrafrecht: Über einen bald im Fachblatt Deutsches Steuerrecht erscheinenden Beitrag des Rechtsprofessors und Steuerexperten Roman Seer berichtet vorab die FAZ (Joachim Jahn). Seer kritisiere mit Blick auf die wegen Aktiengeschäften rund um den Dividendenstichtag laufenden Ermittlungsverfahren, dass die Ausnutzung - aufgrund "vertretbarer Rechtsansichten" - von "vom Bundestag bewusst nicht geschlossene Gesetzeslücken" durch Berater nun fälschlich kriminalisiert würde. Mit dem Versagen des Gesetzgebers seien "gestaltungsanreizende Signale" zur Steueroptimierung gesetzt worden, dies könne den Akteuren aber nicht von Finanzverwaltung und Gerichten vorgehalten werden.
Weitere Themen - Recht im Ausland
"Groklaw" dicht: Das US-Juraportal "Groklaw" ist laut einer Meldung auf spiegel.de geschlossen worden. Die unter dem Pseudonym Pamela Jones agierende Gründerin habe mitgeteilt, mit Blick auf die bekannt gewordene umfassende Überwachung durch die Geheimdienste könne sie den Betrieb der Seite nicht weiter verantworten. Themen auf dem "angesehene" Portal habe als Themen etwa Copyright und Patente gehabt, so spiegel.de weiter.
USA – Ermittlungen gegen JP Morgan: Wie das Handelsblatt (Astrid Dörner) informiert, untersuche der New Yorker Staatsanwalt Preet Bahrara möglich Strompreismanipulationen durch die Bank JP Morgan. Noch sei unklar, ob es sich um "zivilrechtliche oder strafrechtliche Vorgänge" handele.
GB – David Miranda will Klagen/Guardian: Wie spiegel.de meldet, wolle David Miranda, der Lebensgefährte des Snowden-Interviewers Glenn Greenwald Zivilklage wegen seiner neunstündigen Befragung und der Konfiszierung von Datenträgern durch britische Behörden einreichen. So solle sichergestellt werden, dass Mirandas Daten weder untersucht, kopiert oder weitergeleitet würden, bevor das Vorgehen der Sicherheitsbehörden nicht durch die Justiz gebilligt würde. Wie Udo Vetter (lawblog.de) erläutert, war Miranda zur Herausgabe der Passwörter für seine Hardware genötigt worden, auch wurde sein Rechner behalten. Weiter sähen die Antiterrorgesetze, auf die sich die Briten im Fall beriefen, zwar vor, Verdächtige "einfach so festhalten zu können", indes, so Vetter weiter, sei Miranda in keiner Weise verdächtig. Auch die taz (Ralf Sotschek) berichtet im Schwerpunkt zum Thema.
Zum Skandal um das mutmaßliche Gebaren der Geheimdienste gegenüber der britischen Zeitung Guardian kommentiert Reinhard Müller (FAZ): "Das soll eine aufklärerische Zeitung sein? (…) die (..) tatsächlich Festplatten unter Aufsicht zertrümmern lässt – aus Angst vor einem Rechtsstreit?".
Pakistan – Musharraf-Prozess: Als "Reifeprüfung" für die Rechtsstaatlichkeit Pakistans bezeichnet Hasnain Kazim (spiegel.de) den Prozess gegen Ex-Präsident Pervez Musharraf, der wegen Mordes, Beihilfe zum Mord und Verschwörung zum Mord an der ehemaligen Premierministerin Benazir Bhutto angeklagt ist. Bhutto war Ende 2007 bei einem Anschlag ums Leben gekommen. Es sei nach wie vor unklar, wer dahinter stecke, Musharraf selbst habe die Taliban verdächtig. Nun sei man gespannt, wie die pakistanische Justiz mit dem ehemaligen General umgehe und wie überzeugend der Mord aufgeklärt würde. Die taz (Sascha Zastiral) befasst sich ebenfalls mit der Mordanklage.
Tobias Matern (SZ) hält den Prozess für "historisch". Im noch immer von der Armee dominierten Land müsse sich ein ehemaliger "Militärmachthaber" vor Gericht verantworten, vor einer Justiz die wiederum "Rachegelüste" befriedigen wolle. Musharraf habe einst den Obersten Richter Pakistans im Machtkampf "geschasst".
Ägypten – Anklage gegen El-Baradei: Wie zeit.de knapp meldet, hat ein ägyptischer Juraprofessor Klage gegen Mohammed El-Baradei eingereicht. Grund sei dessen Rücktritt vom Amt des Vizepräsidenten vergangene Woche. El-Baradei, der sich zurzeit in Österreich aufhalte, müsse sich ab Mitte September vor einem Strafgericht in Kairo (Ägypten) verantworten.
Sonstiges
Bayerischer Landtag: Die "großzügige" Rüge des Bayerischen Obersten Rechnungshofes an der Abgeordneten-Versorgung im Landtag, so etwa mit Blick auf die steuerfreie Kostenpauschale von über 3.000 Euro monatlich, erläutern Dietmar Hipp und Conny Neumann (spiegel.de) noch einmal und zeichnen insbesondere die Kritik des Speyrer Verwaltungsjuristen und Parteienkritikers Hans Herbert von Arnim nach. Dieser habe bereits vor Monaten eine gezielte Missachtung von Transparenzanforderungen bei der Verwaltung von Abgeordnetenmitteln durch den Landtag beklagt.
Wie die SZ (Frank Müller/Mike Szymanski) im München-Teil ausführt, seien zwei der vom Rechnungshof kritisierten Fälle nun namentlich zuordenbar: Jürgen W. Heike (CSU), ehemals bayerischer Umweltminister, und Otmar Bernhard (CSU), früherer Innenstaatssekretär, hätten jeweils Büroarbeiten für mehrere zehntausend Euro jährlich in Anwaltskanzleien erledigen lassen, in denen sie Partner seien (Bernhard) oder für die sie jedenfalls tätig waren (Heike).
Reiserecht – Gepäckersatz: Wird das Gepäck eines Pauschalreisenden beschädigt oder verschwindet es, kann dieser vom Reiseveranstalter Schadenersatz verlangen und hat die Möglichkeit, den Reisepreis zu mindern, erläutert Rechtsprofessor und Reiserechtsexperte Ernst Führich für lto.de. Bei Individualreisenden hafteten zwar die Airlines nach dem internationalen Montrealer Übereinkommen, allerdings in geringerem Umfang und nicht für Beschädigungen beim Zoll.
Das letzte zum Schluss
"Ihre E-Mail wird ungelesen gelöscht": Eine Abwesenheitsnotiz für ein E-Mail-Postfach mit dem freundlichen Zusatz, "Ihre E-Mail wird ungelesen gelöscht." können sich, erläutert der Kanzlei-Blog Samnee.de, leider nur Beschäftigte in einem "Unabhängigkeitsverhältnis" leisten. Arbeitnehmer müssten die Interessen ihres Arbeitgebers wahren, der Wunsch nach einem aufgeräumten Postfach nach Urlaubsende könne sich für sie nicht erfüllen.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in den heutigen Printausgaben oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 21. August 2013: Filmförderung wackelt – Schulausschluss wegen "Scheinjoint" – US-Juraportal macht dicht . In: Legal Tribune Online, 21.08.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9399/ (abgerufen am: 18.05.2024 )
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