Bundesbildungsministerin a.D., aber nicht mehr Frau Dr. Das VG Düsseldorf bestätigt den Entzug des Doktortitels Annette Schavans. Außerdem in der Presseschau: Ströbele zu Mietpreisbremse, die StA erklärt den Fall Hoeneß, keine Millionen-Nachzahlung der BVG, Limbach-Kommission zu Welfenschatz und kein Verständnis für ein dringendes Bedürfnis.
Thema des Tages
Annette Schavan: Der vor einem Jahr erfolgte Entzug des Doktortitels der früheren Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) ist nach einem Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf rechtmäßig. Die designierte Botschafterin im Vatikan ist, weil es sich um eine Direktpromotion handelte, damit ohne Hochschulabschluss.
Nach den Berichten von SZ (Roland Preuß), FAZ (Reiner Burger, Zusammenfassung) und Welt (Manuel Bewarder) sah das Gericht es als erwiesen an, dass Schavan bei ihrer 1980 an der Philosophischen Fakultät der Düsseldorfer Universität eingereichten Arbeit "Person und Gewissen – Studien zu Voraussetzungen, Notwendigkeit und Erfordernissen heutiger Gewissensbildung" vorgetäuscht habe, dass es sich um eine in jeder Hinsicht eigenständige Leistung gehandelt habe. Rechtsprofessor Bodo Pieroth als Vertreter Schavans habe erfolglos unter Hinweis auf eine unveröffentlichte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts argumentiert, dass Vertrauensschutz und Rechtssicherheit eine Verjährung auch in solchen Fällen anzeigten, in denen diese nicht gesetzlich normiert sei. Auch sei nach Pieroth aus Verfassungsgründen eine weniger scharfe Sanktion geboten. Hierfür habe sich nach Ansicht des Gerichts jedoch kein Anhaltspunkt gefunden.
In einem vor der Urteilsverkündung verfassten Beitrag fasst Hermann Horstkotte für lto.de Verfahren und Problematik zusammen.
Nach Robert Preuß (SZ) seien von der Klägerin "die üblichen Ausreden in Plagiatsfällen" verwendet worden. Dass sich das Gericht einer Aufweichung wissenschaftlicher Standards verweigert habe, sei als Sieg der Wissenschaft zu werten. Marion Schmidt (zeit.de) hält das Urteil dagegen für eine Legitimierung der "Willkür der Unis im Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten." Für Torsten Krauel (Welt) schließlich hinterlässt das Urteil einen "üblen Nachgeschmack." Die "akademische Höchststrafe" für eine 34 Jahre zurückliegende Tat hätte das Gericht durch eine Rüge umgehen können.
Rechtspolitik
Sukzessiv-Adoption: Die Regierungskoalition hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, der sogenannte Sukzessiv-Adoptionen auch in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften ermöglicht. Der Entwurf dient der Umsetzung eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts aus dem vergangenen Jahr, schreibt die SZ (Constanze von Bullion). Dieses "liegt nicht daran, dass in Karlsruhe jetzt alle schwul sind, sondern an der Substanzlosigkeit der Gegenargumente", kommentiert Constanze von Bullion (SZ). Weil es "Geheimnis" bleibe, warum einem Adoptivkind Schaden drohe, wenn es zu einem unterhaltspflichtigen Erwachsenen einen zweiten dazubekäme, dürfte auch ein Urteil zur Voll-Adoption von Homosexuellen ähnlich ausfallen.
Schiedsgerichte: Schiedsgerichte als Bestandteil des in Verhandlungen befindlichen Freihandelsabkommens zwischen der USA und der EU kritisiert Silvia Liebrich (SZ). Seien sie ursprünglich dazu entwickelt worden, Firmen vor willkürlichen und entschädigungslosen Enteignungen zu schützen, so dienten sie nun in den meisten Fällen dazu, unternehmerisches Risiko auf die Allgemeinheit abzuwälzen und böten "eine Spielwiese für kreative Anwälte, die die Justizindustrie längst erobert hat."
Mietpreisbremse: In einem Interview mit der taz (Andreas Wyputta) äußert der Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele (Grüne) Kritik an dem von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) vorgelegten Gesetzentwurf zu einer Mietpreisbremse. Problematisch sei nach Ströbele vor allem die Befristung der Maßnahme auf fünf Jahre und dass die Bezugnahme auf den Mietspiegel in die Erhöhungen der letzten Jahre einfließen würden.
Bankenunion: Die Einigung zur europäischen Bankenunion, der gemeinsamen Aufsicht systemrelevanter Banken durch die Europäische Zentralbank, begrüßt Florian Eder (Welt) als mögliche "Blaupause für weitere Integrationsschritte." Durch das "dichte Netz gegenseitiger Kontrollen" von Staaten und Institutionen schreibe die gefundene Lösung "ihren Mitgliedern weder von vornherein noch auf ewig die Rolle von Gebern und Nehmern zu."
Jedermann-Konto: Vertreter des Europäischen Parlaments und des EU-Ministerrats haben sich auf die Einführung eines europaweiten "Kontos für jedermann" verständigt, schreibt die FAZ (Hendrick Kafsack). Als Voraussetzung für die Teilhabe am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben sollten Kunden künftig unabhängig von Einkommen und Vermögen die gängigen Konto-Funktionen zu einem möglichst niedrigen Preis nutzen können. In Deutschland bestehe derzeit nur eine Selbstverpflichtung der Banken, derartige Konten anzubieten.
Equal Pay Day: Auf den heutigen Freitag hat das Frauennetzwerk Business and Professional Women Germany den in der Bundesrepublik geltenden Equal Pay Day, das heißt den Tag, bis zu dem Frauen über den Jahreswechsel hinaus arbeiten müssen, um rechnerisch auf das Durchschnittsgehalt eines Mannes zu kommen, berechnet. In ihrem Bericht zitiert die SZ (Sibylle Haas) Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) mit der Absicht, ein Rückkehrrecht auf Vollzeitstellen einzuführen.
Justiz
BVerfG zu ESM: Die wissenschaftliche Assistentin Claudia Mayer (juwiss.de) unterzieht das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum ESM-Rettungsschirm einer gründlichen Analyse.
BGH zu Mobilfunkanlagen: Die Anbringung einer Mobilfunkanlage auf dem Dach eines Wohnhauses unterliegt als bauliche Veränderung der Zustimmungspflicht aller betroffenen Wohnungseigentümer. Diese Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom Januar nimmt die SZ (Andrea Nasemann) in ihrem Immobilien-Teil zum Anlass, darzulegen, unter welchen Voraussetzungen Beschlüsse einer Wohnungs-Eigentümer-Gemeinschaft einstimmig oder auch nur mit einfacher Mehrheit ergehen müssen.
BFH - Mindeststeuer: Das Handelsblatt (Donata Riedel) berichtet über eine unveröffentlichte Entscheidung des Bundesfinanzhofs, einen Rechtsstreit zur Mindeststeuer dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorzulegen. Das Münchner Gericht halte die 2004 eingeführte Regelung, nach der Unternehmen höchstens 60 Prozent ihrer jährlichen Verluste mit Gewinnen verrechnen dürfen, für grundgesetzwidrig.
OLG München – NSU: Über die jüngste Zeugenaussage im Verfahren gegen Beate Zschäpe und andere vor dem Oberlandesgericht München berichtet die SZ (Annette Ramelsberger). Ein Mitbegründer des "Thüringer Heimatschutzes", einer mutmaßlichen Vorläuferorganisation des NSU, habe vor Gericht unwidersprochen seine rechtsextreme Gedankenwelt offenbaren dürfen, auf Fragen nach der Hauptangeklagten und ihren mutmaßlichen Mittätern jedoch eher zurückhaltend und ausweichend reagiert.
OLG München zu Millionen-Teppich: Das Oberlandesgericht München hat eine Schadensersatzklage gegen einen Auktionator, der einen Perser-Teppich auf 900 Euro schätzte und ihn für knapp 20.000 Euro verkaufte, abgewiesen. Der Teppich wurde wenige Monate später in London für 7,2 Millionen Euro versteigert. Dem Auktionator sei nach Ansicht des Gerichts keine Pflichtverletzung vorzuwerfen, schreibt die SZ (Stefan Mayr), er habe den außerordentlichen Wert des Teppichs nicht erkennen müssen.
LSG Bayern – Eingliederungshilfe: Vor dem Landessozialgericht Bayern hat ein behinderter Jura-Student seine Berufung gegen eine, den Ablehnungsbescheid zur Gewährung von Eingliederungshilfe bestätigende Entscheidung des Sozialgerichts zurückgezogen. Nach spiegel.de (Lisa Schnell) ist der angehende Referendar aber weiterhin an einer verfassungsgerichtlichen Klärung der Frage interessiert, ob es gegen das grundgesetzlichen Diskriminierungsverbot verstößt, wenn Pflegebedürftige vor der Gewährung von Eingliederungshilfe ihr eigenes Vermögen so gut wie aufbrauchen müssen.
LG Stuttgart – VW: Nach Bericht der SZ (Klaus Ott) hat das Landgericht Stuttgart angeregt, gegen Geldauflagen auf die Durchführung eines Prozesses gegen VW-Mitarbeiter wegen Bestechung bzw. Bestechlichkeit zu verzichten. Auch die gegen Einkaufsvorstand Francisco Javier Garcia Sanz eingeleiteten Ermittlungen wegen des Vorwurfs, der Autobauer habe die Fortsetzung von Geschäftsbeziehungen an ein Sponsoring-Engagement beim VW-Klub VfL Wolfsburg geknüpft, könnten gegen eine Bußgeldzahlung eingestellt werden.
LG München zu Uli Hoeneß: Die Staatsanwaltschaft München II hat der SZ (Annette Ramelsberger) gegenüber erklärt, dass die Herkunft der Mittel des verurteilten Steuerhinterziehers Uli Hoeneß entgegen anderslautender Presseberichte restlos geklärt sei. Insbesondere hätten sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass es sich bei dem fraglichen Schweizer Konto um eine schwarze Kasse des bis zur vorigen Woche von Hoeneß geführten FC Bayern gehandelt habe. Auch sei die Entscheidung, auf die Einlegung einer Revision gegen das Urteil des Landgerichts München II zu verzichten, nicht durch politische Einflussnahme zustande gekommen.
ArbG Braunschweig zu Werkverträgen: Die SZ (Kristina Läsker) berichtet über eine Verhandlung vor dem Arbeitsgericht Braunschweig. Mehrere Testfahrer, die Autos von VW und Audi fuhren, aber bei anderen Firmen angestellt waren, hätten geltend gemacht, statt Werkvertragsarbeitnehmern tatsächlich Leiharbeiter der Autofirmen gewesen zu sein, nach Ansicht des Gerichts jedoch zu unrecht. Es sei nicht dargelegt worden, inwiefern der berufliche Alltag der Kläger von den Anordnungen der beklagten Firmen abhängig gewesen sei.
Recht in der Welt
Großbritannien – BVG: Der vor einem Londoner Gericht durchgeführte Rechtsstreit der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) gegen die Investmentbank JP Morgan zu missglückten und hochriskanten Finanztransaktionen ist nach Bericht des Handelsblatts (Frank Drost/Katharina Slodczyk) einvernehmlich beendet. Ohne offizielle Verlautbarungen sei davon auszugehen, dass die Verkehrsbetriebe nur einen Bruchteil der von der Bank geforderten 150 Millionen Euro zu zahlen hätten, weil der Vorstand sich ohne Zustimmung des Aufsichtsrats geeinigt habe. Dies sei laut Satzung nur bei Transaktionen unter 2,5 Millionen Euro zulässig. Die taz-Berlin (Sebastian Heiser) erklärt die Hintergründe des misslungenen Geschäfts.
Sonstiges
Public Viewing: Oberregierungsrat Alfred Scheidler stellt für lto.de die von der Bundesregierung erlassene "Verordnung über den Lärmschutz bei öffentlichen Fernsehdarbietungen im Freien über die Fußball-WM 2014" vor, nach der auch die im Sommer in Brasilien zu hierzulande später Stunde stattfindenden Spiele übertragen werden können. Eine derartige Genehmigung müsse allerdings beantragt werden.
Moskauer Prozesse: Die SZ (Martina Knoben) bespricht in ihrem Feuilleton "Die Moskauer Prozesse", ein Gerichts-Dokudrama des Schweizer Filmemachers Milo Rau. Im Film werden drei Verfahren, unter anderem jenes gegen Mitglieder der Band Pussy Riot, nachinszeniert, die den Umgang der russischen Öffentlichkeit mit Religionskritik illustrieren sollen.
Welfenschatz: Der 1935 erfolgte Verkauf des Welfenschatzes durch jüdische Kunsthändler an Preußen ist nach einer Entscheidung der Limbach-Kommission nicht als "verfolgungsbedingter Zwangsverkauf" zu werten. Die Anwälte der Hinterbliebenen prüfen nun die Erfolgsaussichten einer zivilrechtlichen Klage, schreibt die SZ (Ira Mazzoni) und zeichnet den Weg des bedeutendsten deutschen Kirchenschatzes im Eigentum einer öffentlichen Sammlung und jenen der vorherigen Eigentümer nach. Der Bericht der FAZ (Julia Voss) kritisiert dagegen, dass der Kommission keine Vertreter jüdischer Organisationen angehören. Auch habe sich das Gremium nicht mit der gebotenen Sorgfalt darum bemüht, sämtliche früheren Eigentümer bzw. deren Nachkommen zu ermitteln.
George Clooney: Schlechte Nachrichten für Liebhaberinnen und Liebhaber einer graumelierter Männerschönheit: George Clooney hat eine neue Freundin. Wie die SZ (Christian Mayer) schreibt, ist Amal Alamuddin, so der Name der Auserwählten, britische Anwältin für internationales Recht. Zu ihren bisherigen Klienten hätten Julian Assange, Julia Timoschenko oder der libysche Geheimdienstchef gehört.
Das Letzte zum Schluss
Wenn es drückt …: Über die originelle Ausrede eines Temposünders berichtet Udo Vetter (lawblog.de). Die Einhaltung der örtlichen Tempobegrenzung sei ihm nicht möglich gewesen, weil er dringend einem menschlichen Bedürfnis Folge leisten musste. Das mit der Sache befasste Amtsgericht Lüdinghausen zeigte kein Verständnis: Auch der unter Durchfall Leidende habe sich an die Verkehrsregeln zu halten und sowieso treffe jeden Autofahrer vor Fahrtantritt die Pflicht, sich zu vergewissern, ob die sichere Lenkung seines Fahrzeugs möglich ist.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah:zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 21. März 2014: Schavan bleibt titellos – Spekulationsausflug der BVG beendet – Welfenschatz nicht geraubt . In: Legal Tribune Online, 21.03.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11404/ (abgerufen am: 18.05.2024 )
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