In Bonn wird voraussichtlich geklärt, ob der Tanklaster-Angriff von Kunduz 2009 völkerrechtswidrig war und wer die Verantwortung trägt. Außerdem in der Presseschau: Zu wenig Frauen in der Justiz, Kritik am Deal-Urteil, BGH zu Hunden in Mietwohnungen, Vorschläge für Wahlrechtsreformen und warum Pippi Langstrumpf heute leider nicht zur DGB-Demo kommen kann.
LG Bonn – Kunduz-Bombardierung: Vom ersten Tag im "ersten großen Zivilverfahren" zum Luftangriff auf einen Tanklaster in der Nähe des afghanischen Kunduz im Jahr 2009 mit wohl über 100 Opfern, darunter viele Zivilisten, berichtet die SZ (Bernd Dörries) ausführlich. Zwei Hinterbliebene ziviler Opfer verklagen die Bundesrepublik Deutschland vor dem Landgericht Bonn auf insgesamt 90.000 Euro Schadenersatz. "So viel Leid und so wenig Geld", so sehe es wohl laut SZ auch der Vorsitzende Richter, der einen Vergleich anregen wollte. Nachweisen müssten die Kläger nun einen Völkerrechtsverstoß und die Nichteinhaltung der Verhältnismäßigkeit beim Tanklaster-Angriff. Auch müsse geklärt werden, ob die Bundesrepublik überhaupt richtige Beklagte sei mit Blick auf die Befehlskette und nicht die NATO oder die UN, so die SZ weiter.
Die taz (Pascal Beucker) widmet dem Thema ihren Schwerpunkt: Das Bundesverteidigungsministerium vertrete die Ansicht, Rechtsansprüche einzelner Personen bestünden weder aus humanitärem Völkerrecht noch aus dem Amtshaftungsrecht. Das Gericht befand indes, so die taz, Individualansprüche seien grundsätzlich zulässig und wies die Klage nicht direkt ab. Separat schildert die taz (Ulrike Winkelmann) noch einmal den Luftangriff, der vom deutschen Oberst Georg Klein angeordnet worden war. spiegel.de (Jörg Diehl) berichtet ebenfalls; so auch die FR (Markus Decker), die auf weitere anhängige Verfahren hinweist.
Weitere Themen – Rechtspolitik
Gesetzentwurf Bestandsdatenauskunft: Die taz (Svenja Bergt) berichtet zum bereits gestern im Innenausschuss des Bundestages gebilligten Entwurf zur Neuregelung der Bestandsdatenauskunft. Peter Schaar, Bundesdatenschutzbeauftragter, etwa halte diesen für "verfassungsrechtlich bedenklich", da eine Datenabfrage auch bei Ordnungswidrigkeiten noch möglich seien soll. Zum "grünen Licht" aus dem Ausschuss berichtet knapp lto.de.
Mietrechtsreform – Hohe Mieten: Im Rahmen der Themenwoche zur Mietrechtsreform spricht lto.de (Claudia Kornmeier) mit Rechtsanwalt und Mietrechtsexperte Thomas Hannemann über gekappte Mieterhöhungen und Wohnungsnot in Ballungszentren.
NPD-Verbotsantrag: Der Bundesrat steht, so die taz, wohl allein da mit seinem NPD-Verbotsantrag an das Bundesverfassungsgericht. Auch der Bundestag werde wohl keinen Antrag stellen, die Bundesregierung hatte bereits einen Verzicht beschlossen, so die taz.
Kritik an Reform von Arzneimitteltests: Über die anhaltende Kritik an einer geplanten Neuregelungen für Arzneimitteltests an Menschen in der "EU-Verordnung über klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln" berichtet spiegel.de.
Weitere Themen – Justiz
Frauen in der Justiz: Mit der Bundesanwältin am Bundesgerichtshof und Vizepräsidentin des Deutschen Juristinnenbundes Eva Schübel spricht spiegel.de (Dietmar Hipp) über den niedrigen Frauenanteil an den Bundesgerichten und das, so Schübel, "intransparente Vorschlagsverfahren".
BGH zu Hunden in Mietwohnungen: Wie u.a. spiegel.de berichtet, hat der Bundesgerichtshof gestern entschieden, dass Klauseln in Mietverträgen, die generell die Haltung von Hunden oder Katzen untersagen, unzulässig seien. Es müssen im Einzelfall umfassend abgewogen werden. Dazu auch lawblog.de.
Wolfgang Janisch (SZ) hält die Entscheidung für "klug": Mieter und Vermieter werden zur Rücksichtnahme verpflichtet.
BVerfG zu Deal im Strafprozess: Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu sogenannten Deals im Strafverfahren erfährt viel Kritik aus der Praxis, so Helene Bubrowski (FAZ). Dies reiche von der Bezeichnung der Entscheidung als "Kapitulationserklärung" bis zum Vorwurf der "Praxisferne" an die Karlsruher Richter. Dass der "Deal im Hinterzimmer" rechtswidrig sei, habe man schon vor diesem Dienstag gewusst, so etwa der Rechtsanwalt Jan Böckemühl laut Bubrowski.
BGH zu Berichterstattung im Fall Kachelmann: Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs zur Medienberichterstattung über Jörg Kachelmann vom Dienstag setzt sich Medienrechtsprofessor Georgios Gounalakis für lto.de mit dem Fall auseinander und erklärt: "Der Grundsatz der Öffentlichkeit der Hauptverhandlung gibt der Presse ein Recht zur Berichterstattung über sämtliche Inhalte einer öffentlichen Verhandlung."
Unter dem Titel "Ein geiler Strafprozess" kommentiert Heribert Prantl (SZ), die Abwägung zwischen dem Schutz der Intimsphäre und einem allgemeinem Informationsinteresse könne nicht nachträglich auf die Presse abgewälzt werden, wenn einmal intime Details in der Verhandlung erörtert wurden. Diese Fürsorgepflicht treffe, wie der BGH in "kluger Klarheit" feststellte, die Gerichte. Im Fall Kachelmann sei man dieser Pflicht aber wohl nicht ausreichend nachgekommen, so Prantl.
OLG Düsseldorf zu Speicherpflichten von Providern: internet-law.de (Thomas Stadler) weist auf mehrere Beschlüsse des Oberlandesgericht Düsseldorf aus dem März dieses Jahres hin, wonach Internetzugangsprovider nicht verpflichtet sind, dynamische IP-Adressen ihrer Kunden zu sichern, um Rechteinhabern die "Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen zu ermöglichen".
LG Baden-Baden zu Telefonsperre: lawblog.de (Udo Vetter) berichtet knapp über eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Baden-Baden aus dem letzten Jahr, die einen Telefonanbieter verpflichtete den Anschluss einer Kundin wieder freizuschalten, die sich mit 33,34 Euro im Zahlungsrückstand befand. Dies läge unter der Bagatellgrenze von 75 Euro; auch eine zulässige Sperrung müsse aber wenigstens zwei Wochen vorab angekündigt werden, unter Hinweis auf mögliche Rechtsmittel.
LG Augsburg zu Durchsuchungsanordnung: Wie u.a spiegel.de meldet, entschied das Landgericht Augsburg gestern, dass die amtsgerichtliche Anordnung der Durchsuchung der Redaktionsräume der Augsburger Allgemeinen Zeitung im Januar dieses Jahres rechtswidrig war. Hintergrund sei eine Strafanzeige des örtlichen Ordnungsreferenten gewesen, der sich durch einen Kommentar im Forum der Onlineversion der Zeitung beleidigt fühlte.
LG Frankfurt zu Suhrkamp-Nebenkriegsschauplatz: Auf einem "Nebenschauplatz" des Rechtsstreits um den Suhrkamp-Verlag hat das Landgericht Frankfurt Main am Mittwoch entschieden, so spiegel.de, dass der Verlag über twei Millionen Euro Bilanzgewinne aus dem Jahr 2010 an die Medienholding AG Winterthur zahlen muss. Dahinter steht der Unternehmer Hand Barlach, seine Holding hält 39 Prozent der Suhrkamp-Anteile. Erfolgreich berief Barlach sich, so spiegel.de, auf eine Vereinbarung über die Gewinnaufteilung aus dem Verkauf des Frankfurter Verlags-Hauses sowie des Archivs. Die SZ (Andreas Zielcke) berichtet ebenfalls sowie Sandra Kegel und Edo Reents im FAZ-Feuilleton.
Lügen die Vorstände der Deutschen Bank?: Vergangene Woche waren die schriftlichen Ausführungen des bereits im Dezember 2012 zugunsten der Kirch-Erben im Streit mit der Deutschen Bank gefallen Urteils des Oberlandesgericht Münchens veröffentlicht worden. Die Zeit (Rüdiger Jungbluth) befasst sich im Wirtschaftsteil mit den darin enthaltenen Vorwürfen gegen Rolf Breuer und viele andere seiner ehemaligen Vorstandskollegen, bewusst im Prozess gelogen zu haben und zeichnet noch einmal die Hintergründe des Falles nach. Nun drohten den ehemaligen Bank-Vorständen auch strafrechtliche Konsequenzen. Bereits seit Oktober 2011 werde staatsanwaltlich wegen des "Verdachts des versuchten Prozessbetrugs und falscher uneidlicher Aussage" gegen "Breuer, Ex-Bankchef Josef Ackermann, Ex-Aufsichtsratschef Clemens Börsig und Ex-Vorstand Tessen von Heydebreck" ermittelt, so die Zeit.
Anwälte in Deutschland: Über die (steigende) Zahl der Anwälte in Deutschland, deren Verteilung auf die Republik und die Attraktivität von Ballungszentren für diese spricht mit lto.de (Pia Lorenz) der Journalist und Rechtsanwalt Martin W. Huff.
Selbstanzeigen von Steuerflüchtlingen: In der "Private Banking"-Beilage der SZ befasst sich Klaus Ott unter dem Titel "Goldene Brücke für Steuerflüchtlinge" mit den "immer kleiner werdenden Schlupflöchern" für Steuersünder: "Keiner ist sicher". Die Zahl der Selbstanzeigen werde, so schätzt es der Rechtsanwalt Jan Olaf Leisner, immer häufiger: Nur jeder vierte oder fünfte würde es künftig anders versuchen. Auch Schweizer Banken rieten zur Selbstanzeige. Tipps und Hinweise zum Ablauf gäbe es etwa bei Vorträgen von Fachkanzleien. Es gelte der Rat: "Lieber Geld aufwenden, als hinter Gittern sitzen."
Rücklagen der Deutschen Bank: Wie u.a. die Welt berichtet, musste die Deutsche Bank im Jahr 2012 Rücklagen in Höhe von 2,4 Milliarden Euro für mögliche Zahlungen in zahlreichen Rechtsstreitigkeiten zurücklegen. Dabei gehe es u.a. um "diverse Prozesse wegen US-Hypothekengeschäften" und um mögliche "Tricksereien" bei den Referenzzinssätzen Libor und Euribor.
Weitere Themen – Recht im Ausland
EGMR – Spanisches Strafrecht: Am Mittwoch hat vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte die Verhandlung über einen Einspruch Spaniens gegen eine Entscheidung des Gerichtshofes aus dem vergangenen Juli begonnen. 2012 war, so berichtet die FAZ (Leo Wieland), der Beschwerde einer verurteilten baskischen Terroristin stattgegeben worden, die sich gegen die "Parot-Doktrin" gewandt hatte. Diese Doktrin aus dem Jahr 2006 sollte sichern, dass Verbrecher in Spanien die "auf 30 Jahre begrenzte maximale Haft auch tatsächlich verbüßen müssen". Wegen der rückwirkenden Änderung des Strafrechts habe das Gericht einen Verstoß gegen die EMRK festgestellt. Dies könne nun zur Freilassung zahlreicher "verurteilter ETA-Terroristen und anderer Schwerverbrecher" führen, so die FAZ weiter.
Sonstiges
Grabenwahlrecht für Bundestagswahl?: Auf dem juwiss-Blog stellt Rechtswissenschaftler Carsten Bäcker als Alternativen zum Bundestagswahlrecht u.a. das sogenannte Grabenwahlrecht dar, das jedenfalls verfassungsrechtlich unbedenklich sei; bei diesem entfiele etwa das immer wieder beanstandete negative Stimmgewicht. Auch an der fünf Prozenthürde könnte gerüttelt werden: Die dabei oft beschworene "Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Parlaments" dürfe jedenfalls bezweifelt werden; eine Beeinträchtigung der Wahlrechtsgrundsätze durch die Sperrklausel sei indes gewiss.
Zypern in Deutschland?: Anlässlich der Ereignisse in Zypern spricht lto.de (Ludwig Hogrebe) mit dem Rechtsprofessor und Diplomökonomen Matthias Casper, der erläutert, die Mitfinanzierung der Bankenrettung durch ihre Kunden wären eine "Sonderabgabe", keine "Enteignung" gewesen. In Deutschland wäre eine solche Abgabe laut Bundesverfassungsgericht nur zulässig, soweit die belasteten Personengruppen einen "Bezug zum finanziellen Zweck" aufwiesen, so Casper. Die Erklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem Ex-Finanzminister Peer Steinbrück aus dem Jahr 2008, die Spareinlagen in Deutschland seien sicher, sei lediglich eine "weiche Patronatserklärung" und somit nicht einklagbar.
Das letzte zum Schluss
Keine Langstrümpfe beim DGB: Für den heutigen Equal-Pay-Day hatte der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) zu einer Demonstration mit dem Motto "Wie Pippi Langstrumpf wollen wir unabhängig sein" aufgerufen. Nach einem Hinweis des Anwalts der Lindgren-Erbengemenmschaft, dass eine nicht-lizensierte "kommerzielle oder politische Nutzung" der Pippi-Figur untersagt sei, sagte der DGB die Veranstaltung sicherheitshalber ab, wie die taz (Dominik Brück) in der Rubrik "Gesellschaftskritik" meldet.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in den heutigen Printausgaben oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/dc
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 21. März 2013: Tanklaster-Angriff vor Gericht – BGH zu Hunde-Verbot – Pippi Langstrumpfs Demo-Verbot . In: Legal Tribune Online, 21.03.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8378/ (abgerufen am: 05.05.2024 )
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