Das besondere elektronische Anwaltspostfach bleibt vorerst offline. Außerdem in der Presseschau: Spediteure erheben Schadensersatzklagen gegen LKW-Kartell vor dem LG München I. Für und Wider des neu eingeführten Transparenzregisters.
Thema des Tages
BeA vorerst offline: Das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA), dessen Nutzung eigentlich ab dem 1. 1. 2018 verpflichtend werden sollte, bleibt vorerst offline. Das teilte jetzt die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) mit. Die Entwicklung der vergangenen Tage und die technischen Probleme mit dem Postfach fassen die FAZ (Hendrik Wieduwilt), lto.de und FAZ-Einspruch (Constantin van Lijnden) zusammen. Die BRAK rate zudem dringend zur Deinstallation des neuen Zertifikats, welches unter Anleitung eigenständig installiert werden konnte. Es weise ungleich größere Sicherheitslücken auf als das erste Zertifikat, denn Hacker hätten dadurch die Möglichkeit, die Inhalte sämtlicher Kommunikation aller beA-Nutzer einzusehen. Die Schuld für die technischen Probleme werde inzwischen beim französischen IT-Dienstleister Atos, der mit der Entwicklung des beA betraut worden war, vermutet. Wann das System betriebsfähig sein werde, könne man laut BRAK nicht sagen, in jedem Fall werde Sicherheit vor Schnelligkeit gehen und es würden weitere Zwischenlösungen zum Einsatz kommen.
In einem Kommentar beschreibt Hendrik Wieduwilt (FAZ) die technischen Probleme mit dem beA als Blamage.
Rechtspolitik
Familiennachzug: Vor dem Hintergrund der Sondierungsverhandlungen zwischen CDU und SPD um die Verlängerung der Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte nimmt Gudula Geuther (deutschlandfunk.de) zu der Thematik Stellung. Die Autorin gibt zu bedenken, dass es entgegen vieler Befürchtungen nicht um den Nachzug vielköpfiger Clans, sondern der minderjährigen Kinder und des Ehegatten gehe. Außerdem werde sich ein in Deutschland lebender Schutzberechtigter, der um seine nächsten Angehörigen in Bürgerkriegsländern wie Syrien oder dem Irak bangt, kaum integrieren können und wollen. Bei der Aussetzung des Familiennachzugs handle es sich um Politik nach Zahlen, statt um sachgerechten Umgang.
Tranzparenzregister: Die FAZ (Hendrik Wieduwillt) befasst sich mit dem Für und Wider des neuen Transparenzregisters für Unternehmen, Stiftungen und Genossenschaften, das in dieser Woche eingeführt wurde. In dem Register soll eingetragen werden, wer tatsächlich über Vermögen verfügt und nicht nur formal Geschäftsführer ist. Einerseits könne durch die Eintragungspflicht Geldwäsche effektiv bekämpft werden. Andererseits könne die neue Informationsquelle auch für Erpressungen ausgenutzt werden.
Prostituiertenschutzgesetz: Im Interview mit der taz (Patricia Hecht) kritisiert Johanna Weber vom Bundesverband erotische und sexuelle Dienstleistungen das zum Jahreswechsel in Kraft tretende Prostituiertenschutzgesetz als "stigmatisierend, kriminalisierend und repressiv". Ferner weist sie auf den großen finanziellen Mehraufwand für den Staat hin und befürchtet Gefahren für den Datenschutz bei Prostituierten, die künftig einen Prostituiertenpass mitführen müssen. Weber fordert eine Entstigmatisierung durch die Politik. Sie hat gemeinsam mit anderen bereits Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz eingereicht und Anfragen an die Datenschutzbeauftragte der Bundesländer gestellt.
MiFID II: Wie die SZ meldet, tritt zum 3. Januar 2018 die EU-Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID II) in Kraft. Mit dieser solle eine weitere Finanzkrise verhindert werden, indem die Transparenz erhöht werde. Vielen Finanzfirmen bereite jedoch die Umsetzung der Richtlinie sowie mögliche Technologieprobleme Sorgen.
EU-Datenschutzgrundverordnung: Das Hbl (Dietmar Neuerer) befasst sich mit den Vorbereitungen der Unternehmen in Europa auf das Inkrafttreten der EU-Datenschutzgrundverordnung am 25. Mai 2018. Ab diesem Zeitpunkt müssen die Unternehmen detailliert dokumentieren, welche Daten sie wo, wie und warum verarbeiten. Bei Verstößen drohen Bußgelder von bis zu 20 Millionen Euro. Viele Unternehmen seien auf die Verordnung noch nicht vorbereitet und es besteht Rechtsunsicherheit.
Gesellschaftsrecht 2018: Auf Handelsblatt-Rechtsboard stellt Rechtsprofessor Ulrich Noack Themenbereiche des Gesellschaftsrechts vor, die im kommenden Jahr möglicherweise gesetzlich reformiert werden. So müsse die Umsetzung der Aktionärsrechte-Richtlinie II auf den Weg gebracht, das Beschlussmängelrecht im AktG und auch das GmbH-Recht reformiert werden. Da der angekündigte EU-Kommissionsvorschlag zur Digitalisierung im Unternehmensrecht Ende 2017 ausblieb, werde auch dieser im nächsten Jahr erwartet. Ansonsten könne das Jahr 2018 legislatorisch gesehen im Gesellschaftsrecht ruhig verlaufen.
Justiz
LG Stuttgart – Kevin Großkreutz: Gegen ein Urteil des Amtsgerichts Stuttgart zu einer Prügelattacke auf den Fußballprofi Kevin Großkreutz haben die Kläger und die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt. Das Amtsgericht hatte im Oktober zwei junge Männer zu Haftstrafen wegen Körperverletzung verurteilt, da sie den Fußballspieler zuvor bei einer Auseinandersetzung bewusstlos geschlagen hatten. spiegel.de berichtet.
LG München I – LKW-Kartell: Rund 3.200 Fuhrunternehmer aus neun europäischen Ländern haben beim Landgericht München I Schadensersatzklagen gegen mehrere Lastwagenhersteller eingereicht. Grund dafür sind Preisabsprachen der Lastwagenhersteller, weshalb die Kläger beim Kauf der Lastwagen angeblich zu viel bezahlen mussten. Wie spiegel.de meldet, wird Schadensersatz von mindestens 500 Millionen Euro gefordert.
OVG NRW zu kostenlosen Toiletten: Eine Stadt ist nicht verpflichtet, kostenlose öffentliche Toiletten auf ihrem Stadtgebiet bereitzustellen. So entschied das Oberverwaltsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen im Falle der Stadt Essen, wie lto.de berichtet. Geklagt hatte ein unter krankhaftem Harndrang leidender Essener. Die Richter wiesen die Klage mit der Begründung ab, die Gemeindeordnung des Landes NRW eröffne keinen Anspruch auf die kostenlose Nutzung kommunaler Toiletteneinrichtungen. Ferner müsse der Staat individuell zurechenbare Leistungen der Daseinsvorsorge wie den Zugang zu bereits vorhandenen Toiletten nicht kostenlos erbringen.
BVerwG zu "Licht aus"-Aktion: Jost Müller-Neuhof (Tsp) kritisiert das "Licht-aus"-Urteil des BVerwG von September 2017. Die Richter hatten die "Licht-aus-Aktion" des Düsseldorfer Oberbürgermeisters Thomas Geisel zwar für rechtswidrig erklärt, zugleich aber aufgezeigt, wie Politiker ihr Amt doch für politische Auseinandersetzungen nutzen können. Laut BVerwG gelte das Neutralitätsgebot nur für Parteien, während auf politische Gruppierungen wie Dügida allein das Sachlichkeitsgebot anwendbar sei. In Zukunft müsste eine Aktion wie der "Licht aus"-Aufruf also nur sachlich begründet werden. Für den Autor ist die staatliche Neutralität jedoch ein Prinzip, das nicht nur im Wettbewerb zwischen den Parteien eine Rolle spiele. Amtsträger dürften generell die Kommunikationsmacht ihrer Ämter nicht für Propaganda missbrauchen.
Recht in der Welt
USA – Prozess gegen Fifa-Funktionäre: Wie lto.de meldet, hat ein New Yorker Gericht im ersten Prozess um den Fifa-Korruptionsskandal einen früheren brasilianischen Verbandschef und einen hohen Funktionär aus Paraguay für schuldig gesprochen und wegen Fluchtgefahr inhaftiert. Die Staatsanwaltschaft wirft den beiden Angeklagten vor, über zwei Jahrzehnte Millionen Dollar Schmiergelder bei der Vergabe von Fernsehrechten entgegengenommen zu haben. Einem früheren Verbandschef aus Peru wurde als dritten Angeklagten keine Schuld zugesprochen.
ICTY: Stefan Ulrich (SZ) zieht Bilanz zur Arbeit des ICTY und bezeichnet die Geschichte des Haager Jugoslawien-Gerichts als Erfolg. So wurde den Opfern des Krieges die Möglichkeit gegeben, ihr Leid zu bezeugen und den Glauben an die Gerechtigkeit zu bewahren. Staatsverbrecher konnten sich bei den Prozessen nicht hinter ihrer staatlichen Souveränität verbergen. Auch habe der ICTY das Völkerstrafrecht weiterentwickelt. Das Gericht sei lediglich in dem Punkt gescheitert, dass keine Aussöhnung zwischen den Ex-Jugoslawien-Staaten herbeigeführt werden konnte.
Autoritarismus in Zentral- und Osteuropa: Für verfassungsblog.de erörtert der polnische Rechtsprofessor Marcin Matczak (in englischer Sprache) am Beispiel Polens, wie sich die Rückkehr des Autoritarismus in einigen Ländern Zentral- und Osteuropas äußert und welche möglichen Gründe es dafür gibt. Als Lösungsvorschläge nennt der Autor unter anderem, dass die Propaganda zugunsten autoritärer Kräfte identifziert, ein Sicherheitsgefühl unter den Bürgern verbreitet und das zivilgesellschaftliche Engagement unter den Bürgern gestärkt werden müsse.
Sonstiges
BND-Kontrolle: In einem Kommentar kritisiert Ronen Steinke (SZ) die rechtswidrigen Handlungen des BND. So sei am 13.12.2017 vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Klagen der Organisation Reporter ohne Grenzen aufgedeckt worden, dass der BND jahrelang unbemerkt Telefonie-Metadaten von Mitgliedern der Organisation gespeichert und ausgewertet hat. Das dreiköpfige unabhängige Kontrollgremium des BND, welches im vergangenen Jahr durch das BND-Gesetz zur Überwachung eingesetzt wurde, klage zudem über die schwierige Zusammenarbeit mit dem Nachrichtendienst, der zu viele Informationen unter Verschluss halte. Der Autor stellt die Frage, mit welchem Recht selbst Kritik am BND geheim gestempelt werden dürfe und attestiert ihm eine Haltung, hinter der leicht auch Übles gedeihen kann.
Datenerhebung bei Smart-TVs: Da das Bundeskartellamt (BKartA) nun auch Verstöße gegen den Verbraucherschutz verfolgen darf, wurde eine Sektoruntersuchung zu Smart-TVs eingeleitet. Die Anwälte Sebastian Hack und Hendrik Müller veranschaulichen auf lto.de zunächst, wie Smart-TVs Nutzerdaten sammeln und listen auf, welche zentralen Anforderungen an die Datenerhebungs- und Datenverarbeitungsprozesse zu stellen sind. So muss der Nutzer transparent über die Nutzung seiner Daten informiert werden, die Daten müssen möglichst minimal erhoben werden und die Datenerhebung und –verarbeitung muss zweckgebunden sein.
Streitatlas 2017: Rechtsanwalt Martin W. Huff setzt sich auf lto.de mit der Aussagekraft des "Streitatlas 2017" auseinander, den die Rechtsschutzversicherung Advocard herausgegeben hat. So beschreibe die Statistik nicht die Zahl und Verteilung von "Rechtsstreiten", sondern erfasse schon jede Anfrage an einen Anwalt. Viele Zahlen wurden außerdem falsch ermittelt. Der Autor rät davon ab, sich in einer juristischen oder politischen Auseinandersetzung auf den "Streitatlas" zu berufen.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/man
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
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Die juristische Presseschau vom 28. Dezember 2017: BeA vorerst nicht in Betrieb / Neues Transparenzregister / LKW-Kartell beim LG München I verklagt . In: Legal Tribune Online, 28.12.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26207/ (abgerufen am: 26.04.2024 )
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