Das Oberlandesgericht München billigt Werbeblocker. Außerdem in der Presseschau: Frauke Petry verliert wohl Immunität, Fall Oury Jalloh wird weiter untersucht und Thomas Fischer tadelt Jens Gnisa für sein "Ende der Gerechtigkeit".
Thema des Tages
OLG München zu Werbeblockern: Werbeblocker im Internet sind kartell-, wettbewerbs- und urheberrechtlich zulässig. Dies entschied das Oberlandesgericht München und wies damit die Klagen der Webseitenbetreiber Süddeutsche Zeitung, ProSiebenSat.1 und RTL gegen den Kölner Adblock-Plus-Anbieter Eyeo zurück. Bezahltes Whitelisting unaufdringlicher Anzeigen stelle zudem keine verbotene aggressive Werbung dar. zeit.de und lto.de (Pia Lorenz/Alexander Cremer) geben die Entscheidungsgründe wieder. Das Gericht ließ die Revision zu.
Rechtspolitik
Mietpolitik I – Mietpreisbremse: Bei einer Wahlkampfveranstaltung in Koblenz erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel die sogenannte Mietpreisbremse für gescheitert, wie u.a. die FAZ (Michael Psotta) berichtet. Die CDU-Bundesvorsitzende äußerte, im Wohnungsneubau die Antwort auf Wohnungsknappheit zu sehen. Mit Blick auf die unbefriedigende Wirkung der Mietpreisobergrenzen in den Ländern hatte Heiko Maas (SPD), Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz, zuvor erklärt, die Regelungen zur Mietpreisbremse verschärfen zu wollen.
Mietpolitik II – Milieuschutzgebiete: Das Konzept des sogenannten "Milieuschutzes", mit dem in Großstädten einer als Gentrifizierung bekannt gewordenen Veränderung der sozialdemografischen Verhältnisse in einzelnen Stadtteilen entgegengewirkt werden soll, stellt anhand des "Berliner Modells" zeit.de (Sören Götz/Veronika Völlinger) vor. Referiert werden auch die Erfahrungen mit einem zumeist "zurückhaltenden" Gebrauch der kommunalen Kompetenzen aus § 172 Baugesetzbuch und die Kritik immobilienwirtschaftlicher Kreise an einer im Milieuschutz liegenden "Klientelpolitik".
Justiz
BSG zu Sozialversicherung: Unternehmen in EU-Mitgliedstaaten haben für Mitarbeiter, die sie mehrere Jahre nach Deutschland entsenden, keinen Anspruch darauf, dass die zuständigen Sozialversicherungsträger der beiden Staaten mittels Ausnahmevereinbarung die Versicherungspflicht für Deutschland abbedingen. Rechtsanwältin Michaela Felisiak setzt sich auf lto.de ausführlich mit den geltenden Regelungen zu Auslandseinsätzen, der Argumentation des Gerichts und den Folgen für die Praxis auseinander. Die FAZ (Hendrik Wieduwilt) erläutert den zugrunde liegenden Fall.
StA Dresden – Frauke Petry: Der Immunitätsausschuss des sächsischen Landtags hat einstimmig empfohlen, die Immunität der Abgeordneten Frauke Petry aufzuheben. Die Staatsanwaltschaft Dresden ermittelt gegen die AfD-Bundessprecherin wegen des Verdachts auf Meineid. Die Welt (Matthias Kamann) berichtet. spiegel.de beantwortet die wichtigsten Fragen rund um die Ermittlungen – auch wie Petry darauf reagiert. Meldungen bringen auch FAZ (lock.), taz (Michael Bartsch) und zeit.de.
GenStA Naumburg – Oury Jalloh: Die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg hat der Staatsanwaltschaft Dessau den Fall Oury Jalloh entzogen. Die Ermittler in Halle sollen nun untersuchen, wie Jalloh in der Gefängniszelle zu Tode kam. Die SZ (Antonie Rietzschel) und die taz (Christian Jakob) erinnern an die Ungereimtheiten des Falls und schleppende Ermittlungen.
"Mord, noch dazu ein rassistisch motivierter? Das verdrängt man besser." David Joram (taz) fragt, warum nicht "schon viel früher und viel energischer geprüft worden" sei, wie Oury Jalloh starb. Der Fall habe "gewaltige Zweifel am Rechtsstaat" geschürt.
FG Münster zu Zinsen auf Steuerschulden: Ein Paar aus Nordrhein-Westfalen unterlag mit seiner Klage gegen zu hohe Zinsen auf Steuerschulden vor dem Finanzgericht Münster. Die Revision ist zugelassen. Die Kläger hatten den Satz für Nachzahlungs- und Erstattungszinsen von sechs Prozent trotz Niedrigzinsphase für zu hoch erachtet, schreibt das Hbl (Katharina Schneider). Auch die FAZ (Hendrik Wieduwilt) bringt eine Meldung.
StA München II – Giovanni P.: Die SZ (Klaus Ott) gibt die Auseinandersetzung zwischen der Staatsanwaltschaft München II und den Verteidigern des ehemaligen Audi-Technikers Giovanni P. um dessen Haft wieder. Die Anwälte werfen den Ermittlern vor, sich zum "Büttel der US-Justiz" zu machen, weil sie nach einem Auslieferungsantrag der USA beantragt hatten, P. weiter festzuhalten.
LG München II zu Messerangriff: Der Mann, der im Mai 2016 vier Menschen am Bahnhof Grafing mit einem Messer angriff und dabei eine Person tötete, wird in der Psychiatrie untergebracht. Dies entschied das Landgericht München II. Aufgrund von Wahnvorstellungen sei er unfähig gewesen, sein Verhalten zu steuern, melden die FAZ und focus.de.
BFH zu Scheidungskosten: Scheidungskosten sind nicht als außergewöhnliche Belastungen steuerlich absetzbar. Auch die FAZ (Hendrik Wieduwilt) weist jetzt auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs hin, ebenso die Welt (Anne Kunz).
Recht in der Welt
Tunesien – Frauenerbrecht: Der tunesische Präsident will Frauen auch im Erbe gleichstellen – bislang erhielten männliche Erbberechtigte das Doppelte gegenüber weiblichen. Frauen sollen zudem künftig auch nicht-muslimische Männer heiraten dürfen. SZ (Dunja Ramadan) und taz (Karim El-Gawhary) schildern das Verhältnis der geplanten Reform zum islamischen Recht und bisherige Reaktionen.
Arabische Staaten – Frauenrechte: Die FAZ (Hans-Christian Rößler u.a.) zeichnet nach, wie immer weitere arabische Staaten Gesetze abschafften, die Vergewaltigern Straffreiheit gewährten, wenn sie ihre weiblichen Opfer heirateten oder es sich um ihre Ehefrau handelte. Es gebe allerdings nach wie vor Staaten mit sogenanntem "Vergewaltigungsgesetz", auch gingen manche Reformen nicht weit genug, um Frauen zu schützen.
Hongkong – Demokratie-Proteste: Ein Gericht in Hongkong hat drei Aktivisten wegen ihrer Teilnahme an der sogenannten Regenschirmbewegung für Demokratie und Meinungsfreiheit im Jahr 2014 zu Freiheitsstrafen von jeweils sechs, sieben und acht Monaten verurteilt. Damit hoben die Richter ein Urteil vom vergangenen August auf, das Bewährungsstrafen und Sozialstunden vorsah, schreiben SZ (Kai Strittmatter) und FAZ (Petra Kolonko). Menschenrechtler sehen darin eine politisch motivierte Entscheidung, um Demonstranten abzuschrecken.
Brasilien – Generalstaatsanwalt: Der derzeitige brasilianische Generalstaatsanwalt Rodrigo Janot wird am 17. September das Amt verlassen. Die SZ (Boris Herrmann) setzt die turnusmäßige Amtsweitergabe ins Licht der Ermittlungen gegen Präsident Michel Temer. Dieser spekuliere, Janots Nachfolgerin werde weitere Untersuchungen unterlassen.
Israel – Siedlungsgesetz: Das Oberste Gericht Israels hat das sogenannte Formalisierungsgesetz, das nachträglich Siedlungen im Westjordanland legalisieren sollte, mit einer einstweiligen Verfügung vorläufig gestoppt, meldet die SZ. Der israelische Generalstaatsanwalt hatte beantragt, das Gesetz auszusetzen.
Moritz Baumstieger (SZ) schließt daraus, dass Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit den Stopp unterstützt: "Deutlicher kann nicht gezeigt werden, wie wenig die Siedlungspolitik dieser Regierung mit Rechtsstaatlichkeit zu tun hat."
Sonstiges
Fischer rezensiert Gnisa: In einem Beitrag auf zeit.de unterzieht Thomas Fischer das Buch "Ende der Gerechtigkeit" des Richterbund-Präsidenten Jens Gnisa ausführlich einer kritischen Würdigung. Er habe eine Arbeit erwartet, "die nicht in populistischer Weise den verwerflichen Populismus der jeweils Andersmeinenden ausbreitet" "und sich nicht in peinlicher Bestätigung von Selbstgerechtigkeiten und spießiger Kleinkariertheit gefällt".
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/vb
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 18. August 2017: Zulässige Werbeblocker / Petrys Immunität / Fischer versus Gnisa . In: Legal Tribune Online, 18.08.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23715/ (abgerufen am: 03.05.2024 )
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