BSG zur Sozialversicherungspflicht von EU-Arbeitnehmern: Im Zweifel zahlt der Arbeit­geber dop­pelt

von Dr. Michaela Felisiak

17.08.2017

Firmen aus anderen EU-Mitgliedstaaten dürfen nicht blind darauf vertrauen, dass ihre jahrelang in Deutschland tätigen Mitarbeiter nach heimischem Sozialrecht versichert bleiben. Michaela Felisiak zum aktuellen BSG-Urteil.

Der Abschluss einer Ausnahmevereinbarung, durch welche die sozialrechtlichen Bestimmungen am Sitz des Unternehmens in einem europäischen Mitgliedstaat auch dann für dessen Beschäftigte gelten, die über Jahre hinweg in Deutschland tätig sind, bleibt eine Ermessensentscheidung der zuständigen Sozialversicherungsträger. Das Bundessozialgericht (BSG) entschied am Mittwoch, dass Arbeitgeber aus der Europäischen Union (EU) keinen einklagbaren Anspruch auf den Abschluss einer solchen Ausnahmevereinbarung haben (Urt. v. 16.08.2017, Az. B 12 KR 19/16 R). Vertrauen Arbeitgeber aus dem EU-Ausland dennoch auf deren Abschluss, riskieren sie, Sozialversicherungsbeiträge am Ende doppelt zu zahlen.

Der grenzüberschreitende Einsatz von Arbeitnehmern wirft zahlreiche Fragen auf. Unter anderem stellt sich für Arbeitgeber die Frage, ob sich etwas an der Sozialversicherungspflicht ihrer Mitarbeiter ändert, wenn diese zeitweise in anderen Mitgliedstaaten eingesetzt werden.

Innerhalb der EU gilt aufgrund europäischer Verordnungen der Grundsatz, dass Arbeitnehmer nur den Regelungen eines Mitgliedstaates unterliegen - und zwar den Regelungen des Landes, in dem sie die Beschäftigung ausüben. Damit entscheidet das Beschäftigungsland über die anwendbaren sozialversicherungsrechtlichen Regelungen.

Dies führt konsequenterweise dazu, dass jede grenzüberschreitende Tätigkeit einen Wechsel des Arbeitnehmers in das jeweilige Sozialversicherungssystem des Einsatzlandes mit sich bringt. Diese Rechtsfolge widerspräche der Freizügigkeit der Arbeitnehmer sowie den Interessen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Daher sehen die europäischen Verordnungen Ausnahmen von diesem Grundsatz vor.

Ausnahmevereinbarung bei längerfristigem Auslandseinsatz

Die wichtigste Ausnahme ist die Entsendung. Handelt es sich um eine solche, unterliegen grenzüberschreitend tätige Arbeitnehmer weiterhin den Rechtsvorschriften des Heimatstaats. Eine Entsendung liegt vor, wenn sich ein im Inland beschäftigter Arbeitnehmer auf Weisung seines Arbeitgebers in einen anderen Staat der EU begibt, um dort für diesen zeitweise eine Beschäftigung auszuüben. Wichtig ist dabei, dass die voraussichtliche Dauer der Entsendung nicht mehr als 24 Monate betragen darf.

Ist von Anfang an absehbar, dass die maximale Entsendungsdauer überschritten wird, liegt von vornherein keine Entsendung vor. In diesem Fall bleibt dann die Möglichkeit, den Abschluss einer Ausnahmevereinbarung gemäß Art. 16 der Verordnung zur Koordinierung der System der sozialen Sicherheit (Verordnung (EG) 883/2004) zu beantragen. Eine abgeschlossene Ausnahmevereinbarung ist – neben der Entsendung – eine weitere Ausnahme von dem oben genannten Grundsatz.

Bei der Ausnahmevereinbarung handelt es sich um einen Vertrag, der zwischen den jeweiligen Sozialversicherungsträgern der beteiligten Mitgliedstaaten geschlossen wird und dazu führt, dass auch bei längeren Tätigkeiten im Ausland die Sozialversicherungspflicht des Heimatstaats fortbesteht.

Als Vertrag ist für den Abschluss der Ausnahmevereinbarung die Zustimmung beider Sozialversicherungsträger der beteiligten Mitgliedstaaten erforderlich. Ob die Sozialversicherungsträger ihre Zustimmung erteilen, steht dabei in deren jeweiligen Ermessen.

Zitiervorschlag

Dr. Michaela Felisiak, BSG zur Sozialversicherungspflicht von EU-Arbeitnehmern: Im Zweifel zahlt der Arbeitgeber doppelt . In: Legal Tribune Online, 17.08.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23993/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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