EuGH stärkt Schutz von Urhebern vor illegalem Streamen. Außerdem in der Presseschau: Bundestag will Strafgesetz zum Schutz von Vollstreckungsbeamten beschließen, BGH billigt vorgetäuschte Polizeikontrollen und Pressefreiheit ist gefährdet.
Thema des Tages
EuGH zu illegalem Streamen: Wer als Nutzer offensichtlich illegale Angebote streamt, verstößt gegen Urheberrechte. Dies hielt der Europäische Gerichtshof in einem Grundsatzurteil fest. Eine rechtmäßige vorübergehende Vervielfältigung komme nicht in Frage, da die Wiedergabe offensichtlich illegaler Inhalte die berechtigten Interessen der Urheberrechtsinhaber ungebührlich verletzte. Auch der Verkauf von Medienabspielern, mit denen kostenlos und einfach Filme auf einem Fernseher wieder gegeben werden können, die rechtswidrig im Internet zugänglich sind, könne Urheberrechte verletzen, da es sich hier bereits um eine öffentliche Wiedergabe im Sinne der Urheberrechtsrichtlinie handele. Im vorliegenden Fall hatte eine niederländische Stiftung gegen den Vertrieb des "Filmspelers" – eines entsprechenden Abspielgeräts – geklagt. Es berichten taz.de (Christian Rath), SZ (Jannis Brühl) und FAZ (Hendrik Wieduwilt). Die Rechtsanwälte Martin Soppe und Arne Neubauer beleuchten für lto.de auch die "überraschenden Aspekte" der Entscheidung.
Heribert Prantls (SZ) Fazit lautet: "Das Urteil stärkt das Urheberrecht. Dieses Recht des geistigen Eigentums war eine Zeit lang in Gefahr, sich im Netz aufzulösen. Das Urteil trotzt dieser Gefahr."
Rechtspolitik
Tätlichkeiten gegen Amtsträger: Am heutigen Donnerstag will der Bundestag das Gesetz zur Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften beschließen. Der geplante § 114 Strafgesetzbuch sieht für tätliche Angriffe gegen Vollstreckungsbeamte in jedem Fall eine Freiheitsstrafe vor – bisher waren auch Geldstrafen möglich. Die taz (Patricia Hecht/Erik Peter) erläutert ausführlich die Kritik an dem Vorhaben.
Neues Datenschutzrecht: Die Reform des Datenschutzrechts soll am heutigen Donnerstag das Parlament passieren und damit das deutsche Recht an die europäische Datenschutzgrundverordnung anpassen. Die taz (Volker Tripp) erklärt, warum Kritiker das geplante Gesetz auch als "Datenschutz-Verhinderungsgesetz" bezeichnen.
Klagerechte in Umweltfragen: Sollen Umweltverbände ein Klagerecht in Umweltfragen erhalten? Darüber will der Bundestag am heutigen Donnerstag debattieren. Die taz (Merle Groneweg) argumentiert, dass der Entwurf zum Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz gegen Völkerrecht und Unionsrecht verstößt.
Justiz
BGH zu vorgetäuschten Polizeikontrollen: "Legendierte Polizeikontrollen" sind grundsätzlich zulässig und daraus hervorgehende Beweise verwertbar. Dies entschied der Bundesgerichtshof und setzt hier den Richtervorbehalt aus, der für schwerwiegende strafprozessuale Maßnahmen grundsätzlich gilt. Im vorliegenden Fall hatte die Polizei bei einem Drogenkurier eine zufällige Verkehrskontrolle vorgetäuscht, um den Hintermann nicht zu warnen. Die Beamten müssten die Staatsanwaltschaft allerdings zeitnah über ihr wahres Vorgehen informieren, berichten Tsp (Jost Müller-Neuhof), BadZ (Christian Rath), SZ (Ronen Steinke) und FAZ (Alexander Haneke).
OLG München – NSU: Das Oberlandesgericht München wirft der Zschäpe-Verteidigung Prozessverschleppung vor. Es seien immer wieder Anträge eingegangen, bei denen nicht nachvollziehbar sei, warum die Anwälte sie so spät stellten. Am heutigen Donnerstag erscheinen erneut der von Zschäpes Altverteidigern beauftragte Psychiater Faustmann und der Sachverständige Saß vor Gericht. Unklar sei, ob das Gericht Faustmann auch hören werde, notiert spiegel.de.
OLG Dresden – Gruppe Freital: Der im Verfahren gegen die rechtsextreme Gruppe Freital angeklagte Patrick F. hat vor dem Oberlandesgericht Dresden umfassend zu seinen Taten und den Tatbeiträgen der weiteren Angeklagten ausgesagt. Er habe im Wesentlichen die Vorwürfe der Anklage eingeräumt, schreibt zeit.de (Tilman Steffen).
BAG zu griechischen Spargesetzen: Wie das Bundesarbeitsgericht entschied, gelten griechische Spargesetze nicht in Deutschland. Im vorliegenden Fall hatte ein in Deutschland an einer griechischen Schule tätiger Lehrer dagegen geklagt, dass die griechische Regierung im Zuge der Spargesetze sein Gehalt kürzte und dabei die deutschen Tarifverträge missachtete. Griechenland müsse das entgangene Gehalt zuzüglich Zinsen nachzahlen, schreibt die SZ (Detlef Esslinger). Auch 17 weitere Lehrer seien von dem Vorgehen betroffen.
VGH Bayern zu Fahrt unter Cannabis: Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat entschieden, dass bei einer Fahrt unter Einfluss von Cannabis nur dann die Fahrerlaubnis entzogen werden könne, wenn eine medizinisch-psychologische Untersuchung ergibt, dass der Betroffene auch in Zukunft Fahren und Cannabiskonsum nicht trennen werde – entsprechend der Trunkenheitsfahrt. Dies meldet lto.de.
EuGH zu Hamburger Kohlekraftwerk: Die Stadt Hamburg habe gegen Unionsrecht verstoßen, weil sie nicht ausreichend prüfte, wie sich das (nun bereits aktive) Kohlekraftwerk Moorburg auf die Umwelt auswirke, bevor sie das Vorhaben genehmigte. Dies hat der Europäische Gerichtshof in einer Klage der Europäischen Kommission gegen die Bundesrepublik geurteilt. Die Kommission werde nun über Sanktionen entscheiden, melden die FAZ (Carsten Germis/mj.) und tagesschau.de.
LG Hannover – Landfriedensbruch: Wie die Welt (Sophie Mühlmann) schreibt, hat das Landgericht Hannover erklärt, dass die sechs Angehörigen einer libanesischen Großfamilie wegen gemeinsamer Angriffe auf Polizisten wohl zum größten Teil Bewährungsstrafen zu erwarten haben. Sie sind unter anderem wegen Landfriedensbruchs, Körperverletzung und Beleidigung angeklagt. Der Beitrag legt dar, warum die Strafmaße gerechtfertigt seien.
Interview mit Sven Thomas: Im Interview mit der Zeit (Stephan Lebert/Stefan Willeke) teilt der Strafverteidiger Sven Thomas nach fast 40-jähriger Praxis, auf was es ihm bei der Arbeit ankomme, wie er vorgehe und wie sich sein Blick auf den Strafprozess, das Strafrecht und Richter verändert habe. Er beantwortet zudem Fragen zu bekannten Fällen und seinem Verhältnis zu Mandanten.
Recht in der Welt
EU/Ungarn – Central European University in Budapest: Die EU-Kommission hat wegen eines umstrittenen neuen Hochschulgesetzes ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn eingeleitet. Die ungarische Regierung bedrohe mit der Gesetzesänderung die Central European University in Budapest und verstoße unter anderem gegen die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit sowie gegen das Recht auf Bildung, so SZ (Alexander Mühlauer) und FAZ (Michael Stabenow/Stephan Löwenstein).
Türkei – Klage gegen türkisches Referendum: Die türkische Oppositionspartei CHP plant, vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen das Verfassungsreferendum zu klagen, lässt zeit.de wissen. Die Abstimmung solle annulliert werden.
USA – Sanctuary Cities: US-Präsident Trump hat gegen die Verfassung verstoßen, als er in einem Dekret sogenannten "sanctuary cities", Gemeinden, die sich als Zufluchtsstätten für illegale Einwanderer verstehen, Bundeszuschüsse streichen und so ihre Praxis unterbinden wollte. Dies entschied ein Gericht in San Francisco – für Bundeszuschüsse sei nicht der Präsident, sondern der Kongress zuständig, melden spiegel.de und zeit.de. Die FAZ (Andreas Ross) resümiert Trumps Unmut über die einstweilige Verfügung – "lächerlich" – und über weitere Gerichtsentscheidungen, die seine Dekrete ausgehebelt haben.
EU/GB – Brexit und justizielle Strukturen: Die hessische Justizministerin Eva Kühne-Hörmann erinnert in einem FAZ-Gastbeitrag daran, dass der Brexit auch Konsequenzen für die justizielle Zusammenarbeit des Vereinigten Königreichs und der EU nach sich ziehen wird. Sie präsentiert Lösungen für ein effizientes, rechtssicheres Justizsystem und preist den Justizstandort Frankfurt am Main.
EU/GB – EFTA und Brexit: Der Präsident des Gerichtshofs der European Free Trade Association (EFTA) Carl Baudenbacher schildert in einem FAZ-Gastbeitrag, wie sich das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum zwischen EFTA-Staaten und der ehemaligen Europäischen Gemeinschaft entwickelt hat und hebt dessen Vorteile und Erfolge hervor. Er weist darauf hin, dass diese Struktur mit Blick auf den Brexit zu Rate gezogen werden sollte.
Österreich – Airbus: Die Wiener Staatsanwaltschaft hat ihre Ermittlungen in Sachen Eurofighter-Kauf ausgeweitet und verdächtigt nun den Airbus-Chef Thomas Enders des schweren Betrugs, meldet das Hbl (Hans-Peter Siebenhaar). Das österreichische Verteidigungsministerium hatte Anzeige erstattet, weil es davon ausgeht, dass Airbus es beim Verkauf der Kampfjets getäuscht habe.
Sonstiges
Rangliste der Pressefreiheit: Die Organisation Reporter ohne Grenzen hat ihre jährliche Rangliste der Pressefreiheit veröffentlicht. Demnach habe sich die Lage der Pressefreiheit im vergangenen Jahr in zwei Dritteln von 180 untersuchten Ländern verschlechtert. zeit.de skizziert, wie – auch demokratische – Staaten die Arbeit unabhängiger Journalisten gefährdeten.
"Jeder Anschlag auf die Pressefreiheit, jede Form der Zensur, jeder Versuch der Einschüchterung der freien Medien ist zugleich ein Attentat auf die demokratische Gesellschaft selbst", konstatiert Christian Bommarius (BerlZ). Er zieht aus der Rangliste den Schluss, dass es derzeit schlecht um die Demokratien stehe. In Deutschland manifestiere sich die Bedrohung in Form eines "Journalismus, der sich zunehmend als Unterhaltung versteht".
Europäisierung des Rechts: Der Direktor des Max-Planck-Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Armin von Bogdandy diagnostiziert in einem FAZ-Gastbeitrag eine "tiefe strukturelle Konfliktlinie" in Europarechtsfragen. Es biete sich eine Lösung hierfür, indem sich die EU-Staaten mehr auf die Verknüpfung von europäischen Raum und Recht besönnen: Es bedürfe einer Politisierung Europas aus dem Erreichten, um den Wert des europäischen Rechtsraums zu zeigen und weiter zu entwickeln.
Das Letzte zum Schluss
Teures Bad: Ein Mal "La dolce vita" (Fellini, 1960) nachspielen kann teuer werden: Eine Touristin musste für ihr Bad im Trevi-Brunnen 450 Euro bezahlen. Die Stadt Rom versucht, mit hohen Geldbußen ihre Sehenswürdigkeit zu schützen, meldet die SZ.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/vb
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 27. April 2017: Illegales Streamen erschwert / Vorgetäuschte Polizeikontrollen erlaubt / Journalisten gefährdet . In: Legal Tribune Online, 27.04.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22702/ (abgerufen am: 17.05.2024 )
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