Der Bundestag hat die Reform des Sexualstrafrechts mit dem Grundsatz "Nein heißt Nein" beschlossen. Außerdem in der Presseschau: Porträts der neuen Verfassungsrichterin Langenfeld und erneut Polizeigewalt in den USA.
Thema des Tages
Sexualstrafrecht: Der Bundestag hat die Reform des Sexualstrafrechtes beschlossen. Mit dem jetzt verabschiedeten Gesetz kann künftig wegen Vergewaltigung belangt werden, wer gegen den erkennbaren Willen der anderen Person handelt. Die Anwendung beziehungsweise Androhung von Gewalt oder das Ausnutzen einer schutzlosen Lage ist nicht mehr notwendig. Außerdem wird der Tatbestand der sexuellen Belästigung eingeführt. Strafbar macht sich dabei auch, wer eine Straftat dadurch fördert, dass er sich an einer Personengruppe beteiligt, die eine andere Person zur Begehung einer Straftat an ihr bedrängt. Letztere Regelung ist laut SZ (Constanze von Bullion), die von der Abstimmung im Bundestag berichtet, insbesondere auf Drängen der CDU aufgenommen worden.
Die taz (Simone Schmollack) beleuchtet die ausländerrechtlichen Folgen der Reform. Wer künftig wegen eines sexuellen Übergriffs zu einer Strafe von mindestens einem Jahr verurteilt wird, dürfte in der Regel sein Aufenthaltsrecht verlieren. Außerdem werden die entsprechenden Regelungen in anderen europäischen Ländern gegenübergestellt.
spiegel.de hat zusammengefasst, wie sich bei den jeweiligen Punkten der Reform, über die einzeln abgestimmt wurde, die Mehrheitsverhältnisse gestaltet haben. In einem kurzen Kommentar stellt Reinhard Müller (FAZ) fest, dass die nach den Kölner Vorfällen beschworene Strafbarkeitslücke so nicht bestanden habe. Und er mahnt, auch in Zukunft das Schuldprinzip zu achten. Niemand dürfe seine Unschuld beweisen müssen. Tanja Rest (SZ) kommentiert ebenfalls die Reform, allerdings deutlich positiver. Allein die widersprüchlichen Bewertungen - den einen sei sie zu lasch, den anderen zu scharf - spreche dafür, dass die Neuregelung mit Vernunft und Augenmaß erstellt wurde. Die Alternative, nämlich keine Reform, kann keiner ernsthaft wollen, so die Autorin.
In der taz (Simone Schmollack) wird Katja Grieger, Leiterin des Bundesverbandes der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe, und ihr jahrelanges Engagement für eine Reform des Sexualstrafrechtes vorgestellt.
Rechtspolitik
Integrationsgesetz: Der Bundestag hat das Integrationsgesetz beschlossen. Mit dem Gesetz soll die Integration von Flüchtlingen erleichtert werden. Zeit.de berichtet, dass die Integrationsbeauftragte Aydan Özoguz (SPD) schwere Mängel bei der Neuregelung ausmacht. Das Gesetz sei "unpräzise", da es zu wenig Rücksicht auf die Einzelfälle nehme, wird sie beispielsweise zitiert. Außerdem fordert Özoguz ein bundesweites Angebot an Orientierungskursen für alle Asylbewerber – und zwar unabhängig vom Herkunftsland und dem Status ihres Asylverfahrens.
Prostitutionsschutzgesetz: lto.de stellt das vom Bundestag beschlossene Prostitutionsschutzgesetz vor. Das neue Gesetz ist nicht unumstritten. So befürchten Kritiker, dass durch die vorgesehene Meldepflicht viele Prostituierte in die Illegalität getrieben werden.
Erbschaftsteuer: Das HBl (Jan Hildebrand/Donata Riedel) vermeldet, dass die Erbschaftsteuerreform wohl nicht wie geplant an diesem Freitag den Bundestag passieren wird, weil Landesregierungen mit SPD- und Grünen-Beteiligung das Gesetz nicht mittragen wollen.
Open-Data-Gesetz: netzpolitik.org (Markus Reuter) weiß, dass sich die Bundesregierung darauf geeinigt hat, bald den Entwurf eines Open-Data-Gesetzes vorzulegen. Bundesinnenminister de Maiziere soll bis zum Ende des Sommers einen entsprechenden Vorschlag erarbeiten, der die Behörden verpflichtet, bestimmte Daten, zum Beispiel Verkehrs-, Wetter- oder Geodaten, zur Verfügung zu stellen.
Justiz
Bundesverfassungsgericht: Christine Langenfeld soll neue Bundesverfassungsrichterin werden und damit Herbert Landau nachfolgen. Auch die SZ (Wolfgang Janisch) und die Badische Zeitung (Christian Rath) porträtieren jetzt die Juristin und weisen darauf hin, dass mit der Göttinger Rechtsprofessorin und Migrationsforscherin eine Konsenskandidatin für die CDU und für die Grünen gefunden wurde. Das ist auch notwendig, denn die Grünen sind an zehn Landesregierungen beteiligt und könnten damit Kandidaten, die nicht ihren Vorstellungen entsprechen, blockieren.
AG Köln zu Silvesterübergriffen: Im Zusammenhang mit den Vorfällen in der Silvesternacht sind zwei Täter wegen sexueller Nötigung verurteilt worden. Das Amtsgericht Köln verhängte eine Jugend- bzw. Freiheitsstrafe von jeweils einem Jahr. Die Strafen wurden zur Bewährung ausgesetzt, berichtet die FAZ (Rainer Burger) und spiegel.de. In der Silvesternacht hatten überwiegend aus Nordafrika stammende Täter am Kölner Hauptbahnhof und am benachbarten Dom sexuelle Übergriffe auf Hunderte Frauen sowie Raubdelikte verübt. Focus.de (Frank Gerstenberg) berichtet vom Prozess.
BVerfG zum BKA-Gesetz: Mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum BKA-Gesetz befasst sich Johanna Decher auf juwiss.de. Die dort aufgestellten Grundsätze würden auch auf die verfassungsrechtliche Bewertung der im neuen Anti-Terror-Gesetz vorgesehenen Maßnahmen, die die Autorin ebenfalls schon in Karlsruhe sieht, Anwendung finden.
BGH zum Maklerrecht: Die FAZ (Hendrik Wieduwilt) weist auf eine Entscheidung des BGH hin, nach der Maklerverträge widerrufen werden können, wenn sie im Internet abgeschlossen werden. Auf diese Weise könnten sich die Auftraggeber die Provision sparen. Die Entscheidung hat weitreichende Auswirkungen auf die Makler und könnte eine Klagewelle verursachen.
EuGH zum Markenrecht: FAZ (Hendrik Wieduwilt) und lto.de (Markus Hecht) stellen eine Entscheidung des EuGH vor, nach der der Betreiber eines Marktes für etwaige Markenrechtsverletzungen auf diesem Markt haftet. Mit dem Urteil haben die Luxemburger Richter die Rechtsprechung zu Online-Marktplätzen in die Offlinewelt übertragen. Das heißt, nicht nur die Verkäufer, sondern auch die Veranstalter eines Marktes können direkt für Markenrechtsverletzungen zur Verantwortung gezogen werden.
Insolvenzrecht: Das Hbl (Gertrud Hussla/Andreas Dörnfelder) porträtiert die Rechtsanwältin Bettina Schmudde. Sie ist die Insolvenzverwalterin des Brennstoffherstellers German Pellets, 17.000 Gläubiger stehen ihr gegenüber.
Recht in der Welt
Italien - Urteile zu Vatileaks: Im sogenannten Vatileaks 2-Prozess um die Veröffentlichung geheimer Dokumente zu möglicher Geldverschwendung im Vatikan ist das Urteil gefallen, berichtet spiegel.de. Ein Priester und eine PR-Expertin wurden für schuldig befunden und zu Haftstrafen verurteilt. Das Gericht des Vatikans erklärte, die ebenfalls angeklagten Journalisten könne man nicht belangen.
Österreich - Wahlanfechtung: Stephan Vesco, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Wien kritisiert auf verfassungsblog.de die Entscheidungsbegründung des österreichischen Verfassungsgerichtshofes zur Anfechtung der Präsidentschaftswahl. Das Gericht habe lediglich gefordert, dass die Unregelmäßigkeiten das Wahlergebnis hätten beeinflussen können. Dagegen fordert die Verfassung, so Vesco, dass die Rechtswidrigkeit "von Einfluss war". Ein realistischer Richter hätte deshalb die Anfechtung abzuweisen gehabt.
Frankreich - Arbeitsrechtsreform: Auf verfassungsblog.de beleuchtet Ibtissem Guenfoud die Verabschiedung der Arbeitsmarktreform in Frankreich am Parlament vorbei. Die Verfassung sieht diese Möglichkeit vor, im Gegenzug kann im Parlament die Vertrauensfrage gestellt werden. Das sei jedoch nicht geschehen, berichtet Guenfoud.
USA - Polizeigewalt: Die SZ (Nikolas Richter) berichtet über die beiden jüngsten Fälle von Todesschüssen weißer Polizisten auf schwarze Amerikaner. Das US-Justizministerium in Washington hat jetzt die Ermittlungen an sich gezogen. Dies geschieht immer dann, wenn mutmaßlich ein schwerer Verstoß gegen Bürgerrechte vorliegt und davon auszugehen ist, dass die örtlichen Behörden nicht bereit oder in der Lage sind, den Fall aufzuklären.
Russland - Anti-Terror-Gesetze: Wladimir Putin hat die Anti-Terror-Gesetze unterzeichnet, die die Speicherung aller elektronischen Kommunikationsdaten vorsehen, vermeldet die FAZ (Friedrich Schmidt). Bürgerrechtler, aber auch Telekommunikationsunternehmen hatten Putin aufgefordert, das Gesetzespaket nicht zu unterzeichnen.
Polen - Verfassungsgerichtsgesetz: Polen hat das im vergangenen Jahr beschlossene Gesetz über das Verfassungsgericht leicht nachgebessert, berichtet lto.de. Die EU hatte auch auf Grund des ursprünglichen Gesetzes ein Rechtstaatsverfahren eingeleitet. Mit den Nachbesserungen soll der Konflikt entschärft werden. Kritiker bemängeln allerdings, dass trotz der Änderungen das Gericht weiterhin in seiner Funktionsfähigkeit gelähmt bleibt.
Sonstiges
Frauenquote: Die FAZ (Hendrik Wieduwilt) berichtet von der Zwischenbilanz zur Frauenquote in Aufsichtsräten, die Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig und Bundesjustizminister Heiko Maas vorgestellt haben. Danach sind deutlich mehr Unternehmen von den Vorgaben betroffen als ursprünglich eingeschätzt wurde.
Das Letzte zum Schluss
Nackte Tatsachen: Um "des Kaisers neue Kleider" stritten sich zwei Nachbarn zuerst vor dem Amtsgericht, dann vor dem Landgericht Dortmund. Der Kläger hatte es satt, seinen Nachbarn regelmäßig "ganz ohne" und wie er sagte "in aufreizender Pose" durch den Garten spazieren zu sehen. In der ersten Instanz bekam er noch recht, vor dem Landgericht scheiterte er jedoch, meldet justillion.de. Der dortige Richter zweifelte daran, dass der Anblick eines nackten Mannes so schockierend sei, wie vom Kläger beschrieben. Von einer "ideellen Immission" könne keine Rede sein.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/pf
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 8. Juli 2016: Sexualstrafrecht verabschiedet / AG Köln zu Silvesterübergriffen / Wahlanfechtung in Österreich . In: Legal Tribune Online, 08.07.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19933/ (abgerufen am: 15.05.2024 )
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