Ab 2016 sollen Entscheidungen der Bundesgerichte für alle zugänglich sein. Außerdem in der Presseschau: Drogenbeauftragte für Rauchverbot in Autos mit Kind, Verfassungsreform in der Ukraine und Wettbewerbszentrale mahnt Zalando ab.
Thema des Tages
Zugang zu Entscheidungen: Die Juris GmbH, Marktführer unter den juristischen Online-Informationsdiensten, hat durch eine außergerichtliche Einigung mit Lexxpress ihre Vorzugsbehandlung bei der Belieferung mit Urteilen durch Bundesgerichte verloren. Ab Januar 2016 sollen die bislang für Juris exklusiv aufbereiteten Entscheidungen durch den, gemeinsam mit dem Justizministerium zu realisierenden, frei zugänglichen Webservice "Entscheidungen im Internet" veröffentlicht und anderen kommerziellen Weiterverwendern zur Verfügung gestellt werden.
Dies ist das Ergebnis eines jahrelangen Rechtsstreits, den der Geschäftsführer von Lexxpress, Christoph Schwalb, erst gegen den Bundesgerichtshof und dann gegen das Bundesverfassungsgericht führte. Er forderte, deren Entscheidungen in derselben Datenqualität wie Juris zu erhalten. In den Bundesgerichten arbeiten staatlich bezahlte Dokumentare, die Entscheidungen exklusiv für Juris datenbankgerecht aufarbeiten. Andere Anbieter müssen mit den nackten Urteilstexten vorliebnehmen.
Bereits im Mai 2013 gab der Verwaltungsgerichtshof Mannheim Schwalb recht und befand, dass die Bevorzugung eines Datenbankanbieters gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes verstößt. Dagegen legte das BVerfG Revision ein. Doch nun hat der Bund, der 50 Prozent der Anteile an Juris hält, der Einigung mit Lexxpress zugestimmt, die sich auf die Entscheidungen des BVerfG, der obersten Bundesgerichte und des Bundespatentgerichts erstreckt. Darüber berichtet das Handelsblatt (Daniel Gräber).
Rechtspolitik
Drohnenregulierung: Die Anwälte Juliane Hilf und Klaus Umbach berichten auf lto.de über die Bemühungen der Europäischen Union, die zivile Nutzung von Drohnen einheitlich zu regeln. Bislang gebe es 18 verschiedene Regelungen für Drohnen bis 150 Kilogramm, weil die Regulierungskompetenz hierfür bei den Mitgliedstaaten liege. Diese Kompetenzabgrenzung solle nun aufgehoben werden, um weitere Harmonisierungen möglich zu machen. Die European Aviation Safety Agency habe am Montag im Auftrag der Europäischen Kommission Regulierungsvorschläge unterbreitet, die bis Ende 2015 in einen konkreten Gesetzesvorschlag einfließen können.
Geheimdienstkontrolle: Martin Klingst (zeit.de) bezeichnet die von der großen Koalition beabsichtigte Beschäftigung eines "Ständigen Sachverständigen" für die Kontrolle der Geheimdienste als schönen Plan. Denn die Fülle der Skandale überfordere die parlamentarischen Kontrolleure. Selbst im besten Fall werde der Sachverständige aber nicht nach außen auftreten und keine Bewertungen abgeben dürfen. Herauskommen werde deshalb allenfalls ein "Sachverständiger light".
Reform der EU: Wie die SZ (Cerstin Gammelin u.a.) schreibt, unterstützt die Bundesregierung das Anliegen des französichen Wirtschaftsministers Emmanuel Macron, die Euro-Zone zu einer Wirtschafts- und Sozialunion mit einer stärker koordinierten Wirtschafts- und Steuerpolitik auszubauen. Dagegen sei an seinem Vorstoß zur Transferunion von deutschen Abgeordneten im Europaparlament kritisiert worden, dass eine Erfolgskontrolle von Krisenstaaten damit nicht mehr möglich sei.
Rauchverbot: Wenn Minderjährige im Auto mitfahren, soll künftig im Wagen ein Rauchverbot gelten, hat die Bundesdrogenbeauftragte Marlene Mortler gefordert. Unterstützung erhält sie vom Sprecher des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte Ulrich Fengler und der Krebsexpertin Martina Pötschke-Langer, die darauf hinweisen, dass die Gefahr des Passivrauchens in engen Räumen, wie dem Auto, immens sei. Auch in Großbritannien wird am 1. Oktober eine entsprechende Regelung in Kraft treten, berichtet die FAZ.
Gasförderung: Das Bundeswirtschaftsministerium hat am Montag einen Referentenentwurf für die Neuordnung der Kraft-Wärme-Kopplung verschickt. Danach sollen neue Kraftwerke, die neben Strom auch Wärme erzeugen, künftig nur noch dann gefördert werden, wenn sie dafür Gas verbrennen. Ein spezieller Bonus solle Betreiber dazu bringen, bei bestehenden Anlagen von Kohle auf Gas umzusteigen, meldet die SZ (Michael Bauchmüller).
Mittelstufe Plus: Das bayerische Kultusministerium hat mit der Schaffung der Mittelstufe Plus auf die Kritik am achtjährigen Gymnasium reagiert. 47 Modellschulen haben nun zwei neunte Klassen. Die Schüler haben die Wahl diese Klassenstufe zweimal zu besuchen, wovon bayernweit im Schnitt 60 Prozent Gebrauch machten. Dies betrachtet Die Welt (Thomas Sebatian Vitzthum) als starkes Signal an andere Bundesländer für die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium.
Justiz
LG Duisburg – Loveparade: lto.de gibt einen Überblick über den aktuellen Stand der juristischen Aufarbeitung der Loveparade-Tragödie. Neben dem Antrag des Feuerwehrmannes, der vom heutigen Dienstag an vor dem Landgericht Duisburg verhandelt wird, seien acht weitere Zivilklagen anhängig. Die strafrechtliche Aufarbeitung stecke nach wie vor im Zwischenverfahren fest.
LG Frankfurt a.M. zu Internetvertrieb: Das Handelsblatt (Florian Kolf) stellt Urteile vor, mit denen Gerichte Markenherstellern Grenzen für die Beschränkung des Internetvertriebs setzten. So habe das Landgericht Frankfurt a.M. dem Rucksackhersteller Deuter im August vergangenen Jahres untersagt, die Belieferung eines Händlers davon abhängig zu machen, dass dieser die Waren nicht über eine bestimmte offene Handelsplattform vertreibt. In einem kurze Zeit später gegen den Parfümhersteller Coty ergangenen Urteil bezeichnete das Gericht eine solche Regelung als Verstoß gegen das Kartellverbot.
FG Niedersachsen zu Datenabfragen: Nach einem Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts sind Sammelauskunftsersuchen des Fiskus an die Betreiber von Internethandelsplattformen zulässig, um Nutzerdaten zu erhalten. Darüber berichtet Marko Wieczorek im Handelsblatt.
AG München zu Reisepreisminderung: Wie lto.de schreibt, hat das Amtsgericht München entschieden, dass eine Änderung des Gesamtcharakters einer Kreuzfahrt durch eine wesentliche Abwandlung der Route zur Minderung des Reisepreises berechtigt.
BAW – Heidenau: Vor dem Hintergrund des von der Bundesanwaltschaft wegen den Gewaltakten in Heidenau eingeleiteten Prüfvorgangs beleuchtet die FAZ (Reinhard Müller) rechtsextreme Taten, bei denen der Generalbundesanwalt in der Vergangenheit die Strafverfolgung an sich gezogen hat und erläutert anhand dessen die Voraussetzungen. Bei der Frage, ob die Auswikungen der Tat dem Fall besondere Bedeutung verleihen, sei auch das äußere Ansehen Deutschlands zu berücksichtigen. Dieses werde beschädigt, wenn die Tat den Eindruck nach sich ziehe, dass Ausländern ein sicherer Aufenthalt in der Bundesrepublik nicht mehr möglich ist.
StA Hannover – Salzhemmendorf: Die FAZ (Reinhard Bingener) berichtet über das Ermittlungsverfahren wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit schwerer Brandstiftung gegen die drei Beschuldigten des Anschlags von Salzhemmendorf, denen vorgeworfen wird, einen Molotow-Cocktail in ein Asylbewerberheim geworfen zu haben. Je mehr über die Tatverdächtigen bekannt werde, desto deutlicher erscheine deren Verbindung zur lokalen rechten Szene.
StA Köln – Aktiendeals: Nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft Köln haben Banken und Fonds aus vielen Ländern jahrelang in riesigen Mengen Aktien mit (Cum) und ohne (Ex) Dividende ge- und verkauft, mit dem Ziel, eine jeweils nur einmal gezahlte Kapitalertragsteuer von deutschen Finanzämtern mehrmals erstattet zu bekommen. Die Ermittlungen müssten nun aufwendig geführt werden, obwohl ein Insider schon 2011 heiße Informationen angeboten habe, deren Ankauf auch rechtlich zulässig gewesen wäre. Diese Chace hätten die vom Bundesfinanzministerium mit dem Fall betrauten hessischen Behörden verpasst, schreibt die SZ (Klaus Ott).
Recht in der Welt
Ukraine – Verfassungsreform: Das Parlament in Kiew hat eine Verfassungsreform gebilligt, die den Regionen Donezk und Luhansk im Osten der Ukraine mehr Rechte, wie etwa den Aufbau einer sogenannten Volkspolizei, zugesteht. Dies war von den westlichen Partnerländern gefordert worden, berichtet zeit.de.
Spanien – Blutdiamanten: Wie die SZ meldet, ist erstmals in Europa ein Geschäftsmann wegen der Ausbeutung von afrikanischen Arbeitern für sogenannte Blutdiamanten per zwischenstaatlichem Haftbefehl festgesetzt worden. Der in Spanien festgenommener Belgier soll in Kürze nach Brüssel überstellt werden, wo er 2011 von ehemaligen Diamanten-Sklaven angezeigt worden war.
Russland – Snowden: WikiLeaks-Gründer Julian Assange hat bekannt gegeben, dass Edward Snowden im Juli 2013 auf Veranlassung von WikiLeaks zusammen mit dem bolivianischen Staatschef Evo Morales geheim aus Russland ausgeflogen werden sollte. Dieser sei bereit gewesen, Snowden Asyl zu gewähren. Wie spiegel.de schreibt, scheiterte der Plan, als klar wurde, dass europäische Regierungen den Überflug von Morales sperren wollten.
Sonstiges
Kirchenasyl: In einer Handreichung der Bischofskonferenz ermahnen die katholischen Bischhöfe ihre Gemeinden zu einem vorsichtigen Umgang mit dem Kirchenasyl. Das Instrument sei ein letztes Mittel und beanspruche kein Sonderrecht gegenüber dem Staat, gibt die SZ (Matthias Drobinski) wieder.
Zalando abgemahnt: Die Wettbewerbszentrale in Hamburg hat Zalando abgemahnt, weil der Online-Modehändler darauf hingewiesen hatte, dass es mit dem Angebot eines bestimmten Produktes knapp werden könnte, wenn der Kunde nicht gleich zugreift. Tatsächlich waren aber mehr als die angegebenen Artikel verfügbar. Darin sah die Wettbewerbszentrale eine Irreführung des Verbrauchers, wie die SZ (Michael Kläsgen) schreibt.
Das Letzte zum Schluss
Sexistische Beleidigungen: Diese Form von Beleidigungen scheint sich bei Verkehrskontrollen zu häufen. Nachdem schon die Bezeichnung eines Polizisten als "Du Mädchen" als Beleidigung anerkannt wurde, wird nun von dem Fall eines uneinsichtigen Autofahrers berichtet, der bei einer Tempokontrolle zu einer Polizistin sagte: "Mit Frauen als Polizisten unterhalte ich mich nicht. Gehen Sie nach Hause und kochen Sie Ihrem Mann ein Ei." Nachdem er in erster Instanz noch frei gesprochen worden war, stellte das Landgericht Bochum das Verfahren in der Berufungsinstanz gegen Zahlung einer Geldauflage von 300 Euro ein. Der Angeklagte hatte zuvor argumentiert, der Satz sei so nicht richtig. Er will gesagt haben: "Mit Frauen in Uniformen rede ich nicht. Hau ein Ei drüber und die Sache ist erledigt", weiß Justillon (Stephan Weinberger).
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ml
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 1. September 2015: Juris verliert Exklusivzugang – Rauchverbot im Auto – Abmahnung für Zalando . In: Legal Tribune Online, 01.09.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16765/ (abgerufen am: 26.04.2024 )
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