Ab Dienstag stehen fünf Vorstandschefs der Deutschen Bank vor Gericht. Damit kündigt sich der wohl größte Wirtschaftsprozess seit dem Mannesmann-Verfahren an. Außerdem in der Presseschau: Kritik zur Zusammenarbeit von BND und NSA, Geständnis im Fall Tuğçe, warum der Anfang vom Ende der Todesstrafe in den USA nahen könnte und wie "entgegenkommend" Middelhoffs vermeintliche Mäzene auf Presseanfragen reagieren.
Thema des Tages
Deutsche Bank-Prozess ab Dienstag: Am Dienstag beginnt vor dem Landgericht München I der Strafprozess gegen Deutsche Bank-Chef Jürgen Fitschen und vier Ex-Vorstände, darunter Josef Ackermann. Die fünf Manager sollen systematisch Richter getäuscht haben, um Schadensersatzklagen an die Erben des Medienriesen Leo Kirch abzuwehren. Sie sind teils wegen versuchten Prozessbetrugs, teils wegen uneidlicher Falschaussage verdächtig. Die Montags-FAZ (Joachim Jahn) und die FAS (Corinna Budras) stellen den "hochkomplexen und von Besonderheiten geprägten" Sachverhalt vor. Der Deutschen Bank selbst droht als Nebenbeteiligte im Verfahren ein Bußgeld in Millionenhöhe.
Rechtspolitik
Zusammenarbeit BND/NSA: Dass der BND der NSA bei der illegalen Spionage gegen Regierungen und Unternehmen in Westeuropa und Deutschland geholfen hat, wusste die Bundesregierung offenbar schon seit 2008. Das schreibt die Montags-taz (Christian Rath) unter Bezug auf die Bild am Sonntag.
In einem gesonderten Kommentar fordert Christian Rath (Montags-taz), die Bundesregierung müsse nun darstellen, was sie nach 2008 unternommen hat. Es könne hier einige Überraschungen geben. Thomas Stadler (internet-law.de) meint: "Die tatsächliche Aufgabe der deutschen Dienste ist es, genau diese Art der Spionage abzuwehren und zu verhindern." Heribert Prantl (Montags-SZ) ist empört: "Der BND hat sich zum Deppen gemacht." Hätte ein Journalist oder einen privater Geschäftemacher Geheimnisse an die NSA weitergeleitet, stünden erhebliche Straftaten im Raum. Prantl fordert ein stärkeres G-10-Gremium, das die Eingriffe in Kommunikationsgrundrechte überwacht.
Tarifeinheit: Den Konflikt zwischen GDL und der Bahn nimmt Detlef Esslinger (Samstags-SZ) zum Anlass, sich mit dem Gesetzentwurf zur Tarifeinheit zu befassen. Der Entwurf tue so, als löse er das Problem. "In Wahrheit schafft er ein neues: Will der Staat allen Ernstes, dass Gewerkschaften künftig die Zahl ihrer Mitglieder in einem (wie auch immer definierten) Betrieb offenlegen müssen – mit der Folge, dass Arbeitgeber viel besser als bisher das Drohpotenzial einer Gewerkschaft abschätzen können?"
V-Leute und verdeckte Ermittler: Der Juraprofessor Ralf Poscher kritisiert im Spiegel-Interview die geplanten Sonderrechte für V-Leute und verdeckte Ermittler. Der momentane Entwurf lese sich wie eine "Blankobefugnis für die Begehung jeglicher Straftat, die sich nicht gegen Leib und Leben, Freiheit oder Eigentum richtet".
Klagerechte bei Infrastrukturprojekten: Die Union will einer Meldung des Spiegel zufolge die Klagemöglichkeiten der Bürger bei Infrastrukturprojekten einschränken, um etwa die Sanierung maroder Brücken oder Autobahnen zu erleichtern. Der Vorschlag lautet, für bestimmte Projekte nur noch eine Klageinstanz direkt beim Bundesverwaltungsgericht vorzusehen.
Anti-Terror-Gesetze: Auch lto.de stellt das am vergangenen Donnerstag vom Bundestag verabschiedete Anti-Terror-Paket vor.
Justiz
LG Darmstadt - Fall Tuğçe: Beim Prozessauftakt am vergangenen Freitag im Fall Tuğçe hat der vor dem Landgericht Darmstadt wegen Körperverletzung mit Todesfolge angeklagte Sanel M. gestanden, Tuğçe A. geohrfeigt zu haben. Sichtlich bewegt habe er sich für seine Tat entschuldigt, schreibt die Samstags-SZ (Susanne Höll). Es berichten zudem unter anderem die FAS (Timo Frasch), die Samstags-taz (Alina Leimbach) und lto.de.
BSG zum Datenabgleich bei Hartz-IV-Empfängern: Jobcenter dürfen Daten von Hartz-IV-Empfängern regelmäßig zur Missbrauchsvermeidung automatisch mit Behörden abgleichen, um Kapitalerträge zu überprüfen. Das hat das Bundessozialgericht am vergangenen Freitag entschieden, wie die Samstags-SZ meldet.
AG Nienburg zu Dashcams: Mit dem Urteil des Amtsgerichts Nienburg zur strafprozessualen Verwertbarkeit von Videoaufnahmen befasst sich nun auch lto.de. Das AG hatte die kurze anlassbezogene Aufzeichnung von Fahrzeugen für rechtmäßig erklärt und damit Beweiserhebungs- sowie -verwertungsverbot verneint.
Lebenslang freigesprochen: Der Spiegel (Gisela Friedrichsen) schildert neue Entwicklungen im Fall eines 1981 in der Nähe von Celle ermordeten Mädchens. Der damals Verdächtige war 1983 in einem Indizienprozess freigesprochen worden. 2013 durchgeführte DNA-Untersuchungen belasten den rechtskräftig Freigesprochenen nunmehr erneut schwer; ohne ein Geständnis ist ein neues Strafverfahren aber nicht möglich. Der Vater des Mädchens möchte nun ein Zivilverfahren bemühen, um die Tatsachen erneut überprüfen zu lassen. Beruft sich der Verdächtige auf die Einrede der (hier nach dreißig Jahren eingetretenen) Verjährung, hätte auch ein Zivilverfahren wohl keinen Erfolg.
Recht in der Welt
USA – Todesstrafe/Hinrichtungsmethoden: Kommt das Ende der Todesstrafe, wenn amerikanische Gerichte mehr und mehr Hinrichtungsmethoden für rechtswidrig erklären? Vorsichtig optimistisch ist US-Anwalt Dale Baich, der erfolgreich die Aufschiebung der Exekution eines US-Häftlings unter Einsatz des Wirkstoffs Midazolam erwirkt hat. Der Spiegel (Markus Feldenkirchen) berichtet.
USA – Haarproben: Auch die FAS (Georg Rüschemeyer) schreibt über den Skandal um falsche Haaranalysen des FBI – und lässt den Juristen Hanjo Hamann vom Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern zu Wort kommen: "Die meisten Juristen haben von den empirischen Wissenschaften weder Ahnung, noch interessieren sie sich dafür", so Hamann.
Luxemburg – Lux-Leaks: Nachdem Journalisten im November 2014 enthüllten, wie Luxemburg die "Steuerflucht für insgesamt 342 Konzerne organisiert hatte" (sogenannte Lux-Leaks), will ein Luxemburger Ermittlungsrichter einen französischen Journalisten anklagen. Das schreibt die Samstags-SZ (Hans Leyendecker). Der Journalist soll als Whistleblower "Mittäter oder Komplize" der Lux-Leaks gewesen sein.
USA – Loretta Lynch: Die Samstags-FAZ (Andreas Ross) stellt die neue US-Justizministerin Loretta Lynch vor. Die bisher in New York als Bundesstaatsanwältin tätige Lynch habe sich über die Parteigrenzen hinweg den Ruf der "geradlinigen, resoluten Verteidigerin des Rechts" erworben – und sei nun die erste schwarze Frau, die "eines der mächtigsten Ämter in Amerika" bekleiden wird.
Österreich – Grundrechteagentur: Die Samstags-FAZ (Stephan Löwenstein) stellt die Arbeit der EU-Grundrechteagentur in Wien vor. Der EU-Rat rief die Agentur 2007 ins Leben; sie soll Mitgliedstaaten und Öffentlichkeit über Missstände informieren und Lösungsmöglichkeiten vorschlagen. Der Artikel spricht auch den Streit um die Legitimation der Agentur an.
Sonstiges
Überwachung per Fitness-App: Dürfen Arbeitgeber die Gesundheit ihrer Mitarbeiter per Fitness-Apps überwachen? Nein, so die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff gegenüber der Berliner Zeitung (Jonas Rest/Eva Roth). Voßhoff widerspricht damit der Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD), die für eine wirksame datenschutzrechtliche Einwilligung niedrigere Hürden ansetzt.
Staatsgründung/Liberland: Staatsvolk, Staatsgebiet, Staatsgewalt – Georg Jellineks Drei-Elemente-Lehre ist aus dem ersten Semester Jura bekannt. Doch was heißt das für eine Anerkennung als Staat im Detail? Patric Urbaneck erklärt auf lto.de, was es mit der im Grenzgebiet Serbien/Kroatien kürzlich proklamierten "Freien Republik Liberland" auf sich hat – und wie es staats- und völkerrechtlich um sie steht.
Tötung männlicher Kälber: Über illegale Methoden der Tierindustrie, "nicht rentable" männliche Kälber zu töten, berichtet der Spiegel (Lukas Koschnitzke/Michaele Schiessl – Zusammenfassung). Zwar ist es in Deutschland verboten, Wirbeltiere ohne vernünftigen Grund zu töten – die Realität sehe aber anders aus.
Portrait Kleindiek: Der Focus (Andreas Niesmann) portraitiert Ralf Kleindiek (SPD), der als Hamburger Staatsrat die Klage gegen das Betreuungsgeld vor dem Bundesverfassungsgericht vorbereitet hatte und jetzt als Staatssekretär im Bundesfamilienministerium in derselben Klage die Gegenposition einnimmt. "Ich habe nicht die Aufgabe, meine persönlichen Belange zu vertreten", so Kleindiek.
Tyrannentötung/Strafverfolgung bei NS-Verbrechen: Justizminister Heiko Maas (SPD) befürwortet in einem Gastbeitrag für die FAS den Strafprozess gegen den 93-jährigen einstigen SS-Mann Oskar Gröning, der wegen mutmaßlicher 300.000-facher Beihilfe zum Mord vor dem Landgericht Lüneburg Gericht steht. Anlässlich eines Kinofilmes über den Hitler-Attentäter Georg Elser zeichnet Maas schließlich die Geschichte der Frage nach, ob ein "Tyrannenmord" gerechtfertigt sein kann.
Das Letzte zum Schluss
Entgegenkommender Umgang mit Presseanfragen: Wer zahlt die knappe Million Kaution für die Haftentlassung von Thomas Middelhoff? Vielleicht ja der Hamburger Pflegeheimbetreiber Ulrich Marseille, wie der Spiegel noch am Freitag herausgefunden haben will. Eine Pressenanfrage des Spiegel wollte die Klinikbetreiberin aber nur gegen eine Gebühr von 199,20 Euro beantworten. Man habe für den Spiegel "entgegenkommender Weise nur die Mindestsätze unserer Preisliste veranschlagt". Darauf ließ der Spiegel sich aber nicht ein. Die Montags-SZ (Uwe Ritzer) hatte da mehr Erfolg. Marseille verriet ihr am Sonntag: Er beteiligt sich nicht an der Kaution.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/fr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 25. bis 27. April 2015: Deutsche Bank-Prozess ab Dienstag – Kritik am BND – Geständnis im Fall Tuğçe . In: Legal Tribune Online, 27.04.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15352/ (abgerufen am: 16.05.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag