In Österreich kommt ein "Islamgesetz", das einen Islam "österreichischer Prägung" schaffen und zugleich die Radikalisierung junger Menschen verhindern soll. Außerdem in der Presseschau: Die Mietpreisbremse ist beschlossen, die Chancen im Fall Kachelmann gegen Springer, die Hartz-IV-Berechnung für Wohnkosten kommt erneut vor das BVerfG und ein ziemlich eindringlicher Richter.
Thema des Tages
Österreich – Islamgesetz kommt: Österreichs Parlament hat ein "Islamgesetz" beschlossen, das Muslimen einen ähnlichen Schutz wie anderen Religionsgemeinschaften garantieren, einen Islam "österreichischer Prägung" schaffen und die Radikalisierung junger Menschen verhindern soll. Das Gesetz verbietet eine Finanzierung religiöser Funktionsträger aus dem Ausland und verpflichtet zur Offenlegung der Glaubenslehre in deutscher Sprache. Es berichten die SZ (Roland Preuss), die FAZ (Christian Geinitz), die taz (Ralf Leonhard), die Welt (Dietrich Alexander) und spiegel.de.
"Solche Fragen werden in Deutschland erst lösbar sein, wenn die Muslime eine Form der rechtlichen Selbstorganisation finden und der Islam eine Körperschaft des öffentlichen Rechts wird", merkt Rainer Hermann (FAZ) in einem Kommentar zum österreichischen Gesetz an.
Rechtspolitik
Mietpreisbremse beschlossen: Das Gesetz zur Mietpreisbremse soll im März vom Bundestag verabschiedet werden und könnte im April in Kraft treten. Das hat der schwarz-rote Koalitionsausschuss beschlossen. Mieten in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt sollen danach die ortsübliche Vergleichsmiete um höchstens zehn Prozent übersteigen dürfen. Zudem muss den Makler bezahlen, wer ihn bestellt hat (Bestellerprinzip). Es berichten die FAZ (Joachim Jahn u.a.), die SZ (tö) und zeit.de (Lisa Caspari).
Joachim Käppner (SZ) begrüßt die Mietpreisbremse im Ergebnis und bezeichnet sie als "ein sinnvolles Instrument unter vielen im föderalen System, die letztlich nichts Geringeres bewahren wollen als den sozialen Frieden. Michael Fabricius (die Welt – Onlinefassung) befürchtet hingegen, die Mietpreisbremse werde nur Gutverdienern helfen.
Erbschaftsteuer: Zu den Reformplänen in Sachen Erbschaftsteuer berichtet das Handelsblatt (Daniel Delhaes u.a.) ausführlich, außerdem die SZ (Claus Hulverscheidt). "Betriebsnotwendiges Vermögen" solle künftig grundsätzlich zu hundert Prozent von der Steuer befreit sein. Bei der Weitergabe von Großbetrieben solle deutlich strenger und in jedem Einzelfall geprüft werden, ob ein Steuererlass notwendig und angemessen ist. Man rechne schon im Finanzministerium damit, dass der Gesetzentwurf wieder vor dem Bundesverfassungsgericht landen wird.
Freihandelsabkommen – Diskussion um Schiedsgerichte: Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) und die sozialdemokratischen EU-Handelsminister haben sich in der Diskussion um das zwischen der EU und Kanada geplante Freihandelsabkommen Ceta für einen Investitionsgerichtshof statt privater Schiedsgerichte ausgesprochen. Der Investitionsschutz solle keine Möglichkeit zur Anfechtung nationaler Gerichtsentscheidungen bieten; Schiedsgerichte dürften nicht "de facto als oberstes Gericht" fungieren. lto.de berichtet. Auch in der Zeit fordern Sebastian Dullien und Jakob von Weizsäcker einen Gerichtshof mit unabhängigen, hauptamtlichen Richtern.
Sabine Konrad schließlich, Richterin am Weltbank-Schiedsgericht, hält im Handelsblatt-Interview (Christoph Schlautmann) die Kritik an einem TTIP-Schiedsgericht für absurd: Investitionsschutzabkommen hinderten die Regierungen mitnichten, ordnungspolitisch tätig zu werden und neue Gesetze zu erlassen. Es sei außerdem sinnvoll, die Schiedsrichter- und Anwaltstätigkeit zu verbinden.
Entgeltgleichheitsgesetz: Um das hohe Lohngefälle zwischen Männern und Frauen einzuebnen, will Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) in diesem Jahr laut Welt (Sabine Menkens) ein "Entgeltdiskriminierungsgesetz" vorstellen. Kritiker monieren, Entgeltdiskriminierung sei bereits nach geltendem Tarifrecht verboten.
Anti-Doping-Gesetz: Rechtsanwalt Michael Lehner äußert sich im taz-Interview (Johannes Kopp) zu den Schwachstellen im Entwurf des Anti-Doping-Gesetzes. Die Schnittstellen zwischen Sportrecht und staatlichem Recht müssten etwa harmonisiert werden. Datenschutzrechtlich bedenklich sei weiter, dass die Nationale Anti-Doping-Agentur Einblick in staatliche Ermittlungen erhalten könne.
Justiz
BFH zum Arbeitszimmer eines Pensionärs: Auch Rentner können Aufwendungen für ein Arbeitszimmer im Keller bei Einkünften aus selbstständiger Tätigkeit steuerlich geltend machen. Das hat der Bundesfinanzhof entschieden und damit einem Pensionär Recht gegeben, der als Gutachter arbeitet. Das Arbeitszimmer im Keller habe den Mittelpunkt der Tätigkeit des Klägers gebildet. lto.de berichtet.
LG Köln – Schadensersatzprozess Kachelmann: Zum Verhandlungsbeginn des Schadensersatzprozesses Jörg Kachelmann gegen Springer vor dem Landgericht Köln wegen der Berichterstattung um den Vergewaltigungsprozess schreibt die Badische Zeitung (Christian Rath): "Kachelmann hat gute Chancen, dass das Kölner Landgericht zumindest teilweise seinen Forderungen stattgibt." Dutzende der Artikel seien bereits Gegenstand von Unterlassungsverfahren gewesen. Wie lto.de meldet, hat das LG die Parteien zur gütlichen Einigung angeregt.
LG München zu islamistischer Mutter: Wegen Kindesentzugs hat die Staatsschutzkammer des Landgerichts München die 30-jährige Mutter Andrea B. zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Im vergangenen Jahr war B. mit ihren beiden kleinen Töchtern aus Immenstadt im Allgäu nach Syrien gegangen, um sich dort dem Dschihad anzuschließen. Den Tatbestand der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat sah das LG nicht als erfüllt an. Es berichten die FAZ (Alexander Haneke) und die taz (Lisa Schnell).
SG Mainz zu Hartz-IV: Das Sozialgericht Mainz hat der SZ (Wolfgang Janisch) zufolge das Bundesverfassungsgericht angerufen, weil es Teile der Leistungen für verfassungswidrig hält. Konkret geht es um die gesetzlichen Regelung zur Kosten der Unterkunft, die möglicherweise nicht die Vorgaben des BVerfG erfüllt, namentlich "ein transparentes, realitätsgerechtes und nachvollziehbares Verfahren zur Berechnung der Leistungen". Der Vorlagebeschluss liege der SZ vor, er spreche von der geltenden Norm als einer "Gesetzesattrappe" mit "geringstmöglicher Regelungsdichte".
ArbG Solingen zur Verdachtskündigung bei strafrechtlicher Verurteilung: Ein Arbeitnehmer kann seinen Arbeitgeber mit dem Ziel verklagen, dieser solle einem anderen Arbeitnehmer kündigen. Doch bindet eine strafrechtliche Verurteilung auch die Feststellung der Arbeitsgerichte, um ein Arbeitsverhältnis zu beenden? Nicht zwingend: Julian Köster-Eiserfunke bespricht auf lto.de einen Fall, in dem dem Arbeitsgericht Solingen Verdachtsmomente zur Kündigung nicht ausreichten – trotz erstinstanzlicher strafrechtlicher Verurteiltung wegen sexuellen Missbrauchs.
LG Essen – Achenbach-Prozess: Das Urteil im spektakulären Betrugsprozess gegen den Düsseldorfer Kunstberater Helge Achenbach vor dem Landgericht Essen fällt offenbar schon früher: Wie die FAZ (Andreas Rossmann) meldet, wird es für den 16. März erwartet.
LG Ingolstadt – Mord an zwölfjährigem Mädchen: Ein vor dem Landgericht Ingolstadt wegen Mordes Angeklagter Mann hat ein Geständnis abgelegt, wonach er ein zwölfjähriges Mädchen im Februar vergangenen Jahres in Neuburg an der Donau vergewaltigt und zur Vertuschung der Tat erschlagen haben soll. Zum Prozess berichten die FAZ (Karin Truscheit) und spiegel.de (Gisela Friedrichsen).
Edathy-Ausschuss übergibt Vernehmungsprotokolle an StA: Wegen Vorermittlungen gegen den SPD-Politiker Michael Hartmann übergibt der Untersuchungsausschuss des Bundestages zur Edathy-Affäre seine Vernehmungsprotokolle an die Staatsanwaltschaft. Das wurde laut FAZ (Majid Sattar – ausführlichere Onlinefassung) am Mittwoch nach einer nichtöffentlichen Sitzung des Gremiums in Berlin bekannt. Hartmann steht im Verdacht der Strafvereitelung; er soll Edathy mehrfach über den Stand der Ermittlungen gegen ihn informiert haben.
Recht in der Welt
Ägypten – Anti-Terrorismus-Gesetz: Ägypten erlaubt es laut SZ (Paul-Anton Krüger) künftig, auf Antrag der Staatsanwaltschaft Personen und Organisationen als terroristisch einzustufen, die versuchen, "die öffentliche Ordnung zu destabilisieren" oder das "Wohlergehen der Gesellschaft zu gefährden".
Paul-Anton Krüger (SZ) bezeichnet das Gesetz in einem gesonderten Kommentar als "ein Sammelsurium von Gummibegriffen"; es rücke jedes Verhalten in die Nähe des Terrorismus, mit dem Protest zum Ausdruck gebracht werden kann. Daraus entstehe ein "Regime der Angst und Paranoia".
Jamaika – kleine Mengen Marihuana: Jamaika will den Konsum kleiner Mengen Marihuana nicht mehr strafrechtlich verfolgen. Das dortige Parlament beschloss am Dienstagabend eine Gesetzesänderung, die den Besitz von bis knapp sechzig Gramm Cannabis (zwei Unzen) nicht mehr ahndet. Das meldet spiegel.de.
Sonstiges
Kirchenasyl: Zum behördlichen Umgang mit dem Kirchenasyl und zur Rechtslage informiert lto.de (Daniel Grosse). Strafrechtliche Konsequenzen gegen Kirchenmitglieder sowie Einschreiten der Vollzugsbehörden seien selten. Die sechsmonatige Frist zur – durch das Kirchenasyl vereitelte – Überstellung in das Einreiseland könne das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge aber auf 18 Monate verlängern. Hintergrund: Nach Ablauf dieser Frist ist nicht mehr das ursprüngliche Einreiseland, sondern das Aufenthaltsland für das weitere Verfahren zuständig.
Das Letzte zum Schluss
Auf Vergleich gebürstet: Von einem auf "gütliche" Streitbeilegung besonders erpichten Richter berichtet justillon.de (Stephan Weinberger). Der habe dem Kläger mit einigem Druck zum Vergleich bewegen wollen: "Seien sie vernünftig. Sonst müssen wir Sie zum Vergleich prügeln"/"Ich reiße Ihnen sonst den Kopf ab", und schließlich: "Sie werden sonst an die Wand gestellt und erschossen". Der Kläger focht den Vergleich später an, was das Bundesarbeitsgericht dann auch bestätigte.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/fr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 26. Februar 2015: Islamgesetz in Österreich – Mietpreisbremse kommt – Hartz-IV-Wohnkosten wieder in Karlsruhe . In: Legal Tribune Online, 26.02.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14795/ (abgerufen am: 06.05.2024 )
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