Der Uber-Schreck LG Frankfurt setzt nun auch myTaxi Grenzen. Außerdem in der Presseschau: RAF-ler auf Raubtour für die Rente, EGMR billigt Abschiebung nach Guinea, Serini nervt Noll und differenzierte Weltbetrachtung nach Fischer.
Thema des Tages
LG Frankfurt zu myTaxi-Rabatten: Die Rabattaktion von myTaxi - Rückerstattung von 50 Prozent des Fahrpreises, wenn eine Fahrt über die App gebucht wird - hat das Landgericht Frankfurt wegen Verstoßes gegen die Preisfestlegung des Personenbeförderungsgesetzes untersagt. Das meldet lto.de und zeigt die unterschiedliche Rechtsprechung zu klassischem Taxibetrieb und seiner Konkurrenz aus dem Internet auf. Auch SZ (Jan Willmroth), FAZ (ols Onlinemeldung) und Hbl (Lukas Bay) schreiben zu der Entscheidung. Jan Heidtmann (SZ) verweist darauf, dass die Rechtsansicht des Gerichts keineswegs zwingend sei und bezweifelt, dass die Entscheidung tatsächlich vorteilhaft für den Verbraucher ist, wie der Kläger, Taxi Deutschland, behauptet.
Rechtspolitik
Sichere Herkunftsländer: Vor dem Hintergrund der Diskussion um Marokko und Algerien als sichere Herkunftsländer lässt die taz (Reiner Wandler) Menschenrechtler zu Wort kommen, die unter anderem von willkürlichen Verhaftungen gewaltloser politischer Aktivisten, Verfolgung Homosexueller und Folter in beiden Staaten berichten.
Anwälte gegen Asylpaket II: In einem Brief an Bundesjustizminister Maas protestieren 218 Rechtsanwälte gegen die im sogenannten Asylpaket II geplanten Regelungen. Diese seien teilweise verfassungswidrig und entrechteten durch Schnellverfahren eine große Anzahl von Flüchtlingen. Das meldet die SZ (beka).
Justiz
BVerfG – OMT: Der Notar Christoph Moes macht sich auf verfassungsblog.de Gedanken darüber, wie das Bundesverfassungsgericht gesichtswahrend aus der Situation heraus kommen kann, in die es mit der OMT-Vorlage zum Europäischen Gerichtshof und dessen zurückhaltender Antwort geraten ist. Am 16. Februar findet die mündliche Verhandlung statt und die Entscheidung werde ein Leckerbissen "für die Frende der Kunst des Zurückruderns".
BVerfG und Asylrecht: Der Bundestagsabgeordnete und Rechtsprofessor Heribert Hirte kritisiert das Bundesverfassungsgericht dafür, dass es zu viele Einzelfragen des Asylrechts zu Verfassungsfragen mache und das Asylrecht zu liberal ausgestalte. Das Ansinnen eines Verfassungsverstoßes durch mangelnde Reaktion auf die Zuwanderung – etwa im Di Fabio-Gutachten – mache das Gericht ebenfalls unzulässiger Weise zum Ersatzgesetzgeber. So ließen sich mit der "Drohung mit Karlsruhe" politische Lösungsvorschläge sabotieren. Es berichtet die FAZ (Joachim Jahn).
BGH zu Vorfälligkeitsentschädigung: Der Bundesgerichtshof hat eine Klausel aus Darlehensverträgen der Sparkasse Aurich-Norden gekippt. Danach sollten Sondertilgungen der Verbraucher bei vorzeitigen Darlehensrückzahlungen in die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nicht zu Gunsten der Verbraucher einfließen, obwohl die Bank Sondertilgungsrechte eingeräumt hatte. Das melden u.a. HBl (Laura de la Motte), Welt (Norbert Schwaldt) und FAZ (Joachim Jahn).
OLG München – NSU: Am Montag hat die Verteidigung des im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München angeklagten Ralf Wohlleben erneut seine Freilassung beantragt. Nachdem er die Fragen aller Prozessbeteiligten beantwortet habe, sei dringender Tatverdacht nicht mehr zu begründen. Mit einer Freilassung sei jedoch auch diesmal nicht zu rechnen, schreibt die SZ (Annette Ramelsberger).
OLG Düsseldorf – Lohberger-Brigade: Ab dem heutigen Mittwoch muss sich zum ersten Mal ein Mitglied der sogenannten Lohberger-Brigade vor Gericht verantworten. Der 25-Jährige soll von Oktober 2013 bis November 2014 als Mitglied des IS in Syrien gewesen sein und dort unter anderem in einem IS-Gefängnis gearbeitet und als Teil des sogenannten "Sturmtrupp" Deserteure und Abweichler gejagt haben. Es berichtet die taz (Sabine am Orde).
LG München I – Deutsche Bank-Prozess: Die SZ (sry) berichtet über das Prozessverhalten von Oberstaatsanwältin Christiane Serini im Deutsche Bank-Prozess. Sie hatte zuletzt gefordert, es müsse ermittelt werden "wozu auch immer" die angeklagten (Ex-)Manager der Bank im Schadensersatzprozess gegen Leo Kirch falsch ausgesagt hätten. Auch der Vorsitzende Richter Noll wirke mittlerweile genervt und habe bei der Verlesung eines Beweisantrags nach eigener Angabe "innerlich die Stirn gerunzelt". Auch die FAZ schreibt dazu.
LG Augsburg – Laboraffäre: Im Verfahren gegen den Laborunternehmer Schottdorf und dessen Frau wegen überhöhter Laborrechnungen hat die Staatsanwaltschaft Revision gegen das freisprechende Urteil des Landgerichts Augsburg eingelegt, meldet die taz.
LG Bremen – Reeder Stolberg: Über den am heutigen Mittwoch beginnenden Prozess vor dem Landgericht Bremen gegen den Reeder Niels Stolberg unter anderem wegen Bilanzfälschung, Kreditbetrug und Untreue schreibt nun auch die FAZ (Christian Müssgens). Mittwoch nächster Woche will sich Stolberg selbst äußern.
StA Verden – 3. Generation RAF: Ein halbes Jahr nach einem versuchten Überfall auf einen Geldtransport in der Nähe von Bremen ist in Wolfsburg ähnliches versucht worden. DNA-Analysen haben laut der Staatsanwaltschaft Verden ergeben, dass es sich bei den Tätern in beiden Fällen um die drei letzten noch gesuchten Mitglieder der 3. Generation der RAF handeln könnte. Dazu schreiben spiegel.de (Michael Sontheimer) und taz (Konrad Litschko). focus.de (Malte Arnsperger) interviewt den ehemaligen Generalstaatsanwalt und "RAF-Ermittler" Klaus Pflüger, der mit solchen Taten gerechnet hat. Reinhard Müller (FAZ) meint es sei eine Schande, dass "[manche] RAF-Terroristen wohl noch immer unbehelligt unter uns [leben]". Auch Christian Rath (taz) hält das für bemerkenswert, meint aber, dass es sich bei den Taten wohl um "banale Beschaffungskriminalität" gehandelt habe. Die FAZ (Mona Jäger) verweist darauf, dass es vor Anschlägen immer eine "Beschaffungsphase" gegeben habe, jedoch gehen Experten von missglückten Versuchen für die "Altersvorsorge" aus.
StA Dresden – Nazi-Vergleich: Wegen der Äußerung "Die Nazis von heute sind nicht mehr braun, sie tragen die Farben der Regierungsparteien" von Pregida-Rednerin Tatjana Festerling hat die Staatsanwaltschaft Dresden Vorermittlungen zu etwaiger strafrechtlicher Relevanz eingeleitet. Das melden FAZ (Stefan Locke) und taz .
Aktionärsklagen gegen VW: Frank Wiebe (HBl) kritisiert Großaktionäre, die Unternehmen mit Aktionärsklagen "melken", anstatt durch ihren regelmäßig großen Einfluss auf die Managementebene unternehmerische Verantwortung zu übernehmen. Jede Zahlung des Unternehmens gehe außerdem letztlich zulasten der Anleger, womit solche Klagen aufgrund der Prozesskosten nicht einmal ein Nullsummenspiel seien. Den größten Schaden trügen Kleinanleger, die bei solchen Prozessen nicht mithalten könnten.
Recht in der Welt
UK – Brexit-Folgen: Die Rechtsanwälte Benjamin Parameswaran und Nils Krause zeigen in der FAZ auf, welche Fragen und Probleme sich für Deutsche Unternehmen aus einem Austritt Großbritanniens aus der EU ergeben könnten. Insgesamt könne es sich in bestimmten Bereichen und Konstellationen durchaus empfehlen, bereits heute auf die Anwendung deutschen Rechts zu bestehen und Sonderkündigungsrechte für den Fall eines Brexit in die Überlegungen einzubeziehen.
EGMR zu Asylrecht: Sie soll mit ihrem Cousin zwangsweise verheiratet worden sein und eine begonnene Genitalverstümmelung sei nur deshalb nicht gänzlich erfolgt, weil die Frau sich gewehrt habe. Belgien hat die Asylanträge der Frau dennoch abgelehnt, weil sie die drohende Genitalverstümmeldung nicht beim ersten Antrag vorgebracht hatte. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bestätigte die Entscheidung laut zeit.de und taz.
UNO – IS-Völkerrechtsverbrechen: Aus einem am gestrigen Dienstag veröffentlichten Bericht der Vereinten Nationen geht hervor, dass die Organisation dem sogenannten Islamischen Staat Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorwirft. Im Irak gefundene Massengräber könnten sogar auf Genozid hinweisen, allerdings stammten einige der Gräber wohl noch aus Zeiten Sadam Husseins, berichtet spiegel.de.
Sonstiges
Kriminologie: In seiner Kolumne schreibt Bundesrichter Thomas Fischer auf zeit.de über Kriminologie. Dabei geht es weniger um konkrete Erkenntnisse dieser Wissenschaft als um die Anforderungen an wissenschaftliches Denken und differenzierte Auseinandersetzung mit konkreten Fragen. Dies vor dem Hintergrund der Debatte um "Ausländerkriminalität".
Lobbyisten im Bundestag: Die Vergabe von Hausausweisen an Lobbyisten im Bundestag soll neu geregelt werden, berichtet der Tsp (Jost Müller-Neuhof). Die Vergabe solle nur noch über die Bundestagsverwaltung laufen und ein Register eingerichtet werden. Allerdings bestehe noch Uneinigkeit, ob es ein echtes Lobbyistenregister sein soll oder doch nur ein Unternehmensregister ohne Auflistung der einzelnen Akteure.
Dashcam-Verwertung: Anlässlich der Diskussion auf einer Veranstaltung des Deutschen Anwaltsvereins schreibt die FAZ (Joachim Jahn) zur Diskussion um die Verwertung von Dashcam-Aufnahmen als Beweismittel. Datenschützer sehen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gefährdet wenn jeder Gefahr laufe, überall gefilmt zu werden. Gerichte beurteilten die Frage unterschiedlich, das letzte Wort sei aber keineswegs gesprochen. Die aktuellste Entscheidung, ein Hinweis- und Beweisbeschluss des Landgerichts Landshut, verweist darauf, dass nicht jeder Rechtsverstoß auch ein Beweisverwertungsverbot bedeute, sondern das Beweisbedürfnis durchaus vorgehen könne, schreibt auch lawblog.de (Udo Vetter).
Neutralitätsgesetz Berlin: Rechtswissenschaftler Jost-Benjamin Schrooten befasst sich auf juwiss.de vor dem Hintergrund der zweiten Kopftuchentscheidung des Bundesverfassungsgerichts und des im Dezember veröffentlichten Gutachtens des Wissenschaftlichen Parlamentsdienstes des Berliner Abgeordnetenhauses mit der Verfassungsmäßigkeit des Berliner Neutralitätsgesetzes. Das Gesetz erfülle die Voraussetzungen der Verfassungswidrigkeit nach der BVerfG-Entscheidung, diese zwinge Berlin jedoch nicht zu einer Änderung.
Freiheitliche Werteordnung: Rechtsprofessor Paul Kirchhof schreibt in der FAZ über die Herrschaft des Rechts und seine Durchsetzung als Bedingung der Freiheit und eine Wertegemeinschaft, die nicht feststeht, sondern im stetigen Austausch dauerhafter Verwirklichung bedarf.
Selbstanzeige: Gegenüber 2014 mit knapp 40.000 Selbstanzeigen sank diese Anzahl in 2015 stark. Trotz der seit dem 1. Januar 2015 erhöhten Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige war die Anzahl jedoch in 2015 mit gut 15.000 noch recht hoch. Das Hbl (Donata Riedel) befasst sich mit den Statistiken und möglichen Gründen. So seien viele Anzeigen im ersten Quartal eingegangen und könnten verspätete Versuche einer Selbstanzeige noch in 2014 gewesen sein.
Das Letzte zum Schluss
Freundliche Taxifahrer: Solche wünscht man sich in der brasilianischen Metropole São Paulo und hat Taxifahrern Regeln auferlegt: keine Shorts, nicht fluchen, gepflegtes rasiertes Äußerliches, Diskussionen über Fußball, Politik oder Religion vermeiden und Fahrgäste mit "Optimismus und Freude" empfangen. Fahrgäste bewerten die Fahrer über eine App und Beschwerden können vor eine Disziplinarkommission oder gar die Justiz führen, meldet die SZ.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/krü
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 20. Januar 2016: myTaxi-Rabatt verboten / Rente nach RAF-Manier / Abschiebung trotz Genitalverstümmelung . In: Legal Tribune Online, 20.01.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18183/ (abgerufen am: 15.05.2024 )
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