Der erste Prozesstag im Verfahren um den Göttinger Transplantationsskandal wird von den Medien akribisch begleitet. Außerdem in der Presseschau: EU will Zahlungsdienste reformieren, Beweis-Verkauf keine Erpressung, 30 Meter Ausparken, warum Drohnen die Rechtsstaatlichkeit gefährden und wie man sich arbeitsrechtlich an seiner Braut verheben kann.
LG Göttingen – Transplantationsskandal: Auf ihrer "Seite Drei" berichtet die SZ (Christina Berndt/Annette Ramelsberger) vom ersten Tag des Transplantationsskandal-Prozesses vor dem Landgericht Göttingen. Der Artikel porträtiert den wegen versuchten Totschlags und Körperverletzung mit Todesfolge angeklagten Chirurgen, berichtet von den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und den ersten Einlassungen des Angeklagten.
Auch die FAZ (Andreas Nefzger) berichtet und betont die über den konkreten Fall hinausgehende Bedeutung des Prozesses. Mit dem Vorwurf, der vorsätzliche Verstoß gegen die Transplantationsrichtlinien der Bundesärztekammer sei als versuchter Totschlag zu bewerten, betrete die Staatsanwaltschaft rechtliches Neuland.
Weitere Themen – Rechtspolitik
Reform der Zahlungsdiensterichtlinie: Über einen Vorschlag der EU-Kommission zur Weiterentwicklung der Zahlungsdiensterichtlinie informiert der Rechtsanwalt Matthias Terlau auf dem Handelsblatt Rechtsboard. Wesentliche Neuerungen beträfen vor allem den Anwendungsbereich der Richtlinie und damit die Zulassungspflicht von Dienstleistern als Zahlungsinstitut.
Weitere Themen – Justiz
LG Hamm zu Beweis-Verkauf: Das Oberlandesgericht Hamm hat entschieden, dass es keine strafbare Erpressung darstellt, wenn der Staatsanwaltschaft Beweismittel vorenthalten werden, weil diese den dafür verlangten "Kaufpreis" nicht bezahlen will. Da die Strafprozessordnung einen Ankauf von Beweismitteln nicht vorsehe, stelle die Vorenthaltung solcher Beweismittel auch keine Drohung dar, befand das Gericht laut lawblog.de (Udo Vetter). Allerdings habe die Vorinstanz jetzt noch zu klären, ob sich der Angeklagte nicht wegen Begünstigung strafbar gemacht hat.
LG Berlin – Räubergeschichte: Das Feuilleton der FAZ (Klaus Ungerer) erzählt die Geschichte eines drogensüchtigen Räubers und seines Prozesses vor dem Berliner Landgericht. Dabei wird die Stimmung einer typisch berlinerischen Szenerie eingefangen.
Arzthaftung im Praktischen Jahr: Anlässlich eines Urteils des Landgerichts Bielefeld, in dem ein Arzt wegen der fahrlässigen Tötung eines Säuglings während seines "Praktischen Jahres" verurteilt worden war, setzt sich die Rechtsanwältin Sonja Lange auf lto.de mit der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Ärzten in ihrer Ausbildungszeit auseinander.
StA Erfurt – Aufhebung der Immunität Lieberknechts: Nach dem Willen der Erfurter Staatsanwaltschaft soll der thüringische Landtag die Immunität von Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) aufheben, um ein Vorprüfungsverfahren zu ermöglichen. Hintergrund seien Untreuevorwürfe im Zusammenhang mit der Entlassung ihres Regierungssprechers, so die SZ. Auch zeit.de berichtet.
Rundfunkbeitrag – auch Sixt klagt: Der Klagewelle gegen den neuen Rundfunkbeitrag schließt sich auch der Autovermieter Sixt an – nach einem Bericht der FAZ (Henning Peitsmeier/Jan Hauser) zieht das Unternehmen gegen die "missratene Gebührenreform" vor den Bayerischen Verfassungsgerichtshof. Und wolle, wenn nötig, bis zum Bundesverfassungsgericht gehen.
AG München zu Verschuldensvermutung beim Ausparken: Beim Ausparken ist der fließende Verkehr in den Augen des Amtsgerichts München erst nach mindestens 30 Metern erreicht. Bis dahin sei noch von einem Ausparkvorgang auszugehen und gelte bei einem Auffahrunfall eine Verschuldensvermutung zu Ungunsten des Ausparkenden, berichtet lto.de.
EU-Kommission – Vertragsverletzungsverfahren wegen Sprachtests: Die SZ (Charlotte Theile) berichtet über die Antwort der Bundesregierung auf den Vorwurf der EU-Kommission, mit der Einforderung von Sprachtests von nachziehenden Ehegatten die europäischen Verträge zu verletzen. Die Antwort verrate "einiges über die Migrationspolitik der Bundesregierung" und zeige, wie ein Sprachtest "zur Auswahl der Migranten verwendet werden kann" – nämlich über großzügige Ausnahmeregelungen zum Beispiel für Fachkräfte.
In einem gesonderten Kommentar kritisiert Theile diese Praxis scharf und wirft der Bundesregierung vor, bei "unqualifizierten, armen Menschen" das Recht auf Familie "für weniger wichtig" zu halten.
Weitere Themen – Recht in der Welt
Großbritannien – Journalist neun Stunden festgehalten: Der Lebenspartner des Guardian-Journalisten, der den NSA-Skandal publik machte, ist am Londoner Flughafen Heathrow neun Stunden lang festgehalten und verhört worden – auf Grundlage des britischen Antiterrorgesetzes. SZ (P. Burghardt/C. Zaschke) und taz (Bernd Pickert) berichten über den Vorfall und die internationalen Reaktionen.
Scharf kritisiert das Vorgehen der britischen Behörden Bernd Pickert (taz): Hier zeige der "übergriffige Schnüffelstaat" seine "hässlichste Seite".
USA – Anklage will 60 Jahre für Manning: Im Prozess gegen den US-amerikanischen Wikileaks-Informant und Ex-Soldaten Bradley Manning fordert die Anklagebehörde 60 Jahre Haft – und will damit wohl ein Exempel statuieren, schreibt focus.de.
China – Bo-Xilai-Prozess: Unter dem Titel "Der tiefe Fall eines Schwergewichts" widmet die SZ (Kai Strittmatter) ihr "Thema des Tages" dem am Donnerstag beginnenden Korruptionsprozess gegen den "einstigen Politstar" der Kommunistischen Partei Chinas, Bo Xilai. Die aufstrebende Konkurrenz nutze den Fehltritt des Politikers, um "einen ihrer größten Rivalen kaltzustellen". In einem weiteren Artikel wird die Rolle seiner im letzten Jahr wegen Mordes verurteilten Ehefrau beleuchtet.
USA – Börsenaufsicht gegen JPMorgan: Die US-amerikanische Börsenaufsicht SEC ermittelt wegen Vetternwirtschaft gegen die Investmentbank JPMorgan. Deren chinesischer Ableger soll die Kinder einflussreicher Staatsbeamter nur deswegen eingestellt haben, um an lukrative Verträge mit ihren Vätern zu kommen, so die SZ (Tim Devaney/Harald Freiberger).
Südafrika – Pistorius-Mordprozess: Der südafrikanische Sprint-Star Oscar Pistorius wird sich im März nächsten Jahres wegen Mordes vor Gericht verantworten müssen. Ihm wird vorgeworfen, seine Lebensgefährtin erschossen zu haben; er beteuert, sie für einen Einbrecher gehalten zu haben. Von der mit großem Medienrummel verbundenen ersten Anhörung vor einem Gericht in Pretoria und den bisherigen Ermittlungsergebnissen berichtet die taz (Martina Schwikowski). Auch die Welt (Christian Putsch) widmet sich dem Fall ausführlich.
Ägypten – Mubarak könnte freikommen: Der inhaftierte ägyptische Ex-Präsident Husni Mubarak könnte bald auf freien Fuß kommen. Nach einem Bericht der taz hat ein Gericht in einem der gegen ihn anhängigen Verfahren seine Entlassung angeordnet. Werde er auch in einem weiteren Korruptionsverfahren von der Untersuchungshaft verschont, so könne er bald freikommen.
Sonstiges
Drohnen vs. Rechtsstaat: Thomas Stadler (internet-law.de) kritisiert den Einsatz von Drohnen zur gezielten Tötung von Menschen als Rückschritt ins Zeitalter der Inquisition. Bei ihrem Einsatz seien "Ankläger, Richter und Vollstrecker ein und dieselbe Institution", unter Beachtung der rechtsstaatlichen Unschuldsvermutung sei jedes Drohnen-Opfer ein Unschuldiger, dem ein faires Verfahren vorenthalten würde.
Drohende Zensus-Klagewelle: Nach einem Bericht von spiegel.de (Björn Schwentker) entspricht der Zensus von 2011 wegen zu großer Stichprobenfehler nicht den gesetzlichen Qualitätsstandards; möglicherweise sei der Zensus gar verfassungswidrig. Nun drohe eine Klagewelle der betroffenen Kommunen.
Abschiebehaft: Die SZ (Benedikt Warmbrunn) setzt sich heute mit Abschiebegefängnissen – "Gewahrsamseinrichtungen für Ausreisepflichtige" – auseinander und stellt die Frage, warum nicht kriminell auffällige Migranten in Haftanstalten leben müssten und nicht in Aufnahmeanstalten für Flüchtlinge untergebracht werden könnten.
Borcherts "Sozialstaatsdämmerung": Ein Bericht über die Vorstellung des Buches "Sozialstaatsdämmerung" von Jürgen Borchert findet sich in der heutigen SZ (Thomas Öchsner). Der Artikel porträtiert den "streitbaren Juristen" und Sozialrichter Borchert und fasst die Kernthesen des Buches zusammen, das eine radikale Reform der sozialen Sicherungssysteme hin zu einer Bürgerversicherung fordere.
"Justice gap" bei K.O.-Tropfen-Opfern: Im "tazzwei"-Teil der taz (Marlene Staib) findet sich ein ausführlicher Bericht über die Erlebnisse einer unter der Wirkung von "K.O.-Tropfen vergewaltigten Frau und die Schwierigkeiten, denen sich Opfer solcher Taten bei Ermittlungsbehörden gegenüber sehen können – Opferorganisationen sprächen sogar von einem "justice gap".
Nachruf auf Joachim Vogel: Die FAZ (Joachim Jahn) veröffentlicht einen Nachruf auf den bei einem Unfall in Venedig zu Tode gekommenen Kapitalmarktstrafrechtler Joachim Vogel und würdigt die Verdienste des erst 50jährigen Juristen.
Das Letzte zum Schluss
An der Braut verhoben: Wer wegen eines Bandscheibenvorfalles krank geschrieben ist, sollte bei seiner Hochzeit besser darauf verzichten, die Braut hochzuheben – jedenfalls, wenn Fotos des freudigen Ereignisses dem Arbeitgeber in die Finger fallen könnten. Statt eines Prozesses gab es zwar einen Vergleich – aber der endete mit der fristgerechten Kündigung des Arbeitsverhältnisses, weiß blog.beck.de (Christian Rolfs).
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/thd
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 20. August 2013: Transplantationsskandal vor Gericht – Beweis-Verkauf keine Erpressung – Drohnen gegen die Rechtsstaatlichkeit . In: Legal Tribune Online, 20.08.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9390/ (abgerufen am: 18.05.2024 )
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