Wenn der NSU-Prozess so weitergeht, wird er mehr als fünf Jahre dauern, spekuliert die Frankfurter Rundschau und macht dafür den Opferschutz verantwortlich. Außerdem in der Presseschau: Das OVG Schleswig kassiert die Genehmigung eines Atomzwischenlagers, der BFH klärt die Besteuerung einer Rodelbahn und ein zu schneller Rollstuhl löst ein Strafverfahren aus.
Fünf Jahre NSU-Prozess?: Zum Abschluss der Befragung des Angeklagten Carsten S. prognostiziert die FR (Stefan Geiger), dass der NSU-Prozess wohl "noch viel länger als die ursprünglich prognostizierten zweieinhalb Jahre dauern wird. Es können leicht fünf Jahre oder mehr daraus werden". Schuld seien die opferfreundlichen Reformen des Strafprozesses, die dazu führten, dass mehr als 50 Anwälte die Nebenklage vertreten und Fragen stellen. "Aus der Perspektive der Prozessökonomie" sei es sogar "ein Glücksfall, dass nur einer der fünf Angeklagten umfänglich ausgesagt hat." Mit der unterschiedlichen Qualität der Nebenklage-Anwälte setzt sich schwerpunktmäßig spiegel.de (Gisela Friedrichsen) auseinander.
Aussage von Carsten S. im NSU-Prozess: Einen Überblick über den sechsten Tag der Befragung von Carsten S., an dessen Ende sich S. bei den Angehörigen der Opfer entschuldigt, geben u.a. die FAZ (Helene Bubrowski) und zeit.de (Tom Sundermann).
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Kameras im Gerichtssaal: Nachdem die Justizministerkonferenz vorige Woche beschlossen hat, das Verbot von (gerichtsinternen) Übertragungen aus Gerichtssälen zu überprüfen, beschreibt die SZ (Wolfgang Janisch) jetzt den Diskussionsstand. Auf absehbare Zeit würden Strafprozesse wohl für Kameras tabu bleiben. Lockerungsmöglichkeiten gebe es eher in verwaltungs- oder verfassungsgerichtlichen Verfahren. Über die ablehnende Haltung der OLG-Präsidenten berichtet auch lto.de.
Hartz IV-Sätze: Nach Informationen der SZ (Thomas Öchsner) wird sich das Bundeskabinett am kommenden Mittwoch mit einen Bericht über die Weiterentwicklung der Methodik für die Ermittlung der Hartz IV-Regelsätze befassen. Dabei gehe es anhand von zwei neuen Gutachten um die Frage, wie die Referenzgruppe zusammengesetzt sein muss und wie die Regelsätze für Kinder zu berechnen sind.
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LVerfG SH - SSW: Das Landesverfassungsgericht Schleswig-Holstein verhandelte über die Frage, ob die von der Fünf-Prozent-Hürde befreite Partei der dänischen Minderheit, SSW, damit unzulässig privilegiert wurde. Der SSW ist erstmals an einer im Land regierenden Koalition beteiligt, die ohne die SSW-Stimmen nicht zustande gekommen wäre. Das Urteil soll nach der Sommerpause fallen, berichtet die FAZ (Frank Pergande).
BSG zu Verbrechen auf dem Arbeitsweg: Eine Vergewaltigung durch den Ex-Freund gilt auch dann nicht als Arbeitsunfall, wenn sie auf dem Weg zur Arbeit stattfand. Hier habe sich nicht das spezifische Risiko des Arbeitswegs realisiert, entschied das Bundessozialgericht laut lto.de.
BFH zur Besteuerung von Rodelbahnen: Eine schienengebundene Rodelbahn im Schwarzwald muss den vollen Mehrwertsteuersatz bezahlen und nicht den reduzierten Satz für Personenbeförderung, entschied der Bundesfinanzhof laut spiegel.de. Es handele sich eher um eine Vermietung von Rodelschlitten als um eine Beförderungsleistung.
OVG Schleswig zum Zwischenlager Brunsbüttel: Das Zwischenlager für abgebrannte Kernbrennstäbe am AKW Brunsbüttel ist nicht ordnungsgemäß genehmigt worden. Das zuständige Amt für Strahlenschutz habe nicht ausreichend die Gefahren eines Flugzeugabsturzes oder eines Angriffs mit panzerbrechenden Waffen geprüft. Es berichten u.a. die SZ (Michael Bauchmüller/Charlotte Frank) und die taz (Esther Geißlinger).
OLG Schleswig zu Fahrradhelmen: Nun greift auch die SZ (Melanie Staudinger) die Diskussion um ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts Schleswig auf. Danach muss eine kopfverletzte Radfahrerin zwanzig Prozent der Arztkosten selbst tragen, weil sie ohne Helm fuhr. Es kommen überwiegend Kritiker des Urteils zu Wort. Die Radfahrerin hat inzwischen Revision zum BGH eingelegt.
LG Hannover – Porsche-Übernahme: Die SZ (Kristina Läsker) schildert eine neue Schadensersatzklage gegen Porsche im Zusammenhang mit der Übernahmeschlacht bei VW. Porsche habe hier eine marktbeherrschende Stellung ausgenutzt, so die Kläger. Das Landgericht Braunschweig habe die Klage daher an die Kartellkammer des Landgerichts Hannover verwiesen. Der Artikel gibt auch einen Überblick über die übrigen mit der Übernahme zusammenhängenden Zivil- und Strafprozesse.
LG Köln – Sal.-Oppenheim-Strafverfahren: Zum zweiten Mal beginnt am Donnerstag der Strafprozess gegen Ex-Manager des Bankhauses Sal. Oppenheim. Der erste Anlauf scheiterte im Februar an der fehlerhaften Bestellung eines Ersatzschöffen. Im zweiten Anlauf wurde der Prozessstoff erweitert. Neben den bisher angeklagten Immobiliendeals soll es diesmal auch um einen riskanten Großkredit an die Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz gehen. Es sind 86 Verhandlungstage angesetzt, berichtet die SZ (Caspar Dohmen/Uwe Ritzer).
StA Braunschweig – Anklage gegen Organtransplanteur: Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat gegen einen Göttinger Arzt, der an Manipulationen bei der Auswahl geeigneter Organempfänger beteiligt war, Anklage wegen versuchten Totschlags erhoben. Das berichtset die taz (Heike Haarhoff). Durch die Manipulation zugunsten eigener Patienten seien möglicherweise andere Patienten, die leer ausgingen, gestorben.
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Tschechische Republik – Rechtsstaatsprobleme: Die tschechische Wirtschaftsprüferin Lucie Vorlíčková kritisiert in einem FAZ-Gastbeitrag die mangelnde Rechtssicherheit in der tschechischen Republik. Gesetze würden sehr oft und kurzfristig geändert, die gerichtliche Rechtsdurchsetzung sei langwierig und unvorhersehbar, bestands- und rechtskräftige Steuerbescheide könnten später wieder aufgehoben werden.
Sonstiges
Friedensrichter Mustafa Ö.: Am Mittwochabend lief im WDR-Fernsehen der Film "Selbsternannte Richter – Schattenjustiz bei Muslimen in Deutschland", in dem der kurdische Friedensrichter Mustafa Ö. aus Bremen portraitiert wird. Der Nicht-Jurist schlichtet Konflikte zwischen Landsleuten ohne Einschaltung der deutschen Justiz. Die Reportage wird in der FAZ (Regina Mönch) und der taz (Cigdem Akyol) gelobt.
Hitze und Arbeitsrecht: lto.de (Constantin Baron van Lijnden) erläutert, welche Ansprüche Arbeitnehmer bei großer Hitze am Arbeitsplatz haben. Ab 26 Grad Innentemperatur solle der Arbeitgeber Maßnahmen treffen, um die Wärmebelastung zu mindern. Ab 30 Grad müsse er dies tun, und oberhalb von 35 Grad sei ein Raum nicht mehr "als Arbeitsraum geeignet".
Das Letzte zum Schluss
Zu schneller Rollstuhl: Gegen einen Rollstuhlfahrer, der mit 20 km/h unterwegs war, wurde ein Strafverfahren wegen fehlender Versicherung eingeleitet. Laut Gesetz ist für alle Fahrzeuge, die schneller als sechs km/h fahren können, eine Versicherung obligatorisch. Wie der Kanzleiblog anwalt-strafverteidiger.de (Sascha Böttcher) berichtet, wurde das Verfahren jedoch eingestellt, da der Rentner nicht wusste, wie schnell sein Rollstuhl fährt.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 20. Juni 2013: Fünf Jahre NSU-Prozess? - Gericht gegen Zwischenlager - Rasanter Rollstuhl . In: Legal Tribune Online, 20.06.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8965/ (abgerufen am: 02.05.2024 )
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