Die StA Hannover hat gegen Sebastian Edathy Anklage erhoben. Außerdem in der Presseschau: Abschiebehäftlinge dürfen nicht in normalen Gefängnissen einsitzen, Beate Zschäpe bekommt mehr Zeit zur Begründung ihrer Verteidigerablehnung, Österreichs Pläne gegen Dschihadisten und mit Vollmacht zur vollen Macht.
Thema des Tages
StA Hannover – Anklage gegen Edathy: Die Staatsanwaltschaft Hannover hat gegen den ehemaligen Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy nun Anklage beim Landgericht Verden erhoben. Die Anklage stützt sich auf Links zu kinderpornographischen Internetseiten, welche sich auf einer Sicherungskopie seines – kurz vor den Durchsuchungen im Februar als gestohlen gemeldeten und bisher nicht aufgefundenen – Laptops fanden. Edathy soll im November letzten Jahres über die Links strafrechtlich relevante Bilder heruntergeladen haben. Nach Ansicht von Edathys Anwalt war das Auslesen von Verbindungsdaten rechtswidrig, da es nur bei schweren Straftaten zulässig ist – das Edathy vorgeworfene Verhalten ist jedoch nur mit maximal zwei Jahren Freiheitsstrafe bedroht. Bei den Durchsuchungen sei zudem Edathys Immunität nicht beachtet worden. Letzteres liegt dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vor. Die Welt (Manuel Bewarder) und die taz (Ulrich Schulte) berichten.
Markus Decker (FR) meint, die Staatsanwaltschaft habe nach den Fehlern im Ermittlungsverfahren schon zur Selbstbehauptung Anklage erheben müssen, "ein Anklageverzicht wäre ein Offenbarungseid gewesen". Er hält einen Prozess für wahrscheinlich, nicht aber eine Verurteilung. Tanjev Schultz (SZ) prognostiziert, die Staatsanwaltschaft werde sich schwertun, ihre Vorwürfe zu belegen.
Udo Vetter (lawblog.de) setzt sich mit den möglichen Beweisproblemen auseinander, die sich ergeben, wenn allein auf Links abgestellt wird, mit der umstrittenen Auslegung des Begriffs "Besitzen" sowie der möglicherweise rechtswidrigen Erlangung der Beweise. Die SZ (Wolfgang Janisch) weist darauf hin, dass es der Beweislage nichts anhaben könne, wenn Edathy mit seiner Beschwerde vor dem Verfassungsgericht durchdringe. Die erlangten Beweismittel seien dennoch verwertbar.
Rechtspolitik
Transparenz bei Energiegrundversorgung: Nach einem Referentenentwurf des Bundeswirtschaftsministeriums soll die Kostenauflistung bei der Grundversorgung mit Strom und Gas zukünftig zur besseren Überprüfbarkeit der Ursachen für Preissteigerungen Steuern, gesetzliche Aufschläge und Netzentgelte gesondert ausweisen, meldet die taz.
Suizidhilfe: Vor dem Hintergrund der Entscheidung des EKD-Ratsvorsitzenden Nikolaus Schneider, seine krebskranke Frau auf ihren Wunsch hin zum unterstützten Suizid in die Schweiz zu begleiten, kommentiert Matthias Kamann (SZ). Er fordert, Raum für private Entscheidungen zu belassen und das Fachwissen von Ärzten und Ethikern – speziell auch der Evangelischen Kirche – bei solchen Entscheidung und in der rechtspolitischen Debatte zu nutzen, und spricht sich gegen ein Totalverbot aus.
Justiz
EuGH zu Abschiebehaft in Gefängnissen: Die in Deutschland teilweise andauernde Praxis, Abschiebungshäftlinge in normalen Gefängnissen unterzubringen, ist nach einer Entscheidung des Europäische Gerichtshofs (EuGH) unionsrechtswidrig. Nach der EU-Rückführungsrichtlinie müsse die Unterbringung in speziellen Einrichtungen unter möglichst gelockerten Bedingungen erfolgen. Das Argument einiger Bundesländer, es gebe eben bei ihnen keine solchen Einrichtungen, hielt der EuGH für ebenso unbedeutend wie eine etwaige Einwilligung der Betroffenen in die Unterbringung in Strafgefängnissen. Die SZ (Wolfgang Janisch) und lawblog.de (Udo Vetter) berichten.
Christian Rath (taz) kommentiert, das eigentliche Problem sei die notwendige Reform des ganzen Dublin-Systems als vielfacher Grund für unnötige Abschiebehaft; die Humanisierung der Haft sei nur ein Nebenschauplatz.
EuGH zu Mindestalter für Ehegattennachzug: Wie die taz meldet, entschied der Europäische Gerichtshof bezüglich einer österreichischen Regelung zum Mindestalter für Ehegattennachzug, es sei rechtens, eine Grenze von 21 Jahren festzulegen.
Generalanwalt – Blutspendeverbot für Homosexuelle: Wie spiegel.de meldet, hält der Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof Paolo Mengozzi in seinem Gutachten das in Frankreich geltende Blutspendeverbot für homosexuelle Männer in seiner umfassenden Form für indirekt diskriminierend aufgrund des Geschlechts. Ein Franzose hatte vor dem Gerichtshof geklagt – in Deutschland gilt eine vergleichbare Regelung.
OLG München – NSU-Prozess: Wie zeit.de (Tom Sundermann/Özlem Topcu) und die SZ (Annette Ramelsberger) berichten, hat Beate Zschäpe bis zum heutigen Freitag Zeit, ihren Antrag auf Verteidigerwechsel schriftlich zu begründen. Die FAZ (Helene Bubrowski) macht deutlich, welche hohen Anforderungen an eine Entpflichtung gerade von gewählten und dann beigeordneten Verteidigern gestellt werden. Diese müssten Kardinalspflichten verletzen. Uneinigkeit über die Verteidigungsstrategie komme bei längeren Prozessen häufig vor und genügten nicht. Die SZ (Heribert Prantl) stellt heraus, dass es zur gerichtlichen Fürsorgepflicht gehört, Angeklagten die Verteidigung durch einen Beistand ihres Vertrauens zu ermöglichen.
Holger Schmidt (SWR-Terrorismus-Blog) hält es vor dem Hintergrund seiner Prozessbeobachtung für unwahrscheinlich, dass Beate Zschäpe ihre Anwälte wird loswerden können. Konrad Litschko (taz) meint, es ginge der Angeklagten vielleicht darum, entgegen der Strategie ihrer Verteidiger aussagen zu können, was er für angezeigt hält.
LG Regensburg – Mollath: Die Welt und die taz (Lisa Schell) berichten unter anderem über die Zeugenaussage des Richters Brixner, der seinerzeit Gustl Mollath verurteilte.
BVerfG zu § 353d Nr. 3 StGB: Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von Mittwoch, wonach die Strafnorm verfassungsgemäß ist, die es untersagt , amtliche Schriftstücke aus dem Strafverfahren – wie etwa die Anklage – im Wortlaut öffentlich mitzuteilen, bevor sie im Verfahren zur Sprache kamen, wird von den Rechtsanwälten Olaf Hohmann und Stefan Petermann auf lto.de besprochen. Es sei nun am Gesetzgeber, die Norm zu ändern, wenn er denn wolle.
BGH zu privaten Krankenversicherungen: Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass private Krankenversicherungen nicht verpflichtet sind, Sozialhilfeempfänger aufzunehmen. Dies meldet die SZ.
VG Hannover zur Versammlungsfreiheit: Über die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hannover von Montag, wonach das durch einen Kamerawagen der Polizei bei Demonstrationsteilnehmern ausgelöste Gefühl des Beobachtetwerdens die Versammlungsfreiheit der Betroffenen einschränkt, berichtet nun auch Udo Vetter (lawblog.de).
Zustände bei Gericht und StA: Michael Jungmann (saarbruecker-zeitung.de) berichtet über sein Interview mit Ex-Staatsanwalt und Ex-Richter auf Probe Daniel Jungblut, der vor Ende seiner Probezeit aus dem Justizdienst im Saarland ausschied. Der Jurist beschreibt die katastrophalen Arbeitsbedingungen, die es nicht zuließen, nach Recht und Gesetz zu handeln, sowie die aus seiner Sicht verfassungswidrigen Versuche der Betroffenen, der Situation Herr zu werden.
VG Hamburg – "Hartz-IV-Rebellin": Wie die taz (Kai von Appen) meldet, ist Inge Hannemann – die wegen subversiver Hartz-IV-Kritik von ihrer Tätigkeit beim Jobcenter suspendiert wurde – im Eilverfahren gegen ihre Versetzung in die Sozialbehörde gescheitert. Dies sei keine Vorentscheidung des Hauptsacheverfahrens gegen ihre Suspendierung, betonte Richter Grube-Nagel.
Recht in der Welt
Österreich – Fußfessel als Gefängnisersatz: Rechtswissenschaftler Johannes Schön (juwiss.de) berichtet von einer Entscheidung des österreichischen Verfassungsgerichtshofs. Danach verstoße es nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz, dass seit 2013 wegen bestimmter Sexualdelikte Verurteilte den Hausarrest mit Fußfessel nicht von Beginn an, sondern erst nach Verbüßen der Hälfte ihrer Freiheitsstrafe im Gefängnis erhalten können. Sonstigen (Sexual-)Straftätern steht in Österreich seit 2010 auch die Möglichkeit von Hausarrest für die gesamte Strafzeit offen.
Österreich – Staatsangehörigkeitsentzug: Der Rechtswissenschaftler Ralph Janik bespricht auf verfassungsblog.de einen österreichischen Gesetzesentwurf zur Erweiterung der Regelung zum Entzug der Staatsangehörigkeit wegen Eintritts in den Militärdienst eines fremden Staates. Auch bei aktiver Teilnahme an "Feindseligkeiten im Ausland" für eine "bewaffnete Gruppe" soll nach dem Entwurf die Staatsangehörigkeit entzogen werden können.
Schweden – Assange-Haftbefehl: Die taz (Reinhard Wolff) meldet, dass der Antrag der Anwälte Assanges auf Aufhebung des gegen diesen bestehenden Haftbefehls in Schweden abgelehnt worden sei und geht auch auf die Zusammenhänge ein.
Großbritannien – Vorratsdatenspeicherung: Wie spiegel.de berichtet, hat das – nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Vorratsdatenspeicherungs-Richtlinie – im Eilverfahren geschaffene neue britische Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung nun auch das Oberhaus und damit das gesamte Parlament passiert.
Das Letzte zum Schluss
Volle Macht mit Vollmacht?: Wie r24.de berichtet, bekam ein Abschleppunternehmen von einer Frau den Auftrag, das zu Schrott gefahrene Motorrad ihres bewusstlos im Krankenhaus liegenden Lebensgefährten abzumelden und für einen Euro den Schrott abzunehmen. Als die Firma die Rechnung übersandte, meldete ein Rechtsanwalt, der angab, der verunglückte Motorradfahrer werde diese nicht bezahlen, die Frau habe keinen Auftrag erteilen dürfen, nur er sei bevollmächtigt. Er legte auch eine entsprechende Vollmacht des Mannes vor - nur war diese unterschrieben von der Lebensgefährtin, die dem Anwalt zufolge gar keine Vertretungsmacht hatte.
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Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/krü
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 18. Juli 2014: Anklage gegen Edathy erhoben – Abschiebehaft unionsrechtswidrig – Zschäpe und ihre Verteidiger . In: Legal Tribune Online, 18.07.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12605/ (abgerufen am: 15.05.2024 )
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