Wer reisen will, muss seinen Fingerabdruck im Reisepass speichern lassen – das hat der EuGH jetzt bestätigt. Außerdem in der Presseschau: Wirtschaftspolitik in der EU, wirksame Rechte für Markeninhaber, der mittlerweile dritte Bremer Brechmittelprozess, die "herrschende Meinung" in der Klausur und zum Schluss "Blitzer-Highlights September 2013".
Thema des Tages
EuGH zu biometrischem Reisepass: Der biometrische Reisepass verstößt nicht gegen europäische Grundrechte. Der Europäische Gerichtshof hat am Donnerstag die EU-Verordnung aus dem Jahr 2004 bestätigt, wonach jeder Reisepass einen Chip enthalten muss, auf dem zwei Fingerabdrücke gespeichert sind. Geklagt hatte der Bochumer Rechtsanwalt Michael Schwarz. Die Richter erklärten, der biometrische Reisepass greife zwar in die Rechte auf Achtung des Privatlebens und den Schutz personenbezogener Daten ein, sei aber eine angemessene Maßnahme, um die illegale Einreise in die Union zu verhindern. Es berichten die SZ (Wolfgang Janisch), die taz (Christian Rath) und zeit.de (Kai Biermann).
Maximilian Steinbeis (verfassungsblog.de) kommentiert entsetzt, der EuGH sehe "offenbar gar nicht, worin die Bedrohlichkeit des biometrischen Reisepasses besteht", nämlich in der perfektionierten Identifizierbarkeit und darin, den menschlichen Körper maschinenlesbar zu machen. Auch Wolfgang Janisch (SZ) schreibt in einem Kommentar, es sei ärgerlich "wie lapidar der Luxemburger Gerichtshof über die heiklen Punkte hinwegsieht" – so etwa die Sorge vor einer Zentraldatei mit biometrischen Daten.
Rechtspolitik
Europäische Wirtschaftspolitik: Die Ministerpräsidenten Finnlands und Italiens, Jyrki Katainen und Enrico Letta fordern in einem Gastbeitrag für die FAZ, die Rechtssetzung in der Europäischen Union zu vereinfachen. Um Europa wettbewerbsfähig zu machen, müssten Rat, Parlament und Kommission die Auswirkungen von Gesetzesvorschlägen auf unternehmerisches Handeln beachten, überflüssige Vorschriften abschaffen und eine "gedeihende Wirtschaft" als maßgebliches gemeinsames Ziel beachten.
Datenschutz in der EU: Das Europäische Parlament hat sich auf ein Gesetzespaket zum Datenschutz geeinigt. Angesichts der NSA-Affäre soll sichergestellt werden, dass Kundendaten nur noch mt klarer gesetzlicher Grundlage an Drittstaaten wie die USA weiter gegeben werden dürfen, so spiegel.de. Der Rechtsausschuss des Parlaments werde dem wohl am Montag zustimmen, dann muss der Vorschlag mit dem Rat und der Kommission abgestimmt werden.
EU-Bürgerrechtsbeauftragte im Interview: zeit.de (Marlies Uken) führt ein Interview mit der neuen EU-Bürgerrechtsbeauftragten Emily O'Reilly. Sie berichtet über ihre Erfahrungen als Ombudsfrau in Irland und ihre Erwartungen an die EU-Behörden – die müssten "sich daran gewöhnen, sich zu öffnen".
Justiz
BGH legt EuGH zum Markenrecht vor: Der Europäische Gerichtshof muss die Frage klären, ob Markeninhaber eine Bankauskunft über Kontodaten verlangen können, wenn über das Konto gefälschte Markenprodukte verkauft wurden. Damit könnten Produktfälscher enttarnt werden. Der Bundesgerichtshof ist der Ansicht, dass sich aus der EU-Richtlinie zur Durchsetzung des geistigen Eigentums ein solcher Anspruch ergeben könnte, so die SZ (Wolfgang Janisch).
EuGH zu Ohrchip für Schafe: Schäfer müssen ihre Schafe weiterhin mit einer Ohrmarke und einem elektronischen Chip kennzeichnen. Die EU-Regelung, die bei der Bekämpfung von Tierseuchen helfen soll, sei kein unverhältnismäßiger Eingriff in die unternehmerische Freiheit der Schäfer, befand der Europäische Gerichtshof. Die taz (Christian Rath) berichtet über die Entscheidung.
EU-Kommission verklagt Deutschland: Die Europäische Kommission verklagt Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof wegen Lücken im Umweltrechtsbehelfsgesetz. Wie zeit.de meldet, ist EU-Umweltkommissar Janez Potočnik der Auffassung, dass deutsche Bürger beim Umgang mit Umweltverträglichkeitsprüfungen zu wenig Klagemöglichkeiten haben – das gelte auch, nachdem das beanstandete Gesetz im vorigen Jahr überarbeitet wurde.
BVerfG – Eurorettung: Der Augsburger Rechtsprofessor Reiner Schmidt schreibt in der FAZ zu der anstehenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Euro-Rettungsschirm ESM. Das Gericht habe "in der Geschichte der Bundesrepublik wohl kaum zuvor Wichtigeres zu entscheiden" gehabt. Bisher habe es zwar vermieden, sich zu weit in die Wirtschafts- und Währungspolitik einzumischen, nun ließe sich aber eine Verletzung elementarer Rechtsinstitute wie eines Wettbewerbs- und Demokratiegebots "gut begründen".
BVerfG – Länderfinanzausgleich: Im Streit um den Länderfinanzausgleich beruft sich das Land Bremen auf eine Expertise der "Forschungsstelle Finanzpolitik" der Universität Bremen. Demnach sei die von Bayern und Hessen vor dem Bundesverfassungsgericht angegriffene Einwohnerwertung als eine Grundlage des Länderfinanzausgleiches politisch sinnvoll und rechtlich nicht angreifbar, berichtet die taz-bremen (KAWE).
BGH zu Lotto- Zugewinn: Der Notar Herbert Grziwotz erläutert auf lto.de den Beschluss des Bundesgerichtshofes, wonach die Ex-Frau eines Lottogewinners am Gewinn zu beteiligen ist. Überraschend sei das nicht, das Gericht habe schon 1976 entschieden, dass ein Lottogewinn in den Zugewinnausgleich fällt. Ungerechtigkeiten sieht Grziwotz eher auf der Seite des ausgleichsberechtigten Ehepartners, so vor allem, dass grundsätzlich nur ein finanzieller Ausgleich, aber keine dingliche Beteiligung am gemeinsamen Erwerb möglich ist.
OLG München zu VG Wort: Die Verwertungsgesellschaft VG Wort darf bei ihrer jährlichen Ausschüttung keinen pauschalen Verlegeranteil abziehen, wenn der Autor eines Werkes seine Rechte nicht ausdrücklich an den Verlag abgetreten hat. Das Oberlandesgericht München hat ein entsprechendes Urteil des Landgerichts München bestätigt und damit dem Autor und Urheberrechtler Martin Vogel Recht gegeben. lto.de (Claudia Kornmeier) erläutert den Hintergrund und die möglichen Auswirkungen des Falles. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung wurde die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.
LG Braunschweig zu fahrlässiger Tötung: Das Landgericht Braunschweig hat einen 48-jährigen Mann zu einer Freiheitsstrafe von anderthalb Jahren auf Bewährung verurteilt, weil er seinen älteren, geistig behinderten Bruder verhungern ließ. Als gesetzlicher Betreuer hätte ihm der schlechte Zustand seines Bruders auffallen müssen, erklärte das Gericht laut spiegel.de. Die 73-jährige Mutter, bei der der Bruder lebte und im Februar 2012 starb, wurde wegen Schuldunfähigkeit nicht belangt.
AG Landau zu fahrlässiger Tätung: Ebenfalls um fahrlässige Tötung ging es in einem Strafverfahren vor dem Amtsgericht Landau. Drei junge Männer hatten im September 2012 einen Bekannten an ein Spielzeugkarussel gebunden, das sie mit einem Auto beschleunigten. Es kam zu einem Unfall, bei dem der 20-Jährige starb. Das Verfahren gegen den 21-jährigen Autofahrer wurde nun aber eingestellt, er muss Sozialstunden leisten. Wie spiegel.de meldet, wertete es die Kammer als strafmildernd, dass das Opfer ausdrücklich angebunden werden wollte.
LG Augsburg – Polizistenmord: Der Prozess um den Polizistenmord vor dem Landgericht Augsburg bleibt unterbrochen. Der Angeklagte Raimund M., der im Oktober 2011 zusammen mit seinem Bruder einen Polizisten getötet haben soll, gilt als verhandlungsunfähig. Ein Gutachter hatte eine Sprachstörung und eine schwere Depression festgestellt, nachdem M. 15 Monate in Isolationshaft untergebracht war. spiegel.de (Julia Jüttner) schildert den Fall. Obwohl die Haftbedingungen inzwischen erleichtert wurden, habe sich der Zustand des Angeklagten nicht wesentlich verbessert, der Prozess stehe auf der Kippe.
LG Bremen – Brechmittelprozess: Wie die taz-nord (Simone Schnase) berichtet, droht der mittlerweile dritte sogenannte Brechmittelprozess vor dem Landgericht Bremen zu platzen. Der Polizeiarzt Igor V. sei verhandlungsunfähig, er befinde sich in einem psychiatrischen Krankenhaus. Grund sei der Druck der seit 2008 laufenden Prozesse. Nach einem tödlichen Brechmitteleinsatzes gegen einen mutmaßlichen Drogenhändler im Januar 2005 ist V. wegen Körperverletzung mit Todesfolge angeklagt. Das Landgericht sprach ihn bereits zweimal frei, der Bundesgerichtshof hat beide Freisprüche mit scharfer Kritik kassiert.
Recht in der Welt
Großbritannien – Rechtsgrundlagen des GCHQ: Der Geheimdienstausschuss des britischen Parlament prüft nun die gesetzlichen Auflagen für die Spähaktionen des Geheimdienstes GCHQ. Es sei fraglich, ob Gesetze aus den neunziger Jahren heute noch wirksamen Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre im Internet leisten könnten. spiegel.de berichtet knapp.
Iran – Menschenrechtler kritisieren Hinrichtung: spiegel.de berichtet von einem Fall im Iran, wonach ein verurteilter Drogenhändler gehängt wurde, aber überlebte. Er soll erneut gehängt werden. Amnesty International fordert, die geplante Exekution zu stoppen.
Juristische Ausbildung
"Herrschende Meinung": Was macht die "herrschende Meinung" in Juraklausuren? Der Rechtswissenschaftler Christian Djeffal stellt auf juwiss.de Überlegungen vor, wie Jurastudierende mit Meinungsstreitigkeiten umgehen können.
Sonstiges
Sicherungsverwahrte im Hungerstreik: Die taz-nord (Teresa Havlicek) berichtet über einen Hungerstreik von sechs Sicherungsverwahrten in der Justizvollzugsanstalt Rosdorf. Sie protestieren gegen die Bedingungen ihrer Unterbringung.
Das Letzte zum Schluss
"Blitzer-Highlights": Die Stadt Abensberg (Niederbayern) veröffentlicht auf ihrer Facebookseite Bilder von auffälligen Auto- und Motorradfahrern, die in eine Geschwindigkeitskontrolle gerauscht sind. Die "Blitzer-Highlights September 2013" könnten die Verantwortlichen in Abersberg aber selbst zu einem Fall für den Staatsanwalt machen, meint Udo Vetter (lawblog.de). Es handele sich nämlich um amtliche Schriftstücke eines Bußgeldverfahrens - und die dürfen nicht veröffentlich werden, während das Verfahren noch läuft.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ak
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 18. Oktober 2013: EuGH für biometrischen Pass – BGH legt Markenrecht vor – Brechmittelprozess könnte platzen . In: Legal Tribune Online, 18.10.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9839/ (abgerufen am: 18.05.2024 )
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