Die Staatsanwaltschaft Stuttgart schließt ihre Porsche-Ermittlungen ab. Außerdem in der Presseschau: Argument für unabhängige Staatsanwaltschaft, rockender Richter in Berlin, Anti-Terror-Gesetz in Ägypten und rabiater Ex-Chef.
Thema des Tages
StA Stuttgart - Porsche: Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft hat ihre Ermittlungen wegen möglicher Marktmanipulationen beim gescheiterten Übernahmeversuch von Volkswagen offiziell abgeschlossen. Die damaligen Aufsichtsratsmitglieder Wolfgang Porsche, Ferdinand Piëch, Ulrich Lehner sowie Betriebsratschef Uwe Hück hätten damit nichts mehr zu befürchten, so die FAZ (Joachim Jahn). "Warm anziehen" müsse sich dagegen der frühere Porsche-Kommunikationschef Anton Hunger. Gegen ihn war Anklage wegen Beihilfe zur informationsgestützten Marktmanipulation erhoben worden. Ob diese in dem am 22. Oktober vor dem Landgericht Stuttgart beginnenden Verfahren gegen Ex-Vorstandschef Wendelin Wiedeking und Ex-Finanzvorstand Holger Härter mitverhandelt wird, sei nach wie vor unbekannt. Die SZ (HM) stellt in ihren "Personalien" Hans Richter, den leitenden Oberstaatsanwalt in Stuttgart, vor. Der "Porsche-Jäger" habe die Ermittlungen maßgeblich vorangetrieben. Im Herbst erwartet ihn die Alterspensionierung.
Dass die "Firmenpatriarchen" Wolfgang Porsche und Ferdinand Piëch ebenso wie "ihr Arbeiterführer" Uwe Hück eine Anklage in der Sache erspart geblieben ist, führt Joachim Jahn (FAZ) vor allem auf rechtliche Unsicherheiten bei der Festlegung einer Garantenpflicht dieser Vorstandsaufseher zurück. Angesichts des "taktischen Schachzugs" der Ermittlungseinstellung könnten die Betroffenen in dem ab Oktober vor dem Landgericht Stuttgart geführten Verfahren gegen Wiedeking nun kaum noch die Aussage verweigern.
Rechtspolitik
Asylpolitik: Die FAZ (Michael Stabenow) erinnert daran, dass sich bereits im Oktober 1999 ein EU-Gipfel ein "Gemeinsames Europäisches Asylsystem" zum Ziel gesetzt hatte. Trotz großer Ferne dieses Ziels seien gemeinsame Anstrengungen zu verzeichnen, von denen der Beitrag einige vorstellt. So wolle die EU-Kommission noch vor Jahresende einen verbindlichen Mechanismus zur Lastenteilung bei der Aufnahme von Asylbewerbern vorschlagen.
Nach Vorschlägen zur Leistungskürzung für Flüchtlinge gibt spiegel.de (Anna Reiman/Vera Kämper) einen Überblick zum gegenwärtig gewährten Taschengeld.
Kurt Graulich: Die taz (Christian Rath) stellt Kurt Graulich vor. Bis zum vergangen Februar Richter am Bundesverwaltungsgericht, ist er gegenwärtig mit der Prüfung der NSA-Selektorenliste betraut. In einem der Zeitung vorliegenden, demnächst erscheinenden Aufsatz, habe Graulich den gegenwärtigen Entwurf zur Vorratsdatenspeicherung in deutlichen Worten kritisiert.
Europäische Einpersonengesellschaft: Das Europäische Parlament soll demnächst über einen Richtlinienvorschlag zur europäischen Einpersonengesellschaft SUP entscheiden. In einem Gastbeitrag für das Handelsblatt begrüßt Rechtsanwalt Niels George das Vorhaben als Mittel zur Stärkung von "Gründergeist und Mobilität". Die Kritik an geringeren Gründungsvoraussetzungen und verminderter Kontrolle erinnere an jene vor Einführung der Unternehmergesellschaft. Dabei sollte es Vorrecht des Marktes sein, über Sinn und Nutzen "zu richten".
Pflegestärkungsgesetz: Ein von der Bundesregierung vorgestellter Entwurf eines Zweiten Pflegestärkungsgesetzes sieht zahlreiche Änderungen, unter anderem etwa bei der Definition von Pflegebedürftigkeit, vor. Eine kritische Würdigung des Entwurfs unternehmen für lto.de Jana Schlipf und Franz Dillmann vom Landschaftsverband Rheinland.
Justiz
BFH zu Zivilprozesskosten: In seinem "Steuerthema der Woche" macht das Handelsblatt (Marko Wieczorek) auf ein Urteil des Bundesfinanzhofs vom Juni aufmerksam. Nach diesem können die Kosten eines Zivilprozesses nur noch in absoluten Ausnahmefällen als außergewöhnliche Belastungen bei der Einkommensteuer in Abzug gebracht werden.
OLG Hamm zu Kostenerstattung: Nach einem Kostenfestsetzungsbeschluss des Oberlandesgerichts Hamm aus dem Mai sind einem Verteidiger die Kosten für die Anschaffung zweier Festplatten zur Spiegelung von staatsanwaltlich überreichten Festplatten zu erstatten. Wie beck.blog.de (Hans-Jochem Mayer) berichtet, war das Datenvolumen der Beweismittel so ungewöhnlich groß, dass es den allgemeinen Speicherbedarf bei weitem überstieg. Allerdings müsse nach Abschluss des Strafverfahrens der Anwalt dem Gericht die Festplatten nach § 667 Bürgerliches Gesetzbuch aushändigen.
LG Köln – Zuckerkartell: Nach einer Meldung der FAZ haben nun auch mehrere Lebensmittelunternehmen diverse Zuckerproduzenten wegen der Beteiligung an einem Kartell auf Schadensersatz verklagt. Nach Angabe einer Sprecherin des Landgerichts Köln belaufe sich der Streitwert auf über 118 Millionen Euro.
LG Ravensburg – bekömmliches Bier: Zu der am kommenden Donnerstag vom Landgericht Ravensburg zu entscheidenden Frage der Zulässigkeit einer Werbung für Bier als bekömmlich stellt die FAZ (Susanne Preuß) in ihrem Wirtschaftsteil den beklagten Brauer in einem ausführlichen Porträt vor.
VG München zu Lehrer-Entlassung: Der Freistaat Bayern darf nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts München einen Lehrer, der einer Schülerin in einer E-Mail sexuelle Fantasien mitteilte, aus dem Beamtenverhältnis entlassen, meldet spiegel.de. Der ehemalige Gymnasiallehrer war in der Sache bereits zu einer Geldstrafe verurteilt worden.
StA Köln – Korruption: Die SZ (Klaus Ott) berichtet ausführlich über Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Köln gegen den Transportkonzern Schenker und den Autobauer Ford. Die Unternehmen sollen durch Schmiergeldzahlungen an den Zoll in St. Petersburg/Russland eine bevorzugte Zollabfertigung sichergestellt haben. Die Vorwürfe beschäftigten mittlerweile auch die US-amerikanische Börsenaufsicht SEC. Deren Beamte säßen bei Vernehmungen nun "mit am Tisch".
Asylklagen: Am Beispiel des Verwaltungsgerichts Düsseldorf beschreibt nun auch die FAZ (Reiner Burger) die Auswirkungen einer erhöhten Anzahl von Klagen abgelehnter Asylbewerber. Nach Aussage der Pressesprecherin des Gerichts müssten sich mittlerweile alle der mehr als 90 Richter des Hauses mit Asylrecht befassen. Die "meist aus Serbien, Bosnien-Herzegowina, dem Kosovo und aktuell vor allem aus Albanien" stammenden Kläger unterlägen in ihren Verfahren regelmäßig, nur ganz wenigen würde Abschiebeschutz aus gesundheitlichen Gründen gewährt.
Unabhängige Staatsanwaltschaft: In einem Gastkommentar für das Handelsblatt spricht sich Stefan Voigt, Direktor des Instituts für Recht und Ökonomik an der Uni Hamburg, dafür aus, "auch in Deutschland die Staatsanwaltschaft endlich in die Unabhängigkeit zu entlassen". Eine vom Autor mitverfasste Studie zur legalen und tatsächlichen Unabhängigkeit internationaler Anklagebehörden hätte ergeben, dass fehlende faktische Unabhängigkeit eine wesentliche Ursache für Korruption sei.
Punkrockrichter: In ihrem Jetzt.de-Teil stellt die SZ (Christian Endt) Yonas Farag vor, der Richter am Sozialgericht Berlin und daneben Gitarrist der Punkrockband Montreal ist.
Recht in der Welt
ICTR: Zum Jahresende stellt der in Arusha/Tansania tagende Internationale Strafgerichtshof für Ruanda seine Arbeit ein. lto.de erinnert an dessen Aufgabe, die juristische Aufarbeitung des Genozids in Ruanda, und die vom Gericht geschaffenen "Meilensteine der internationalen Strafgerichtsbarkeit".
Ägypten – Terrorismus: Mit der Unterschrift des ägyptischen Präsidenten Abd al Fattah al Sisi ist ein neues Antiterrorgesetz in Kraft getreten. Neben Todesstrafe oder lebenslänglicher Haft für Gründung oder Führung einer terroristischen Gruppierung sehe das neue Gesetz auch Geldstrafen für die Verbreitung von Informationen über Terrorgruppen oder Anschläge vor, die Regierungsangaben widersprechen, so die SZ (Paul-Anton Krüger). Angehörigen von Sicherheitskräften garantiere das Gesetz dagegen Straffreiheit für "verhältnismäßige Anwendung von Gewalt in Ausübung ihrer Pflichten" beim Anti-Terror-Kampf.
In einem Kommentar beklagt Daniel Bax (taz) das Schweigens des "Westens zu den Menschenrechtsverletzungen am Nil". Noch immer halte sich die Vorstellung vom kleineren Übel des Präsidenten al-Sisi, dabei lasse dessen Regime jenes seines Vorgängers Mubarak mittlerweile als "kommode Diktatur erscheinen". Daniel Dylan-Böhmer (Welt) gibt den "Hintergrund zerfallender Staaten im Nahen Osten" und die hierdurch bedingte "Erosion von Staatlichkeit" zu bedenken. Es sei wohlfeil von Kairos Demokratie, die Bekämpfung von Terrorgruppen und auch gleich noch die "Eindämmung der Flüchtlingsströme" zu fordern, gleichzeitig aber bei "demokratischer Terrorbekämpfung" kein Vorbild zu sein.
Sonstiges
Europäisches Erbrecht: Auch die SZ (Heribert Prantl) befasst sich nun mit der EU-Erbrechtsverordnung, die "deutsche Mallorca-Rentner, Südfrankreich-Pensionisten und Toskana-Fraktionäre" ab sofort in ihren Wortschatz aufnehmen sollten. Der Beitrag stellt den Grundsatz der Nachlasseinheit und die Möglichkeit der Wahl des anzuwendenden Erbrechts als wesentliche Inhalte der Verordnung vor.
Netzpolitik.org: Am kommenden Mittwoch tagt der Rechtsausschuss des Bundestags zur "Netzpolitik.org"-Affäre. Wie lto.de meldet, sind zu der Sitzung Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD), der scheidende Generalbundesanwalt Harald Range, Bundesinnenminister Thomas de Maiziére (CDU) sowie Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen eingeladen. Ob sie kämen, sei unklar, eine diesbezügliche Pflicht bestehe nicht.
Auschwitz-Prozess: Die Welt erinnert an die Verkündung der Urteile im ersten Auschwitz-Prozess vor nunmehr 50 Jahren. Dieses Verfahren sei maßgeblich von den Bemühungen des hessischen Generalstaatsanwaltes Fritz Bauer geprägt gewesen. Mit seiner Ansicht, dass die Tätigkeit im Konzentrationslager in jedem Fall als Beihilfe zum Mord zu werten sei, habe sich Bauer beim Landgericht Frankfurt/M., dass nach den Worten eines Prozessbeobachters die völkerrechtlich geprägte Nürnberger Rechtsprechung der alliierten Siegermächte nicht fortsetzen wollte, nicht durchsetzen können.
Rundfunkbeitrag: Die SZ (Berrit Gräber) stellt klar, dass der Rundfunkbeitrag auch für Zweitwohnungen, aber auch Gartenlauben oder Datschen zu entrichten ist. Für Kleingartenanlagen bestehe allenfalls dann eine Ausnahme von der Beitragspflicht, wenn dort nachweislich weder Strom noch Wasser anliegen.
Das Letzte zum Schluss
Arbeitskräftemangel: Auf äußerst rabiate, nun vom Landgericht Osnabrück zu bewertende Weise, versuchte ein Bauunternehmer einen Mitarbeiter, der wegen Lohnrückständen gekündigt hatte, von weiterer Mitarbeit zu überzeugen. Zwei Pistolenschüsse ins Bein erzielten jedoch trotz der Worte "Ich bin gekommen, um Dich zur Arbeit zu holen", nicht den gewünschten Effekt, dafür muss sich der Mann nun wegen versuchten Totschlags verantworten. Für bild.de ist der Fall ein Beleg für den "Fachkräftemangel im Handwerk".
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 18. August 2015: StA fertig mit Porsche – Unabhängigkeit der StA? – Terrorbekämpfung auf ägyptisch . In: Legal Tribune Online, 18.08.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16633/ (abgerufen am: 17.05.2024 )
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