Die Nicht-Superrevisionsinstanz legt selbst Revision ein: Im Lexxpress-Verfahren zieht das Bundesverfassungsgericht vor das Bundesverwaltungsgericht. Außerdem in der Presseschau: Mollath fast entlassen, E-Zigaretten vor Gericht, ohne Radhelm Mitschuld, griechischer Staatsrundfunk muss wieder senden – und warum ausgeraubte Ballermann-Touristen kein Mitleid erwarten können.
Lexxpress – BVerfG geht in Revision: In dem Rechtsstreit zwischen dem Datenbankanbieter Lexxpress und dem Bundesverfassungsgericht über die öffentliche Verfügbarkeit aufbereiteter Urteile hat das Bundesverfassungsgericht nach der Niederlage vor dem Verwaltungsgerichtshof Mannheim nun Revision zum Bundesverwaltungsgericht eingelegt. Die Badische Zeitung (Christian Rath) berichtet und gibt einen chronologischen Überblick über die Auseinandersetzung von Lexxpress mit der Justiz.
Weitere Themen – Rechtspolitik
Justizministerin gegen Überwachung: Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) wirft den großen IT-Konzernen Google, Microsoft und Apple vor, sich hinter Geheimhaltungspflichten "zu verschanzen" und so eine Aufklärung des Ausmaßes der Überwachung der Internet-Kommunikation zu behindern. Nutzer müssten die Möglichkeit haben, ihre Kommunikation geheimzuhalten oder jedenfalls das Ausmaß der Überwachung kennen, so die Ministerin gegenüber der SZ (Heribert Prantl). Auch habe sie Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) "eindringlich" davor gewarnt, dem US-Überwachungsprogramm "Prism" nachzueifern.
EKD fordert Gleichstellung: In ihrer neuen "Orientierungshilfe" zum Thema Familie fordern die Evangelischen Kirchen in Deutschland eine radikale Modernisierung der staatlichen Familienpolitik und dabei insbesondere eine konsequente Gleichstellung der Geschlechter. Die FAZ (Reinhard Bingener) stellt das "bemerkenswerte Dokument" vor, mit dem sich die EKD als "progressive gesellschaftliche Kraft" profiliere.
G8 gegen Steuerschlupflöcher: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will beim laufenden G8-Gipfel auf "möglichst konkrete Beschlüsse im Kampf gegen Steuerhinterziehung" hinwirken. Dabei ginge es nicht hauptsächlich um kriminelle Steuerhinterziehung, sondern vor allem um legale Steuervermeidung. Als Vorlage solle ein Regelungsvorschlag der OECD dienen, berichtet die FAZ (Joachim Jahn/Henrike Roßbach).
Kameras in Gerichtssälen: In einem Essay für die Welt kritisert der n-tv-Gründer Karl-Ulrich Kuhlo das Verbot der Live-Übertragung von Gerichtsverhandlungen als "nicht mehr zeitgemäß". Unter Berufung auf ein Minderheitenvotum dreier Richter in einem die Rechtslage bestätigenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2001 stützt er sich auf ein gewandeltes gesellschaftliches Verständnis von Öffentlichkeit und fordert eine Öffnung der Gerichtssäle für Kameras. Dabei argumentiert er nicht zuletzt mit der dadurch erreichbaren Stärkung der Glaubwürdigkeit der Justiz.
PartG mbBH und E-Government: In einem Gastbeitrag für lto.de berichten die beiden Mitarbeiter des Bundestags Thomas Robl und Marek Steffen Schadrowski über die beiden letzten großen rechtspolitischen Projekte dieser Legislaturperiode, die neue Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung und das E-Government-Gesetz. Dabei legen sie einen Schwerpunkt auf das Zustandekommen und die noch bestehenden Risiken hinsichtlich des Inkrafttretens der Gesetze.
Weitere Themen – Justiz
Fall Gustl Mollath – Beinahe-Entlassung: Der Fall Gustl Mollath ist um eine Kuriosität reicher: Wie die SZ im Bayern-Teil berichtet sei Mollath, hinsichtlich dessen Einweisung ein Wiederaufnahmeverfahren anhängig ist, am Montag aufgrund eines gefälschten Faxes beinahe irrtümlich aus der Psychiatrie entlassen worden. Auch zeit.de berichtet von der Beinahe-Entlassung.
Fall Gustl Mollath – Wiederaufnahme: Hinsichtlich der in der Begründung des Wiederaufnahmeantrags der Staatsanwaltschaft im Vergleich zu ihrem Entwurf fehlenden Rechtsbeugungsvorwürfe fragt sich Thomas Stadler (internet-law.de), wer wohl den Staatsanwalt "zurückgepfiffen" habe.
StGH Bremen zu Atomtransportverbot: Hinsichtlich der Klage von CDU-Oppositionspolitikern gegen die Sperrung der Bremer Häfen für den Umschlag von Kernbrennstoffen hat sich der Bremer Staatsgerichtshof für unzuständig erklärt. Die SZ (Ch. Frank/F. Obermaier) berichtet und erläutert den Hintergrund des Rechtsstreits. Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts könne nur der Bund herbeiführen. Auch lto.de berichtet und zitiert aus dem Minderheitenvotum dreier Richter.
NSU – Ermittlungen wegen Nürnberger Rohrbombenanschlags: Die Bundesanwaltschaft hat gegen die Hauptangeklagte im NSU-Prozess Beate Zschäpe nun offiziell Ermittlungen wegen eines 1999 missglückten Rohrbombenanschlags auf einen türkischen Kneipenwirt in Nürnberg eingeleitet. Der Anschlag sei erst durch die Aussage des Mitangeklagten Carsten S. mit dem NSU in Verbindung gebracht worden, erläutert die SZ (Annette Ramelsberger). Auch focus.de berichtet.
LG Frankfurt – E-Zigaretten-Prozess: Vor dem Frankfurter Landgericht hat am Montag der Prozess gegen einen Vertreiber von E-Zigaretten begonnen. Angeklagt wegen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz verteidige sich der Online-Händler damit, dass E-Zigaretten kein Arzneimittel und auch kein Tabakprodukt und damit frei verkäuflich seien, so die FAZ (Helmut Schwan).
VG Trier zu Entlassung wegen JVA-Sex: Das Verwaltungsgericht Trier hat die Entlassung eines Justizvollzugsbeamten wegen einvernehmlichem Sex mit einer Gefangenen bestätigt. Es handele sich um eine "besonders gravierende Verfehlung" und Verletzung der Dienstpflichten, so das Gericht laut einer Meldung der taz.
BVerfG – EZB: Im Interview mit dem Handelsblatt (Dorit Heß) erklärt Clemens Fuest, Chef des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung und einer der vom Bundesverfassungsgericht im EZB-Verfahren gehörten Sachverständigen, dass er nicht erwarte, dass das Gericht versuchen werde, die EZB zu stoppen. Gleichzeitig habe die Diskussion über das Mandat der Zentralbank "allen genutzt".
In einem weiteren Artikel erläutert das Handelsblatt (Jens Münchrath) die finanz- und geldpolitische Bedeutung des Verfahrens sowie die möglichen Folgen eines Urteils.
BayVerfGH zu kommunalem Stimmrecht für EU-Bürger: Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat laut lto.de eine Klage gegen die bayerische Gemeindeordnung und das bayerische Wahlgesetz abgewiesen. Mehrere Privatpersonen hatten geklagt, weil die Gesetze EU-Ausländern mit Wohnsitz in Bayern die Teilnahme an kommunalen Bürgerbegehren und -entscheiden ermöglichten.
BGH – Vorlagebeschluss zu Youtube-Einbettung: Thomas Stadler (internet-law.de) bespricht und kritisiert den nun im Volltext verfügbaren Vorlagebeschluss des Bundesgerichtshofs zum Europäischen Gerichtshof betreffend die Urheberrechtsverletzungen durch die Einbettung von Youtube-Videos. Die Ansicht des BGH, im Verweis auf ein Video liege ein Zueigenmachen des Inhalts, sei eine "Uralt-Konstruktion" und gehe von falschen technischen Voraussetzungen aus.
BGH zu AG-Übernahme: Aktionäre haben im Fall der Übernahme von 30 Prozent der Aktien eines börsennotierten Unternehmens keinen individuellen Anspruch auf Abnahme ihrer Aktien durch den Erwerber. Zwar müsse dieser den übrigen Aktionären nach den Regelungen des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes ein Angebot machen – unterlasse er dies, sei es aber Aufgabe der Bankenaufsicht BaFin einzuschreiten. Aus der Regelung ergebe sich kein Individualanspruch der übrigen Aktionäre, berichtet der Wirtschaftsrechtler Ulrich Noack auf dem Handelsblatt-Rechtsboard von der Entscheidung des Bundesgerichtshofs.
BAG zu Urlaub nach dem Tod: Die Erben eines verstorbenen Mitarbeiters erwerben keinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung. Mit diesem Urteil bestätige das Bundesarbeitsgericht laut blog.beck.de (Christian Rolfs) seine "neue Linie" im Urlaubsrecht.
OLG Schleswig-Holstein zu Fahrradhelmen: Wer sich als helmloser Radfahrer bei einem Verkehrsunfall eine Kopfverletzung zuzieht, die durch einen Fahrradhelm verhindert oder gemindert worden wäre, trägt eine Mitschuld. Das hat nach einer Meldung der taz das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein entschieden.
FG Köln zu EU-Auslandsverlusten: Finale Verluste eines Unternehmens im EU-Ausland müssen vom Finanzamt steuermindernd berücksichtigt werden. Das hat nach einer Meldung der Welt das Finanzgericht Köln entschieden. Es habe sich dabei auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs gestützt.
StA München – Ermittlungen gegen Ulrich Enzensberger: Im Zusammenhang mit dem Brandanschlag auf das Wohnhaus des Münchner Richters Albert Weitl im Jahr 1970, der der linksradikalen Gruppierung "Tupamaros München" zugeschrieben wird, ermittelt die Münchner Staatsanwaltschaft wegen versuchten Mordes mittlerweile auch gegen Ulrich Enzensberger, den Bruder des Schriftstellers Hans Magnus Enzensberger. Sollte es zu einem Prozess kommen, so könnte dabei "wie unter der Lupe" "ein Mikrokosmos des deutschen Linksradikalismus erkennbar werden", meint Lorenz Jäger im Feuilleton der FAZ.
Im Feuilleton der Welt findet sich ein ausführlicher Hintergrundartikel des Politologen Wolfgang Kraushaar, dessen im Februar erschienenes kontroverses Buch erst zu neuen Ermittlungen geführt hatte.
StA Frankfurt – Ermittlungen gegen Börsenhändler: Laut SZ hat die Frankfurter Staatsanwaltschaft einen Bericht der Wirtschaftswoche bestätigt, wonach jene gegen Börsenhändler wegen der Manipulation von Aktienumsätzen ermittele. Hintergrund sei der Umstand, dass Aktienumsätze ein wichtiges Kriterium für die Aufnahme einer Aktie in Indizes der Deutschen Börse seien. Während ein Verfahren gegen Strafzahlungen bereits eingestellt worden sei, sei ein weiteres Ermittlungsverfahren noch anhängig. Auch das Handelsblatt (Michael Brächer) berichtet.
Weitere Themen – Recht in der Welt
Griechenland – Staatsrundfunk muss wieder senden: Das höchste griechische Verwaltungsgericht hat am Montagabend im Wege einer einstweiligen Verfügung entschieden, dass der seit einer knappen Woche geschlossene griechische Staatsrundfunk ERT "einstweilen" wieder auf Sendung gehen muss, bis über eine Neuordnung des staatlichen Rundfunks entschieden sei. Über die Entscheidung und die Auseinandersetzung um den Sender berichtet spiegel.de.
Niederlande – getöteter Linienrichter: Im niederländischen Lelystad hat ein Gericht sieben Angeklagte wegen ihres tödlichen Angriffs auf einen Linienrichter im Anschluss an ein Amateur-Fußballspiel zu "drastischen" Haftstrafen verurteilt. Wie die Welt (Tim Röhn) im Sport-Teil berichtet, erkannte das Gericht auf Körperverletzung mit Todesfolge und verhängte Strafen zwischen einem und sechs Jahren sowie in einem Fall wegen Körperverletzung 30 Tage Dauerarrest.
Türkei – Vorgehen gegen Rechtsanwälte: Über das drastische Vorgehen der türkischen Polizei und Justiz gegen Rechtsanwälte im Zusammenhang mit den Demonstrationen in Istanbul und die Reaktionen der türkischen, deutschen sowie der Internationalen Anwaltskammer berichtet lto.de (Markus Sehl).
Sonstiges
NS-Mitarbeiter im BMJ: Im Feuilleton der FAZ (Björn Hayer) findet sich ein Interview mit dem Marburger Straf- und Völkerrechtler Christoph Safferling, der gemeinsam mit dem Potsdamer Historiker Manfred Görtemaker die NS-Belastung des Bundesjustizministeriums aufarbeitet. Dabei erläutert der Wissenschaftler, dass er sich auf die Beeinflussung von Gesetzesvorlagen durch ehemalige NS-Juristen konzentriere. Prominentestes Beispiel sei das Einführungsgesetz zum Ordnungswidrigkeitengesetz von 1968, das durch eine Änderung des Strafgesetzbuchs zur Verjährung vieler NS-Taten geführt habe. Die Untersuchung habe zudem ergeben, dass noch Mitte der sechziger Jahre alle Abteilungsleiter im BMJ "in unterschiedlichen Graden" NS-belastet waren.
Zufallsprinzip im Wirtschaftsstrafrecht: Der Münchner Rechtsanwalt und Professor für Wirtschaftsstrafrecht Klaus Volk erläutert in einem Gastbeitrag für das Handelsblatt, warum vor allem im Wirtschaftsstrafrecht neben dem Schuld- auch das Zufallsprinzip gelte. Zwar komme es beim Tatbestand der Untreue eigentlich nicht auf einen schädigenden Erfolg an. Jedoch würde kein Staatsanwalt bei einem die Strafbarkeitsschwelle überschreitenden riskanten Geschäft, das am Ende zufällig gut ausgehe, Ermittlungen einleiten – es sei denn er wolle Gefahr laufen, "in die Psychiatrie eingewiesen" zu werden.
Das Letzte zum Schluss
Ausgeraubt am Ballermann: Auf Mallorca drohen dem nichtsahnenden Partytouristen offensichtlich ganz besondere Gefahren: Banden nigerianischer Prostituierter rauben zuhauf betrunkene Urlauber aus. Und gerüchteweise zeige die Polizei dabei noch nicht einmal großen Ermittlungseifer, weil es an Mitleid für die Opfer fehle – die mittlerweile durch Reiseveranstalter, Plakate, Flugblätter und Nachrichtensender gewarnt würden, so die SZ (Thomas Urban).
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/thd
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 18. Juni 2013: BVerfG legt Revision ein – E-Zigaretten vor Gericht – Ohne Radhelm Mitschuld . In: Legal Tribune Online, 18.06.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8951/ (abgerufen am: 07.05.2024 )
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