Dicke Akten, dünne Beweislage: Die Staatsanwaltschaft will die Ermittlungen zur Wulff-Affäre gegen Auflage einstellen. Außerdem in der Presseschau: Nebeneinkünfte von Abgeordneten, Verfassungsrichter Kirchhof im Interview, der EuGH könnte Gaskunden beglücken, Vorberichte zur Deal-Entscheidung des BVerfG und was Artus bei der sächsischen Justiz zu suchen hat.
Wulff-Affäre – Staatsanwaltschaft will einstellen: Die Staatsanwaltschaft Hannover will die Ermittlungen gegen den ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff und David Groenewold offenbar gegen Geldauflagen von insgesamt bis zu 50.000 Euro einstellen. Von den zahlreichen Vorwürfen gegen Wulff wird mittlerweile nur noch ein Fall aufrecht erhalten: Groenewald soll etwa 400 Euro Hotelkosten für Wulff übernommen haben, dieser habe sich im Gegenzug für die Vermarktung von Groenewolds Film eingesetzt. Die Staatsanwaltschaft nimmt Bestechung und Bestechlichkeit an. Ob sich Wulff und Groenewold auf die Einstellung einlassen gilt als unsicher. Es berichten die Montags-SZ (Hans Leyendecker) und die Montags-taz (Christian Rath). Der Spiegel (Jürgen Dahlkamp/Michael Fröhlingsdorf/MartinU.Müller) schildert detailliert den bisherigen Gang der Ermittlungen.
In einem gesonderten Kommentar schreibt Hans Leyendecker (Montags-SZ), es sei richtig, dass die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren eröffnet hatte – nun müsse man aber befürchten, sie habe sich "verheddert" und mache Wulff "mürbe", anstatt ohne Auflagen einzustellen.
Weitere Themen – Rechtspolitik
Nebeneinkünfte von Abgeordneten: Der Bundestag hat am Freitag die Verhaltensregeln für Abgeordnete geändert. Nach der Bundestagswahl im Herbst müssen Abgeordnete ihre Nebeneinkünfte in zehn Stufen, statt wie bisher in drei Stufen angeben, die höchste Stufe umfasst dabei Einnahmen von mehr als 250.000 Euro. Das berichtet die Samstags-FAZ (Günter Bannas).
EU-Datenschutzverordnung: Die Samstags-taz (Christian Rath) berichtet von einer Veranstaltung der Bundesrechtsanwaltskammer, bei der sich der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesinnenminister, Ole Schröder (CDU), und der EU-Parlamentarier Jan Philipp Albrecht für ein weitergehendes europäisches Datenschutzrecht aussprachen. Der Richter und Bürgerrechtler Ulf Buermeyer forderte demnach klare Vorgaben zur Abwägung von Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrechten und eine Prüfungskompetenz des Bundesverfassungsgerichts auch bei europäischen Grundrechten.
Ehegattensplitting für Homo-Paare: Angesichts der Debatte um das Ehegattensplitting weist die FR (Markus Sievers) darauf hin, dass homosexuelle Lebenspartner in den meisten Bundesländern schon vom Ehegattenplitting profitieren können, indem sie beantragen, dass die Einzelbesteuerung ausgesetzt wird.
Bürgerbeteiligung bei Gesetzgebung: Die baden-württembergische Landesregierung hat eine Internetseite namens "Beteiligungsportal-BW" freigeschaltet, auf der Bürger über Gesetzesvorhaben diskutieren können. Die Samstags-FAZ (Rüdiger Soldt) stellt das Projekt vor.
Weitere Themen - Justiz
Debatte um BVerfG: Der Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, Ferdinand Kirchhof, hat mit einem Interview im SWR in die Debatte um die Rolle des Verfassungsgerichts eingegriffen. Er äußert sich zur Homo-Ehe und betont, von einem Abstandsgebot zwischen Lebenspartnerschaft und Ehe stehe im Grundgesetz "nichts drin". Zudem nimmt er Präsident Voßkuhle in Schutz, der wegen eines Hintergrundgesprächs mit Journalisten kritisiert worden war. Kirchhof geht auch auf das Verhältnis des Verfassungsgerichts zum Europäischen Gerichtshof ein und betont, beide Gerichte hätten unterschiedliche Aufgaben. swr.de veröffentlicht ein Zusammenfassung des Gesprächs und das Manuskript der Sendung.
EGMR zu Präventivhaft: Der Rechtsanwalt Sebastian Söllner bespricht auf lto.de die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, wonach die deutsche Polizei einen Fußball-Hooligan vorbeugend in Haft nehmen durfte. Söllner hält das Sondervotum, wonach die Ingewahrsamnahme gerechtfertigt war, um eine Straftat zu verhindern, für überzeugender als die mehrheitliche Begründung, die auf eine präventive Beugehaft abstellt.
EuGH – Gaspreise: Die Generalanwältin am EuGH hat in ihren Schlussanträgen angenommen, dass Preisanpassungsklauseln in bestimmten Gasverträgen des Energiekonzerns RWE gegen EU-Recht verstoßen. Wie der Spiegel (Vorabmeldung auf spiegel.de) meldet, könnten von einer entsprechenden Entscheidung Millionen Kunden, auch bei anderen Gasanbietern, profitieren.
BVerfG – Deals im Strafprozess: Am Dienstag wird das Bundesverfassungsgericht über Absprachen im Strafgesetz, sogenannte Deals, entscheiden. Die Samstags-FAZ (Reinhard Müller/Helene Bubrowski) beginnt in zwei Analysen mit der Vorberichterstattung. Müller nimmt an, Karlsruhe werde auf eine bessere Kontrolle drängen, Bubrowski geht davon aus, dass die Entscheidung an der Praxis letztlich nichts ändern wird, weil die Deals Richtern, Staatsanwälten und Anwälten Arbeit ersparen. Die Montags-SZ widmet der bevorstehenden Entscheidung das Thema des Tages: Heribert Prantl vergleicht die Praxis der Deals mit Notwehr – allerdings würden die Richter zum "Notwehrexzess" neigen und sich nicht an die gesetzlichen Vorschriften halten. Wolfgang Janisch erklärt, warum die Gerichte immer stärker überbelastet sind. Einen Überblick über die Kritik an den Deals gibt der Spiegel (Gisela Friedrichsen/Dietmar Hipp).
BGH zu Zinssatz: lawblog.de (Udo Vetter) stellt eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom Februar vor, wonach die Formulierung "8 % Zinsen über dem Basiszinssatz” in einem Gerichtsurteil in der Regel "acht Prozentpunkte über dem Basiszinssatz" meine. Vetter weist zudem darauf hin, dass bisher auch ungeklärt sei, was bei einem negativen Basiszinssatz geschuldet wird.
BAG zu Arbeitnehmerzahl und Leiharbeitern: Der Rechtsanwalt André Zimmermann erläutert auf dem Handelsblatt Rechtsboard die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, wonach bei der für die Größe des Betriebsrates maßgeblichen Arbeitnehmeranzahl auch zu berücksichtigen ist, wieviele Leiharbeiter der Betrieb üblicherweise beschäftigt. Der Beschluss, mit dem der Senat seine bisherige Rechtsprechung korrigiert, werde sich auch auf die Frage auswirken, wieviele Betriebsratsmitglieder freizustellen sind.
OLG München – Vorbereitungen NSU-Prozess: Der Präsident des Oberlandesgerichts München, Karl Huber, hat die Vorbereitungen für den Prozess gegen Beate Zschäpe verteidigt. Ein größerer Saal komme insbesondere angesichts möglicher Angriffe von Rechtsextremen nicht infrage. Platzreservierungen, etwa für den türkischen Botschafter, habe man abgelehnt, um keinen Revisionsgrund zu schaffen. Die Samstags-FAZ (Karin Truscheit) und die Samstags-SZ (Annette Ramelsberger) berichten.
OLG Hamm zu Nötigung: Das Oberlandesgericht Hamm hat einen Lehrer wegen Nötigung zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er eine – volljährige - Schülerin gegen deren ausdrücklichen Willen an sich gezogen und auf den Mund geküsst hatte. Das berichtet lawblog.de (Udo Vetter).
LG Düsseldorf – Messerstecher im Jobcenter: Die FAS (Reiner Burger) berichtet von dem Mordprozess vor dem Landgericht Düsseldorf gegen Ahmed S., der im Jobcenter Neuss eine Arbeitsvermittlerin erstochen hatte. S. hat die Tat gestanden, bestreitet jedoch die Tötungsabsicht.
LG Hagen – Gemeinschaftlicher Mord: Nachdem im August 2008 eine damals 20-jährige Frau auf einem Parkplatz erschossen wurde, sind nun Bruder, Mutter und zwei Onkel des Opfers vor dem Landgericht Hagen wegen gemeinschaftlichen Mordes angeklagt. Ein Cousin ist bereits 2010 zu 14 Jahren Haft verurteilt worden, so die Samstags-taz (Andreas Wyputta). Die syrischstämmige Familie soll den Mord beschlossen haben, weil sie den Lebenswandel der Frau missbilligte.
AG Dresden – Pfarrer demonstriert gegen Nazis: Am Dienstag beginnt der Prozess gegen den Jenaer Stadtjugendpfarrer Lothar König. Im Zusammenhang mit den Protesten gegen einen Neonazi-Aufmarsch im Februar 2011 in Dresden, wirft die Staatsanwaltschaft König schweren Landfriedensbruch, Strafvereitelung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und versuchte Nötigung vor. Die Samstags-taz (Michael Bartsch) berichtet in ironischem Ton über den bevorstehenden Prozess gegen den Pfarrer, der als "Staatsfeind" abgestempelt werde.
Ermittlungen wegen Steuerbetrug: Nach Informationen der Samstags-SZ (Klaus Ott) ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main gegen ehemalige und aktive Mitarbeiter der Hypo-Vereinsbank. Sie sollen den Fiskus mit sogenannten "Cum-Ex-Transaktionen" um viele Milliarden Euro betrogen haben. Möglicherweise hätten mehrere Banken eine Gesetzeslücke ausgenutzt und sich die Kapitalertragssteuer nach den Transaktionen mehrfach erstatten lassen. Das Vorgehen der mutmaßlichen Betrüger schildert die Samstags-SZ (Klaus Ott) ausführlich in einem weiteren Bericht im Wirtschaftsteil. Auf der gleichen Seite heißt es in einem dritten Bericht, ein Beschuldigter habe gegen das Vorgehen der Justiz Verfassungsbeschwerde eingereicht.
Fall Peggy: Der Fall des Mädchens Peggy, die seit 2001 verschwunden ist, könnte neu aufgerollt werden. Die Polizei ging von einem Sexualmord an der damals Neunjährigen aus und verdächtigte einen Mann aus dem Ort, der daraufhin vor dem Landgericht Hof zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Wie die Montags-FAZ (David Klaubert) berichtet, will sein Anwalt nun einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens beim Landgericht Bayreuth einreichen. Der Bericht schildert detailliert die diversen Widersprüche bei den Ermittlungen und im Prozess.
Schadensersatz wegen Behinderung: Der Spiegel (Udo Ludwig) schildert den Fall einer Familie, die seit mehr als zwanzig Jahren um Schadensersatz kämpft, nachdem ihr Sohn wegen Behandlungsfehlern schwer behindert auf die Welt kam. Obwohl das Oberlandesgericht München und das Landgericht Kempten der Familie rund eine Millionen Euro Schadensersatz zugesprochen haben, weigerten sich die beteiligten Versicherer zu zahlen.
Studentische Rechtsberatung: spiegel.de berichtet knapp von einer gratis Rechtsberatung, die drei Jurastudenten gegründet haben – die Nachfrage sei so groß, dass mittlerweile rund 90 weitere Jurastudenten bei dem Projekt mitachten.
Weitere Themen – Recht in der Welt
Island – Verfassungsentwurf: Die Verfassungsgebung in Island schildert die Samstags-SZ (Thomas Kirchner). Ein Bürgergremium hatte einen Verfassungsentwurf ausgearbeitet, der zweimal – vor und nach der Wahl im April – vom Parlament bestätigt werden soll. Zur Zeit blockierten sich jedoch die Parteien.
Ungarn - Verfassungsreform: lto.de (Christian Oberwetter) führt ein Interview mit dem Präsidenten der "Kurie von Ungarn", Peter Darak – die Kurie sei das oberste Gericht Ungarns und mit dem Bundesgerichtshof vergleichbar. Zu der umstrittenen ungarischen Verfassungsreformen, die vor allem das Verfassungsgericht betrafen, äußert sich Darak zurückhaltend.
USA – Todesstrafe abgeschafft: Maryland hat als 18. US-Bundesstaat die Todesstrafe abgeschafft. Das meldet spiegel.de.
USA – Todesurteil aufgehoben: Ein Berufungsgericht in San Francisco hat die Todesstrafe für die in Berlin geborene Debra Milke aufgehoben, die 1990 wegen Mordes an ihrem Sohn verurteilt worden war. Die Frau hatte die Tat stets bestritten. Das berichten unter anderem die Samstags-Welt (Michael Remke) und die FR (Sebastian Moll).
Ukraine – Prozess gegen Timoschenko: Die FAS (Konrad Schuller) schildert die Vorwürfe gegen die ehemalige ukrainische Regierungschefin Julija Timoschenko, die sich wegen Mordes an einem Geschäftsmann und seiner Frau in den neunziger Jahren vor Gericht verantworten muss. Der Anwalt Timoschenkos weist die Beschuldigungen zurück.
Japanische Rechtswissenschaft: Der Staatsrechtslehrer Christoph Möllers schildert auf verfassungsblog.de begeistert die fundierte Auseinandersetzung japanischer Rechtswissenschaftler mit dem deutschen Recht und plädiert dafür, sich aus der deutschen Perspektive ebenso für die japanische Verfassung zu interessieren.
Sonstiges
Contergan-Geschädigte: Der Rechtsanwalt Oliver Tolmein befasst sich im Feuilleton der Samstags-FAZ mit der Situation von Contergan-Geschädigten. Ende vergangener Woche sprach sich der Bundestag dafür aus, die von der Contergan-Stiftung gezahlten Renten aus Bundesmitteln zu erhöhen. Zugleich gebe es in der Bundesrepublik bisher keine erfolgreichen Entschädigungsklagen gegen das Chemieunternehmen Grünenthal, ein Strafverfahren sei eingestellt worden.
NSU-Untersuchungsausschuss: Der frühere Bundesinnenminister Otto Schily hat vor dem NSU-Ausschuss des Bundestages ausgesagt. Er zeigte sich betroffen und bedauerte Fehler. Es berichtet unter anderem die Samstags-SZ (Tanjev Schultz).
Das Letzte zum Schluss
Artus im Justizdienst: Die Samstags-SZ (Cornelius Pollmer) stellt einen neuen Mitarbeiter der sächsischen Justiz vor: Handyspürhund Artus soll künftig in den Gefängnissen nach versteckten Mobiltelefonen schnüffeln.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ak
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 16. bis 18. März 2013: Wulff-Ermittlungen eingestellt – Kirchhof im Interview - Gaspreise vor dem EuGH . In: Legal Tribune Online, 18.03.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8346/ (abgerufen am: 07.05.2024 )
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