Das LG Berlin verhandelt über den Widerruf eines Autokreditvertrages. Kommt es zur Entscheidung? Außerdem in der Presseschau: Ende im Schlecker-Verfahren in Sicht, das Oberste Gericht Spaniens lässt katalanische Separatisten festnehmen.
Thema des Tages
LG Berlin – Autokreditvertrag: Das Hbl (Laura de la Motte) berichtet über einen beim Landgericht Berlin anhängigen Rechtsstreit, in dem ein klagender Autokäufer den Widerruf des zur Finanzierung abgeschlossenen Kreditvertrages wegen einer unvollständigen Belehrung geltend macht. Weil bei neueren Kreditverträgen ab Juni 2014 infolge einer Anpassung an EU-Recht bei den standardmäßig verwendeten Klauseln eine Nutzungsentschädigung als Widerrufsfolge nicht mehr explizit erwähnt werde, könnte ein stattgebendes Urteil auch andere Finanzierer betreffen. Es sei jedoch fraglich, ob die im Fall beklagte VW-Bank tatsächlich ein Urteil riskiere.
In einem separaten Kommentar bezeichnet Laura de la Motte (Hbl) es als zweifelhaften Verdienst des Verbraucherschutzes, dass "das Kleingedruckte in Verträgen immer länger und schwerer zu verstehen" sei und in dieser Form höchstens einen Nutzen als "Arbeitsbeschaffung für Anwälte und Gerichte" besitze. Verbraucherschutz sollte bedeuten, dass Verwender und Nutzer das standardmäßig Vereinbarte tatsächlich verstehen und Verbraucher ihren Schutz auch nicht "erst einklagen" müssten.
Rechtspolitik
NetzDG-Bußgelder: Dem Hbl (Dietmar Neuerer) liegt der Entwurf für die Bußgeld-Leitlinien zu dem seit diesem Monat in Kraft befindlichen Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) vor. Er präzisiere den bereits bestehenden Bußgeldrahmen des Bundesamts für Justiz als der zuständigen Aufsichtsbehörde und differenziere zwischen verschiedenen Verantwortungsstufen bei Gesetzesverstößen. So käme etwa bei Nichteinhaltung der auf 24 Stunden bemessenen Löschfrist eines offensichtlich rechtswidrigen Inhalts ein Bußgeld von bis zu 25 Millionen Euro in Betracht. Die Bußgelder würden aber erst nach Ablauf einer Übergangsphase, im neuen Jahr, verhängt.
Wirtschaftsstrafverfahren: Auch lto.de berichtet nun zu dem für die kommende Justizministerkonferenz geplanten Antrag Mecklenburg-Vorpommerns, Wirtschaftsstrafverfahren künftig ohne Beteiligung von Schöffen verhandeln zu lassen.
Justiz
OVG NRW – Bewertungsportal: lto.de stellt ein beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen anhängiges Verfahren zur datenschutzrechtlichen Zulässigkeit der Bewertung von Autofahrern vor. Auf Berufung des beklagten Betreibers des Portals verhandle das Gericht am kommenden Donnerstag über die Rechtmäßigkeit einer Anordnung des nordrhein-westfälischen Datenschutzbeauftragten.
LVerfG M-V zu Gleichstellungsbeauftragter: In einem Kommentar zur Entscheidung des mecklenburg-vorpommerschen Landesverfassungsgerichts, nach der Gleichstellungsbeauftragte im Land weiblich sein müssen, erinnert Jost Müller-Neuhof (Tsp) daran, dass Länder wie Hamburg oder Bayern ihre entsprechenden Gleichstellungsgesetze bereits geöffnet haben. Dies folge der Erkenntnis, dass mittlerweile auch Männer an der Vereinbarkeit von Beruf und Familie interessiert seien. Als "politische Entscheidungen" ließen sich derartige Ergebnisse aber "schlecht herbeiklagen".
LG Stuttgart – Schlecker: Im Verfahren gegen Anton Schlecker und seine Kinder hat das Landgericht Stuttgart der Staatsanwaltschaft "ans Herz" gelegt, einige Vorwürfe fallenzulassen. Nach dem ausdrücklichen Hinweis auf die Strafprozessordnung erfolgte der Hinweis, weil die fraglichen Taten nicht beträchtlich ins Gewicht fielen, erläutert die SZ (Stefan Mayr). Damit gelte als sicher, dass die Angeklagten keinen Freispruch zu erwarten hätten. Fraglich sei hingegen, ob Haftstrafen noch zur Bewährung ausgesetzt würden. Ein Antrag der Anklagebehörde werde für die nächste Verhandlung am kommenden Montag erwartet. Nachdem die Plädoyers wohl im nächsten Monat gehalten werden, könnte ein Urteil noch in diesem Jahr gesprochen werden. Auch die FAZ (Oliver Schmale) berichtet über die Verhandlung.
LG Nürnberg-Fürth – LKA-Beamte: In geplanten 30 Verhandlungsterminen wird das Landgericht Nürnberg-Fürth ab dem 7. November gegen sechs Beamte des Landeskriminalamtes unter anderem wegen Strafvereitelung im Amt und Betrug verhandeln. Damit finde die sogenannte V-Mann-Affäre um mutmaßlich in Auftrag gegebene Straftaten im Rocker-Milieu ihre gerichtliche Aufklärung, meldet die SZ.
LG München I – Augustinum: Beim Landgericht München I liegt eine Anklage wegen bandenmäßigen Betrugs zu Lasten der evangelischen Augustinum-Unternehmensgruppe vor. Den vier Angeschuldigten werde vorgeworfen, die Betreiberin von Seniorenstiften "bei Immobiliendeals übel ausgenommen" zu haben, schreibt die SZ (Klaus Ott). Der mutmaßliche "Strippenzieher" und größte Nutznießer der illegalen Geschäfte, der früher als Oberkontrolleur beim Unternehmen tätige Artur Maccari, ist jedoch vor bald vier Jahren verstorben. Sein Tod habe die Ermittlungen erst in Gang gebracht.
LG Hamburg – Salafisten: Unter anderem wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat müssen sich sechs junge Männer vor dem Landgericht Hamburg verantworten. Den deutschen Staatsangehörigen wird vorgeworfen, sich im vergangenen Frühjahr mit der Absicht, sich dem sogenannten Islamischen Staat anzuschließen, auf den Weg nach Syrien gemacht zu haben. Zu Beginn der Verhandlung wurde wegen des jugendlichen Alters der Angeklagten die Öffentlichkeit ausgeschlossen, schreibt die FAZ (Matthias Wyssuwa).
LG Saarbrücken – Weltkriegsbunker: Die SZ (Christian Ignatzi) berichtet über den bislang erfolglosen Versuch einer saarländischen Gemeinde, die Kosten für die sachgerechte Sicherung eines erst kürzlich entdeckten Blindstollens von der Bundesrepublik ersetzt zu bekommen. Der Stollen sei Teil eines größeren Bunkersystems aus Zeiten des Zweiten Weltkriegs. Die für die Sanierung zuständige Bundesanstalt für Immobilienaufgaben habe die Kostenübernahme bislang unter Verweis auf die bereits 1959 abgelaufene Anmeldefrist abgelehnt.
LG München I – Check24: Der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute hat das Landgericht München I angerufen, um prüfen zu lassen, ob der Portalbetreiber Check24 ein Urteil des Oberlandesgerichts München zur Offenlegung seiner Maklertätigkeit auch tatsächlich umsetzt. Über die Einzelheiten und die "Dauerfehde" zwischen beiden Parteien schreibt die FAZ (Philipp Krohn).
FG Köln zur Fristwahrung: Der am letzten Tag der Antragsfrist erfolgte Einwurf einer Steuererklärung ist auch dann fristwahrend, wenn er beim unzuständigen Finanzamt erfolgte. Denn sei nicht vorgeschrieben, dass ein Veranlagungsantrag beim zuständigen Finanzamt eingehen müsse, so das Finanzgericht Köln in zwei nun veröffentlichten Urteilen aus dem Mai. Die zugelassenen Revisionen zum Bundesfinanzhof seien bereits eingelegt, so lto.de.
AG Berlin-Tiergarten – Holocaust-Leugnerin: Das Amtsgericht Tiergarten, Berlin, hat die 88-jährige Ursula Haverbeck wegen Volksverhetzung zu sechs Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt. Der Bericht der taz (Konrad Litschko) zählt auch die übrigen anhängigen Verfahren gegen Haverbeck auf.
Recht in der Welt
Spanien – Katalonien: Der Konflikt zwischen spanischer Zentralregierung und separatistischen Katalanen geht offenbar weiter. Nach Bericht der FAZ (Hans-Christian Rößler) hat der Oberste Gerichtshof des Landes die Inhaftierung zweier Organisatoren von Protesten wegen des Vorwurfs des Aufstands gegen die Staatsgewalt angeordnet. Dem Chef der Regionalpolizei, dem vorgeworfen wird, gegen die Blockaden von Ministerien durch Separatisten im September nicht rechtzeitig eingegriffen zu haben, wurde derweil die Auflage erteilt, sich regelmäßig bei den Behörden zu melden.
Schweden/Chile – Giftmüll: Über den "bislang größten Haftpflichtprozess in einem EU-Land" schreibt die taz (Reinhard Wolff). Fast 800 Chilenen fordern am Sitz eines schwedischen Bergbaukonzerns eine Entschädigung für Gesundheitsschäden durch Giftmüllexporte in den 1980er Jahren. Der Konzern berufe sich auf eine damalige Vereinbarung mit einer schon längst insolventen chilenischen Firma, deren Versäumnisse ihm nicht zuzurechnen seien, sowie Verjährung.
Großbritannien – Wasserwerke Leipzig: Die Stadt Leipzig muss nach der zweitinstanzlichen Entscheidung eines Londoner Gerichts die Verluste aus riskanten Wertpapiergeschäften ihrer Wasserwerke nicht begleichen. Die klagende UBS-Bank ist damit erneut bei dem Versuch gescheitert, 350 Millionen Euro zurückzuerlangen, schreibt das Hbl (Carsten Volkery). Der frühere Geschäftsführer des kommunalen Betriebs verbüßt wegen der Beteiligung an den fraglichen Geschäften eine Haftstrafe.
USA – E-Mail-Zugriff: Der Oberste Gerichtshof der USA wird sich nach einer Klage des Justizministeriums des Landes mit der Frage befassen, ob Ermittlern auf richterliche Anordnung Daten herauszugeben sind, die auf ausländischen Servern gespeichert sind. Den wohl im kommenden Sommer entschiedenen Fall und die Argumentation des beklagten Microsoft-Konzerns stellt zeit.de (Patrick Beuth) vor.
Sonstiges
Instagram-Nutzungsbedingungen: Die Fotoplattform Instagram hat durch Abgabe einer Unterlassungserklärung gegenüber dem Bundesverband der Verbraucherzentralen zugesagt, seine beanstandeten Nutzungs- und Datenschutzbedingungen zu überarbeiten, berichtet die FAZ (Jonas Jansen). Bemängelt worden sei etwa die Bestimmung, dass bei Rechtsstreitigkeiten US-amerikanische Schiedsgerichte hätten angerufen werden müssen. Nach dem Bericht von netzpolitik.org (Ingo Dachwitz) ist es "für Jubel zu früh". Denn sei absehbar, dass sich die großen Datenkonzerne ohnehin bereits auf das Wirksamwerden der Datenschutzgrundverordnung im Mai 2018 vorbereiteten. An ihrem Geschäftsmodell, der personalisierten Werbung durch Analysen des Nutzungsverhaltens ihrer Kunden, hielten sie aber unbeirrt fest.
Wettbewerbsregister: Das nach einem Bundesratsbeschluss vor drei Monaten gegenwärtig beim Bundeskartellamt aufgebaute Wettbewerbsregister für Firmen, bei denen unter anderem Korruption oder Kartellrechtsverstöße rechtskräftig festgestellt worden sind, ist vom Präsidenten der Behörde, Andreas Mundt, kritisiert worden. Wie das Hbl (Heike Anger) berichtet, habe Mundt auf rechtliche Probleme wie etwa die vorgesehene Möglichkeit, einen Eintrag im Register durch einen als Selbstreinigung bezeichneten Ersatz des Schadens löschen zu lassen, verwiesen und betont, dass "die Todesstrafe für Unternehmen" nie gewollt worden sei.
Das Letzte zum Schluss
Modellarbeit: Vor dem Landgericht Düsseldorf wird gegen einen Mann verhandelt, der seine Freundin im Streit aus einem Treppenhausfenster im zweiten Stock eines Wohnhauses gestoßen haben soll. Der Angeklagte verteidigt sich mit der Einlassung, das vermeintliche Opfer sei aus eigenem Entschluss gesprungen. Um herauszufinden, welche Version stimmt, unternahmen die Richter eine Inaugenscheinnahme des Tatortes. Offenbar immer noch nicht überzeugt, ließen sie ein Lego-Modell des Hauses erstellen. Auch das hat aber, so justillon.de (Stephan Weinberger), die gerichtliche Wahrheitsfindung noch nicht entscheidend vorangebracht.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 17. Oktober 2017: Widerruf für Autokäufer? / Ende für Schlecker / Festnahmen in Katalonien . In: Legal Tribune Online, 17.10.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25055/ (abgerufen am: 28.04.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag