Beate Zschäpe entzieht ihren Anwälten im NSU-Prozess das Vertrauen. Außerdem in der Presseschau: BGH zu Widerruf von Lebensversicherungen, BVerfG zu Veröffentlichung von Anklageschriften, Geheimnisschutz durch Urheberrecht, mutmaßliche Tierschutzverstöße bei Ferkelzucht und wann ein Haltbarkeitsdatum auf Rasiererverpackungen stehen muss.
Thema des Tages
OLG München – NSU: Beate Zschäpe hat offenbar das Vertrauen in ihre Pflichtverteidiger verloren. Das erklärte die Hauptangeklagte im NSU-Prozess überraschenderweise am Mittwoch gegenüber dem Oberlandesgericht (OLG) München. Über die Gründe wird spekuliert - möglicherweise wolle Zschäpe nun doch aussagen. Bis Donnerstag um 14:00 Uhr habe Zschäpe nun Zeit, dem OLG eine ausführliche Begründung zu liefern. Es berichten unter anderem die SZ (Annette Ramelsberger/Tanjev Schulz), spiegel.de (Gisela Friedrichsen) und zeit.de (Tom Sundermann).
Die taz (Christian Rath) stellt die Voraussetzungen für den Wechsel der Anwälte dar. So könne Zschäpe nicht einfach ihre Anwälte ablehnen; vielmehr müsse das OLG ihrer Begründung auch folgen. Die Angeklagte müsse "substantiiert darlegen, ob eine dauerhafte und ernsthafte Störung des Vertrauens vorliegt". Annette Ramelsberger (SZ) hält die Erfolgsaussichten des Antrags für gering; für Karin Truscheit (FAZ) könnte Zschäpes Vorgehen dafür sprechen, dass sie die "meinungs- und durchsetzungsstarke Frau" ist, als die sie von Zeugen beschrieben wurde.
Rechtspolitik
Lockerung von Wissenschafts-Kooperationsverbot: Wie die FAZ (Heike Schmoll) und die taz (Anna Lehmann) berichten, hat das Bundeskabinett am Mittwoch die Grundgesetzänderung zur Lockerung des Kooperationsverbot von Bund und Ländern in der Wissenschaft beschlossen. Gemäß dem künftigen Artikel 91b des Grundgesetzes sollen Bund und Länder in Fällen "überregionaler Bedeutung" bei der Förderung von Wissenschaft, Forschung und Lehre zusammenwirken. Ungewiss sei allerdings, ob die notwendige Mehrheit für die Grundgesetzänderung auch im Bundesrat zustande komme; dies hänge vor allem von den Grünen ab.
Regierungs-Grüne gegen Flüchtlingsrechtsverschärfung: Die FAZ (Rüdiger Soldt) berichtet über den geplanten Umgang der baden-württembergischen grünen Landesregierung mit steigenden Flüchtlingszahlen aus Syrien und dem Irak. Dem Bericht zufolge wollen Landesregierungen mit grüner Beteiligung im Bundesrat nicht für eine Änderung des Asylbewerbergesetzes stimmen, nach der Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien als sogenannte sichere Herkunftsländer eingestuft werden sollen. CDU, SPD und FDP wollen diese Änderung.
Justiz
BVerfG – Müller übernimmt NPD-Verbotsverfahren: Christian Rath (taz) äußert sich kritisch zur neuen Zuständigkeit von Bundesverfassungsrichter Peter Müller für das Wahl- und Parteienrecht und damit auch das NPD-Verbotsverfahren. "Reichlich instinktlos" sei dies angesichts der Tatsache, dass Müller bis vor wenigen Jahren CDU-Ministerpräsident des Saarlandes war. Es wirke wenig durchdacht, "ausgerechnet jetzt einen Ex-Politiker federführend mit dem Parteien- und Wahlrecht zu betrauen".
BGH zu Widerruf von Lebensversicherungen: Wie lto.de meldet, hat der Bundesgerichtshof (BGH) die Klage eines Versicherungsnehmers einer Lebensversicherung abgewiesen. Der Kläger hatte 13 Jahre nach Abschluss seiner Versicherung den Widerspruch erklärt. Nach Ansicht des Klägers sei das bis 2007 übliche Policenmodell nicht vereinbar mit EU-Recht. Das habe der BGH verneint. Der Versicherungswirtschaft bleibe nun die Rückabwicklung von Millionen von Verträgen erspart, so die SZ (Wolfgang Janisch). Die Welt (Kathrin Gotthold) befasst sich ausführlich mit dem Urteil.
BVerfG zu Vorabveröffentlichung von Anklageschriften: Wie lto.de meldet, ist die Strafnorm, nach der die Vorabveröffentlichung von Anklageschriften verboten ist (§ 353d Strafgesetzbuch), verfassungsgemäß. Das habe das Bundesverfassungsgericht entschieden. Christian Rath (taz) sieht in der Norm ein "beständiges Ärgernis" für Journalisten: Sie dürften im Vorfeld von Prozessen über alles berichten, was sie erfahren – wörtliche Zitate aber seien verboten. Justizminster Heiko Maas (SPD) sehe schließlich keinen Handlungsbedarf für eine Gesetzesänderung.
LG Berlin zu FragdenStaat.de erzielt Erfolg gegen Innenministerium: zeit.de berichtet von einem Anerkenntnisurteil, nach dem das Bundesinnenministerium das Open-Knowledge-Portal FragdenStaat.de nicht wegen der Veröffentlichung eines Dokuments abmahnen durfte. Dies habe das Innenministerium zunächst unter Verweis auf das Urheberrecht am Dokument getan. FragdenStaat.de habe sich gegen die Abmahnung mit einer negativen Feststellungsklage gewehrt; das Innenministerium habe den Anspruch anerkannt, nunmehr habe das Landgericht Berlin entsprechend geurteilt. "Nicht mehr als ein Teilerfolg" für FragdenStaat.de, "weil es kein Grundsatzurteil gibt" und Geheimnisschutz damit unter Verweis auf das Urheberrecht auch weiterhin möglich sei.
LG Regensburg – Gustl Mollath: Die Zeit (Daniel Müller) schildert Eindrücke über die neue Hauptverhandlung im Fall Gustl Mollath vor dem Landgericht Regensburg, die vor zwei Wochen begann – einem Prozess, in dem Mollath selbst Ankläger sei und die Strafjustiz auf der Anklagebank sitze. Mollath sehe sich als Opfer, sei aber zugleich vielen Zuhörern unheimlich: Die meisten Zeugen malten im Prozess "ein hässliches Bild" von ihm. spiegel.de berichtet über Einzelheiten der Zeugenaussagen.
BSG zu Anspruch aufs Hilfsgerät: Wie die SZ meldet, haben Rollstuhlfahrer nach einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) Anspruch auf ein Hilfsgerät, mit dem sie Treppen überwinden können. Ein 81-jähriger Mann, dem beide Beine fehlten, hätte bei seiner Krankenkasse eine Treppensteighilfe beantragt. Die Krankenkasse hätte mit der Begründung abgelehnt, nicht der "besonderen Wohnsituation" gerecht werden zu müssen. Der Mann habe im ersten Stock ohne Aufzug gewohnt. Dem habe das BSG nun eine Absage erteilte, weil dem Mann die Treppensteighilfe eine eigenständigere Lebensführung ermögliche.
LG Köln zu persischem Millionenerbe: Nach einem Urteil des Landgerichts Köln gehen 4,5 Millionen Euro aus dem Nachlass der einstigen persischen Kaiserin Soraya an eine gemeinnützige Organisation in Frankreich. Das meldet lto.de. Um Sorayas Nachlass stritten seit ihrem Tod 2001 unter anderem drei gemeinnützige Organisationen und der Erbe ihres verstorbenen Bruders, der in Köln gelebt hätte. Im Verfahren hätte außerdem Streit darüber geherrscht, ob islamisches Rechtsverständnis anwendbar sei.
OVG Lüneburg zu RTL ohne Drittanbieter: Das Handelsblatt (Kai-Hinrich Renner) berichtet von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg, nach der RTL vorerst keine Programme unabhängiger Drittanbieter mehr senden muss. Focus TV hätte sich gegen eine Entscheidung der Niedersächsischen Landesmedienanstalt gewandt, nach der Mitbewerber von Focus TV Programmplätze zugewiesen bekommen hätten, nicht aber Focus TV selbst. Privatsender seien verpflichtet, ab einem bestimmten Marktanteil Programmplatz für unabhängige Drittproduzenten zur Verfügung zu stellen.
Recht in der Welt
Niederlande – Völkermord von Srebrenica: Wie die FAZ (Michael Martens) und die taz (Andreas Zumach) berichten, haften die Niederlande nach einem Urteil eines Gerichts in Den Haag für die Deportation von 300 erschossenen Männern, die sich im Jahr 1995 auf das Gelände des niederländischen Blauhelmkontigents bei Srebrenica geflüchtet hatten. Geklagt hätte die bosnische Hinterbliebenenorganisation "Mütter von Srebrenica". Das Urteil trage zur juristischen Klärung der Verantwortlichkeit "für das von Serben begangene, aber von der Staatengemeinschaft in Gestalt der Vereinten Nationen begünstigte Verbrechen" bei, wie es in der FAZ heißt.
Frankreich – Ehemalige Abgeordnete des Front National verurteilt: Die taz (Rudolf Balmer) berichtet über ein Urteil gegen die Ex-Kandidatin des Front National Anne-Sophie Leclère. Das Gericht von Cayenne in Französisch-Guyana habe die Politikerin wegen rassistischer Beleidigung unter anderem zu neun Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt. Sie habe auf Facebook eine Fotomontage mit der französischen Justizministerin Christiane Taubira veröffentlicht, in der die aus Guyana stammende Ministerin "einem Äffchen gleichgesetzt" worden sei.
Schweden – Haftbefehl gegen Assange bleibt: Wie spiegel.de berichtet, bleibt der Haftbefehl gegen Julian Assange in Schweden bestehen. Der WikiLeaks-Gründer hält sich seit Juni 2012 in der ecuadorianischen Botschaft in London auf, um einer Auslieferung nach Schweden zu entgehen. Sein Anwalt Thomas Olsson habe gefordert, den Haftbefehl mit sofortiger Wirkung aufzuheben. In Schweden ist Assange wegen Vergewaltigung sowie sexueller Nötigung und Belästigung angeklagt. Er befürchtet, von Schweden in die USA aufgeliefert zu werden.
Sonstiges
Drohnen und das Völkerrecht: Welchen völkerrechtlichen Fragen die Bundesregierung bei der Frage um den Einsatz bewaffneter Drohnen gegenübersteht, untersucht Alexander Schwarz auf zeit.de.
Anzeige wegen mutmaßlicher Verstöße gegen das Tierschutzgesetz: Die taz (Jost Maurin) berichtet über das Vorgehen des Tierschutzbunds gegen Betreiber von Ferkelzuchtanlagen in Deutschland. So habe der Tierschutzbund Strafanzeige gegen Adrianus Straathof wegen mutmaßlicher Verstöße gegen das Tierschutzgesetz gestellt. Vorwurf der Tierschützer: Der Ferkelerzeuger soll "überschüssige", aber überlebensfähige Ferkel getötet haben; die Tiere hätten dabei unnötig Schmerzen erleiden müssen. Die Vorwürfe gingen unter anderem auf Bilder aus der ARD-Reportage "Deutschlands Ferkelfabriken" zurück.
Transplantationsmedizin: Im Interview mit lto.de beantwortet der Rechtsprofessor Wolfram Höfling die virulenten Rechtsfragen rund um die Transplantationsmedizin. Er moniert unter anderem, dass der Gesetzgeber entscheiden müsste, wer eine Organspende empfängt – und nicht wie bislang allein die Bundesärztekammer.
Das Letzte zum Schluss
Haltbarkeit auf Kosmetikverpackungen: Vor dem Landgericht (LG) Wuppertal stritten zwei Konkurrenten darüber, ob der Rasierer des Mitbewerbers ein Mindesthaltbarkeitsdatum tragen müsse. Das meldet lawblog.de (Udo Vetter). Der streitige Rasierer enthalte einen Seifenblock, der laut Werbung bei der Nassrasur schäume. Damit sei ein kosmetisches Produkt gegeben, für das grundsätzlich ein Haltbarkeitsdatum angegeben werden müsse, so das LG.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/fr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 17. Juli 2014: Zschäpe will Anwälte loswerden – Widerruf von Lebensversicherungen – Veröffentlichung von Anklageschriften . In: Legal Tribune Online, 17.07.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12585/ (abgerufen am: 16.05.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag