Alles ging so schnell - beruht das Hoeneß-Urteil vielleicht doch auf einer Absprache? Außerdem in der Presseschau: Weil ein Promi hinter Gitter muss, interessieren sich plötzlich alle für Gefängnisse, Tolksdorfs ehemalige Präsidialrichterin könnte BGH-Präsidentin werden, das LG Ulm verhandelt über den Sterbehilfe-Vorwurf gegen einen Arzt und warum man beim Aufrunden von Überweisungen das Komma gut kontrollieren sollte.
Thema des Tages
Hoeneß verzichtet auf Revision: Am Donnerstag hatte Hoeneß' Verteidiger Hanns W. Feigen noch Revision gegen das Urteil des Landgerichts München angekündigt. Doch schon einen Tag später verzichtete Hoeneß darauf, er wolle das Urteil akzeptieren. Heribert Prantl (Samstags-SZ, erweiterte Online-Fassung) nannte das "eindrucksvoll", fügte aber an: "Es hat auch andere Vorteile für Hoeneß, wenn das Urteil schnell rechtskräftig wird: Es kann sich dann nicht mehr zum Noch-Schlechteren wenden." Sabine Rückert (zeit.de) fand das Verhalten von Hoeneß "vor allem klug".
Udo Vetter (lawblog.de) erinnert daran, dass auch die Staatsanwaltschaft noch Revision einlegen könnte, was er aber unwahrscheinlich findet. Joachim Jahn (Samstags-FAZ) fordert die Staatsanwaltschaft ausdrücklich auf, Revision einzulegen. Hoeneß' Verhalten nähre den "schlimmen Verdacht", dass das Urteil zu milde sei, "womöglich fände eine andere Strafkammer bei einer Neuauflage des Prozesses noch weitere Leichen im Keller".
Der Spiegel (Rafael Buschmann/Dietmar Hipp und andere) analysiert die Entwicklung mit kritischem Blick auf Hoeneß: er habe sich "in Größenwahn über seine Richter gestellt, indem er ihnen das Urteil gewissermaßen verzeiht". Hoeneß habe sich noch im Moment seines Sturzes als eigentlicher Herr des Verfahrens geriert. Außerdem wird ein möglicher "neuerlicher bayerischer Justizskandal" ausgemacht, weil ein Whistleblower, der schon frühzeitig auf die wahre Dimension von Hoeneß' Steuerhinterziehung hinweisen wollte, nicht zum Zuge kam. Die Staatsanwaltschaft habe ihm - in Absprache mit dem Landesjustizministerium - keine Anonymität zusichern wollen.
Hoeneß-Urteil gedealt? Bernd von Heintschel-Heinegg (blog.beck.de) listet "offene Fragen" auf und fragt insbesondere nach einem möglichen Deal. "Obwohl es keine Verfahrensabsprache gegeben haben soll, entsprach die nur viertägige Hauptverhandlung einem Steuerstrafprozess, wie er üblicherweise nach einer Absprache geführt wird." Auch Anwalt Rainer Pohlen (strafblog.de) spekuliert ausführlich über einen möglichen Deal: "Was aber machte die Verteidigung so sicher über den Verfahrensausgang, dass sie keinerlei Anstrengungen unternahm, Revisionsgründe zu schaffen?".
Hoeneß im Gefängnis: Zahlreiche Medien malen sich bereits den Gefängnisalltag von Hoeneß aus, zeit.de (Till Schwarze). spiegel.de (Stefan Schultz) sprach mit dem Millionär Josef Müller, der wegen Betrugs fünfeinhalb Jahre im Gefängnis saß: "Wenn man unter Beobachtung der Presse steht und einen guten Anwalt hat, wird es einem im Gefängnis besser gehen, als wenn ein armer Hund daherkommt. So ist die Welt nun einmal." Der Spiegel (Simone Salden) führte ein Interview mit dem Gefängnisarzt Joe Bausch, der vor allem das zuständige Gefängnis in Landsberg wegen des Trubels um Hoeneß bemitleidet. "Das öffentliche Interesse an seiner Person macht einen normalen Strafvollzug fast unmöglich. Die Boulevardpresse wird für jedes Handy-Foto aus dem Knast Geld bieten."
Rechtspolitik
BGH-Präsidentin: Der Spiegel meldet, dass nun die Vorsitzende des 4. Strafsenats, Beate Sost-Scheible, in der engsten Wahl für die Führung des Bundesgerichtshof sei. Allerdings gebe es am Gericht Widerstand, da Sost-Scheible als Präsidialrichterin eng mit dem umstrittenen Ex-Präsidenten Klaus Tolksdorf zusammengearbeitet habe.
GBA Range im Interview: Im Interview mit der Montags-taz (Christian Rath) fordert Generalbundesanwalt Harald Range den Bundestag auf, eine Rechtsgrundlage für die Überwachung von Internet-Telefonaten und verschlüsselten Emails durch die so genannte "Quellen-Telekommunikationsüberwachung" zu schaffen. Allerdings, gebe es derzeit noch keine einsatzfähigen Trojaner, die den verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechen. Die Einführung der Online-Durchsuchung zur Strafverfolgung stehe für ihn "nicht auf der Tagesordnung", eine drei-monatige Vorratsdatenspeicherung befürwortet er. Außerdem geht es im Interview um Ermittlungen gegen die NSA ("Ich habe freie Hand") und die Stärkung der Bundesanwaltschaft.
Diätengesetz verfassungswidrig? In einem Gastbeitrag für die Samstags-SZ fordert der Staatsrechtler Hans Herbert von Arnim Bundestagsabgeordnete auf, gegen die jüngst beschlossene Neuregelung der Diäten zu klagen. Verfassungswidrig seien sowohl der Anpassungsautomatismus als auch die Zuschläge für Ausschussvorsitzende. Von Arnim kritisiert Manipulationen der Gesetzgebung "in eigener Sache", unter anderem durch eine einseitig besetzte Kommission zur Vorbereitung der Reform.
Wahlrecht für geistig Behinderte: Die Bundesvereinigung Lebenshilfe und die Caritas Behindertenhilfe haben im Namen von acht Betroffenen Einspruch gegen die Bundestagswahl eingelegt, berichtet die Samstags-SZ (Nina von Hardenberg). Sie kritisieren, dass Menschen vom Wahlrecht ausgeschlossen sind, denen für alle Belange des Alltags ein Betreuer bestellt wurde. Dies verstoße gegen eine UN-Konvention, mit der sich Deutschland verpflichtet habe, Behinderten Zugang zu Wahlen zu verschaffen.
Bundesrat zu NS-Raubkunst: Am Freitag beschloss der Bundesrat eine Resolution, in der die Bundesregierung zur Prüfung aufgefordert wird, "in welcher Weise die geltenden Regelungen einer Änderung bedürfen oder anderweitige Regelungen nötig sind". Die Samstags-FAZ (Corinna Budras) sieht darin ein Zeichen der Hilflosigkeit, angesichts der Probleme, eine verfassungskonforme Lösung zu finden.
Parlament und Bundeswehr: Der Rechtswissenschaftler Manuel Ladiges schlägt auf lto.de vor, dass bei internationalen Bundeswehr-Einsätzen "von untergeordneter Bedeutung" nicht der gesamte Bundestag zustimmen müsse, sondern das Mandat eines Entsende-Ausschusses genügen soll. Im übrigen habe das Bundesverfassungsgericht im Lissabon-Urteil entschieden, dass der Parlamentsvorbehalt für Auslandseinsätze nicht einmal per Grundgesetzänderung abgeschafft werden könnte.
Volljährigkeit: Die Montags-FAZ (Eckart Lohse) wundert sich, dass es trotz der verbreiteten Absenkung des Wahlrechts auf 16 Jahre noch keine Diskussion über die Absenkung der Volljährigkeit gibt und diskutiert dies an zahlreichen Beispielen.
Justiz
GBA zu islamistischer Terrorzelle: Generalbundesanwalt Range hat Anklage gegen vier Islamisten aus NRW erhoben. Sie sollen gemeinsam versucht haben, den Vorsitzenden der Rechtsaußen-Partei Pro NRW zu ermorden. Einer von ihnen - Marco G. - soll zuvor versucht haben, eine Bombe auf dem Bonner Hauptbahnhof explodieren zu lassen. Über die Pressekonferenz von Range berichtete die Samstags-taz (Christian Rath). Spiegel (Jörg Diehl/Fidelius Schmidt, Zusammenfassung) und Focus (Frank Lehmkuhl/Axel Spilcker, Zusammenfassung) bringen weitere Details aus der Anklageschrift.
BGH zu schlechten Pfändungsformularen: Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass Gläubiger das verbindlich vorgesehene Formular für die Beantragung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses ergänzen oder abändern dürfen, weil es teilweise unzulänglich sei, meldet lto.de.
BVerfG - Wahlrecht: Die Montags-Welt (Jochen Gaugele/Günter Lachmann) fasst die anhaltende Kritik an den jüngsten Wahlrechtsurteilen des Bundesverfassungsgerichts, insbesondere zur Prozenthürde bei Europawahlen, zusammen.
BVerfG - ESM-Urteil: Am morgigen Dienstag will das Bundesverfassungsgericht das endgültige Urteil über die Klagen gegen den Euro-Rettungsschirm verkünden. Die Montags-FAZ (Joachim Jahn) kündigt an: "Große Überraschungen sind dabei nicht zu erwarten." Schon im Eil-Beschluss vom September 2012 hatte Karlsruhe den ESM-Vertrag im wesentlichen gebilligt.
VG Düsseldorf - Schavans-Doktortitel: Am kommenden Donnerstag will das Verwaltungsgericht Düsseldorf entscheiden, ob Ex-Wissenschaftsministerin Annette Schavan wegen Plagiaten in ihrer Dissertation zurecht der Doktortitel aberkannt wurde, meldet der Spiegel (Jan Friedmann und andere).
LG Ulm - Sterbehilfe: Die Samstags-FAZ (Rüdiger Soldt) berichtet über einen Prozess vor dem Landgericht Ulm. Angeklagt ist ein Mediziner, der seinen Vater auf dessen Verlangen durch eine überhöhte Morphin-Dosis getötet haben soll. "Die Verhandlung dreht sich weniger um die Frage, ob der Münchner Medizinprofessor tatsächlich die Morphin-Gabe erhöht hat. Im Mittelpunkt steht vielmehr die Frage, ob die ungewöhnlich hohe Morphin-Dosis ursächlich zum Tod des Patienten geführt hat."
LG Köln - Oradour-Massaker: Das Landgericht Köln muss entscheiden, ob es die dünne Anklage gegen den 89-jährigen Werner Christukat zulässt. Der Angeklagte sei über seine Beteiligung an dem SS-Massaker 1944 in Oradour zwar voller Schuldgefühle, sagt aber, dass er dabei nicht geschossen habe. Der Spiegel (Beate Lakotta) stellt den Fall ausführlich dar.
Keine Klagewelle an Schulen: Die WamS (Alan Posener) überprüft das Gerücht, dass bürgerliche Eltern immer häufiger mit anwaltlicher Hilfe gegen Maßnahmen von Schulen vorgehen. Ein Ansteigen entsprechender Prozesse sei nicht nachweisbar, eher sei ein Sinken plausibel, weil Schulen in Streitfällen immer häufiger nachgeben - aus Angst Schüler zu verlieren.
Blinde Verteidigerin: Die Montags-taz (Anne Fromm) portraitiert ausführlich Pamela Pabst, die einzige von Geburt an blinde Strafverteidigerin Deutschlands.
Recht in der Welt
Frankreich - Völkermord in Ruanda: Ein Pariser Schwurgericht hat den ehemaligen ruandischen Geheimdienstchef Pascal Simbikangwa wegen Völkermordes und Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu 25 Jahren Haft verurteilt. Der Mann hatte versucht, seine Rolle klein zu reden. Es berichten die Samstags-SZ (Christian Wernicke) und die Montags-taz (Dominic Johnson).
Brasilien - Gesetz gegen Korruption: In Brasilien ist vorige Woche ein drastisches Anti-Korruptions-Gesetz in Kraft getreten, berichtet das Handelsblatt (Alexander Busch). Danach können Unternehmen erstmals bestraft werden, wenn Mitarbeiter einen Beamten oder Konkurrenten bestechen, um damit Vorteile zu erlangen. Die Justiz kann den verurteilten Betrieben bis zu 20 Prozent ihres Umsatzes als Strafe auferlegen oder sogar die Schließung veranlassen.
Das Letzte zum Schluss
Auf 1.000 Euro aufgerundet: Eine junge Mutter aus München hatte bei Ebay eine gebrauchte Kinderhose für 9,50 Euro gekauft. Auf dem Überweisungsformular trug sie jedoch 1.000 Euro ein, weil ihr beim Aufrunden das Komma verrutschte. Die Empfängerin, eine Studentin aus Trier, bemerkte den Fehler und wies die Käuferin darauf hin. Diese verstand den Hinweis nicht und antwortete mit Blick auf die durchaus beabsichtigte Aufrundung nur: "passt schon". Später kam es doch zum Prozess. Vor dem Amtsgericht Trier einigten sich die Frauen nun darauf, dass die Studentin die Hälfte der Summe zurückbezahlt, berichtet die Samstags-SZ (Kim Björn Becker).
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 15. - 17. März 2014: Hoeneß-Urteil gedealt? – Sost-Scheible als BGH-Präsidentin? – Sterbehilfe durch Arzt? . In: Legal Tribune Online, 17.03.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11345/ (abgerufen am: 18.05.2024 )
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