Sei brav – und lass die Finger von illegalen Musiktauschbörsen. Der BGH hat zur Aufsichtspflicht von Eltern im Internet entschieden. Außerdem in der Presseschau: Die Beschlüsse der Justizministerkonferenz, ein unabhängiger und langsamer Richter, Kursänderung des EuGH bei Anti-Terror-Listen – und die verschiedenen Treuwidrigkeiten eines Ex-Grünen-Schatzmeisters.
BGH zu Aufsichtpflicht im Internet: Eltern müssen ihren Kindern erklären, dass sie keine illegalen Musiktauschbörsen im Internet nutzen dürfen – sie müssen aber nicht vorbeugend die Computer überwachen. Das ist das Ergebnis eines Grundsatzurteils des Bundesgerichtshof zur Aufsichtspflicht im Internet. Nur in Ausnahmefällen seien Eltern verpflichtet weitere Kontrollen vorzunehmen, so etwa wenn sie bereits eine Abmahnung wegen Urheberrechtsverletzungen des Kindes erhalten haben. Die Entscheidung erläutern unter anderem spiegel.de (Dietmar Hipp) und die taz (Christian Rath).
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Justizministerkonferenz: Die FAZ (Thomas Holl) berichtet von der Herbsttagung der Justizminister von Bund und Ländern. Dort wurde unter anderem beraten, Datenhehlerei unter Strafe zu stellen – allerdings soll das nicht für den Ankauf von Daten durch den Staat, wie etwa bei Steuer-CDs, gelten. Zudem sollen sexuelle Übergriffe von Lehrern auf Schüler auch dann strafbar sein, wenn kein Obhutsverhältnis vorliegt, sondern lediglich ein tatsächliches Über- und Unterordnungverhältnis besteht. Das bezieht sich auf eine viel kritisierte Entscheidung des Oberlandesgerichts Koblenz, wonach ein Lehrer, der Sex mit einer 14-jährigen Schülerin hatte, freigesprochen wurde, weil er das Mädchen nur vertretungsweise unterrichtet hatte. Weiterhin wollen die Justizminister die Möglichkeiten einer polizeilichen Fahndung über Facebook prüfen. Die Facebook-Fahndung erläutert der Rechtswissenschaftler Dominik Brodowski für lto.de.
Jewish Claims Conference: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat eine neue Fassung des Abkommens mit der Jewish Claims Conference unterschrieben, wonach bisher nicht berücksichtigte jüdische NS-Opfer Entschädigungszahlungen erhalten. Das meldet die taz.
Kinderrechte: Das UN-Kinderhilfswerk spricht sich dafür aus Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern und will heute in Berlin einen entsprechenden Formulierungsvorschlag vorstellen, so die SZ (sibi).
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Langsamer Richter: Am Oberlandesgericht Karlsruhe streitet sich OLG-Präsidentin Christine Hügel mit Richter Thomas Schulte-Kellinghaus. Hügel ermahnte Schulte-Kellinghaus mehr Fälle zu erledigen, der klagt nun vor dem Richterdienstgericht. Wie die SZ (Wolfgang Janisch) ausführt, erhielt der Richter nun Rückenwind von dem Münsteraner Rechtsprofessor Fabian Wittreck, der das Vorgehen Hügels in einem Beitrag für die Neue Juristische Wochenschrift als eine Verletzung der richterlichen Unabhängigkeit bezeichnete.
EuGH zu Anti-Terror–Listen: Der Europäische Gerichtshof hat zwei Urteile zu Anti-Terror-Listen veröffentlicht. In beiden Fällen wurden Entscheidungen des EuG in erster Instanz aufgehoben, nach denen Sanktionen gegen Terrorverdächtige unzulässig waren. Max Steinbeis (verfassungsblog.de) sieht darin eine Korrektur der bisherigen EuGH-Linie und kritisiert: "Statt im Sinne des Grundrechtsschutzes auf strikter Rechtsauslegung zu bestehen, lässt der EuGH gegenüber der Exekutive pragmatische Milde walten."
BAG zu Frage nach Ermittlungsverfahren: Arbeitgeber dürfen bei Bewerbungsgesprächen nicht nach eingestellten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren fragen. Wie Die Welt meldet, gab das Bundesarbeitsgericht damit einem Lehrer aus Nordrhein-Westfalen Recht, der sich gegen seine Kündigung gewehrt hatte. Die unspezifizierte Frage verstoße gegen den Datenschutz und das Bundeszentralregistergesetz.
BVerwG zu Informationspflicht des Bundesrechnungshofes: Journalisten können vom Bundesgerichtshof grundsätzlich Auskunft über Prüfergebnisse verlangen. Über die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts berichtet knapp spiegel.de.
LG Augsburg zu Sicherungsverwahrung: Das Landgericht Augsburg hat nachträgliche Sicherungsverwahrung für einen Mann angeordnet, der 2002 ein Mädchen ermordet hatte. Der damals 19-Jährige hatte die Jugendhöchststrafe von zehn Jahren abgesessen, das Gericht hält ihn jedoch für hochgradig gefährlich. spiegel.de fasst die Entscheidung zusammen. Die FAZ (Karin Truscheit) berichtet ausführlich über das Verfahren und geht auch auf die Kritik des Gerichts an dem Gutachter Helmut Kury ein.
ArbG Stuttgart zu Ex-Daimler-Manager: Der ehemalige US-Chef von Daimler hat gegen seine fristlose Kündigung nach Korruptionsvorwürfen geklagt und vor dem Arbeitsgericht Stuttgart verloren. Er will jedoch in die nächste Instanz gehen, so die FTD (Heimo Fischer).
OLG Stuttgart – EnBW-Affäre: In der EnBW-Affäre hat das Oberlandesgericht Stuttgart entschieden, dass die Staatsanwaltschaft Unterlagen, die bei dem ehemaligen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Stefan Mappus sichergestellt wurden, an den Untersuchungsaussschuss des Landtages herausgeben darf. Das meldet spiegel.de.
Zschäpe in Tatortnähe?: Die Bundesanwaltschaft stützt sich bei ihrer Anklage gegen die mutmaßliche NSU-Terroristin Beate Zschäpe auch auf die Aussage einer Zeugin, die Zschäpe am 9. Juni 2005 in Nürnberg in der Nähe des Tatortes gesehen haben will, an dem der Imbissbesitzer Ismail Yasar erschossen wurde. Wie die taz (Wolf Schmidt) berichtet, könnte das die Auffassung der Bundesanwaltschaft stützen, wonach Zschäpe Mittäterin der Morde gewesen sein soll.
Ermittlungen gegen Bundesversicherungsamt: Wie das Handelsblatt (Katrin Elger) berichtet, ermittelt die Staatsanwaltschaft Bonn gegen vier Mitarbeiter des Bundesversicherungsamtes wegen Verdachts auf Korruption. Am Donnerstag fanden dazu mehrere Durchsuchungen statt.
Strafanzeige gegen DSO-Vorstand: Die taz hat gegen den Vorstand der Deutschen Stiftung Organtransplantation, Günter Kirste, und einen Mitarbeiter der Stiftung, Strafanzeige bei der Frankfurter Staatsanwaltschaft gestellt. Kirste soll demnach in einem presserechtlichen Verfahren gegen die taz eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben haben, als er behauptete, in einem umstrittenen Organspende-Fall hätten alle vier erforderlichen Untersuchungen zur Festellung des Hirntods statt gefunden. Die taz und die SZ (Christina Berndt) berichten.
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USA – Rekordstrafe für BP: Nach der Ölkatastrophe im Golf von Mexico im April 2010 muss der Energiekonzern BP 4,5 Milliarden Dollar Strafe zahlen. Wie unter anderem Die Welt (Tina Kaiser) berichtet, hat sich BP in einer Einigung mit dem US-Justizministerium zu 14 Straftaten bekannt. Im Gegenzug sollen die Ermittlungen eingestellt werden. Silvia Liebrich (SZ) kritisiert die außergerichtlichen Einigung, damit "kaufen sich beide Seiten von ihrer Verantwortung frei".
USA – Cyberwar-Gesetz: zeit.de (Kai Biermann) berichtet unter Berufung auf Recherchen der Washington Post über ein US-amerikanisches Gesetz, das erstmals Richtlinien für einen so genannten Cyberwar festlege. Darin seien auch eindeutige Regelungen enthalten, die Angriffe auf Computer in anderen Ländern erlaubten.
Das Letzte zum Schluss
Untreu: Vor dem Landgericht Potsdam muss sich der ehemalige Schatzmeister der Brandenburger Grünen, Christian Goetjes, wegen Untreue verantworten. Nun wurde ein pikantes Detail bekannt: Goetjes soll nebenbei als Zuhälter tätig sein. Das meldet unter anderem die FR.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ak
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 16. November 2012: Elternfreundliches BGH-Urteil – Beschlussfreudige Justizminister – Langsamer Richter . In: Legal Tribune Online, 16.11.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7566/ (abgerufen am: 04.05.2024 )
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