Wenn der Steuerberater nebenher noch etwas anderes macht. Außerdem in der Presseschau: Die NPD verklagt den Bundespräsidenten, eine Anwältin trägt Kopftuch, über humanitäre Einsätze wurde schon vor 150 Jahren gestritten – und die deutschen Bäcker wollen endlich mal die Grenzen Schlesiens klären.
Thema des Tages
BVerfG zu Zweitberuf für Steuerberater: Steuerberater könnten künftig nebenher einen zweiten Beruf ausüben. Die Montags-FAZ (Joachim Jahn) berichtet über einen bisher unveröffentlichten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, der der Zeitung vorliege. Demnach müsse – wie beim Anwaltsberuf – bei gesetzlichen Unvereinbarkeitsvorschriften der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet werden. Im konkreten Fall sahen die Verfassungsrichter einen Verstoß gegen die Berufsfreiheit, nachdem die Steuerberaterkammer einem mehrfachen Geschäftsführer und Vorstand von Beratungsgesellschaften eine Ausnahmegenehmigung entzogen hatten. In dem Bericht wird der Freiburger Rechtsanwalt Michael Kleine-Cosack mit den Worten zitiert, damit sei "erstmals das Tor für zweitberufliche Betätigungen von Steuerberatern weit geöffnet".
Rechtspolitik
Verfassungsschutz und NSA: Wie die Samstags-SZ (Christian Fuchs/John Goetz/Frederik Obermaier) berichtet, liefert nicht nur der Bundesnachrichtendienst, sondern auch das Bundesamt für Verfassungsschutz regelmäßig Daten an den US-amerikanischen Geheimdienst NSA. Es liege nahe, dass es sich dabei um Daten von Menschen handele, die in Deutschland ausgespäht wurden. Das Bundesamt erklärte laut dem Bericht, bei Datenlieferungen werde deutsches Recht gewahrt.
Wahlrecht für Minderjährige: Mit der Altersgrenze im Wahlrecht befasst sich der Rechtswissenschaftler Moritz von Rochow auf dem Juwiss-Blog. Er erläutert die historische Begründung eines Mindestwahlalters und plädiert für ein Wahlrecht ab 16 Jahren.
Justiz
EuGH zu dynamischen Verweisungen: Der Rechtsanwalt Rolf Kowanz bespricht auf dem Handelsblatt Rechtsboard das Urteil des Europäischen Gerichtshofes zu dynamischen Verweisungen beim Betriebsübergang vom Juli dieses Jahres. Nun stelle sich die Frage, ob Klauseln, die "auf den jeweils gültigen Tarifvertrag in der jeweils gültigen Fassung" verweisen, überhaupt noch gültig seien. Hier gebe es zwar einen rechtlichen Spielraum, es sei aber fraglich, ob sich das Bundesarbeitsgericht dem Europäischen Gerichtshof entgegen stellen wolle.
BVerfG - NPD verklagt Gauck: Wie der Spiegel meldet, hat die rechtsextreme Partei NPD beim Bundesverfassungsgericht eine Organklage gegen den Bundespräsidenten Joachim Gauck eingereicht. Gauck hatte sich angesichts der Proteste gegen das Asylbewerberheim in Berlin-Hellersdorf positiv zu Gegendemonstrationen geäußert. Das greift die NPD an und will zudem mit einem Eilantrag erreichen, dass Gauck solche Äußerungen künftig unterlassen muss.
VerfG Schleswig-Holstein zu Dänen-Partei: Der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) ist als Partei der dänischen und friesischen Minderheiten bei Wahlen in Schleswig-Holstein zurecht von der Fünf-Prozent-Hürde befreit. Das bestätigte das schleswig-holsteinische Landesverfassungsgericht und wies damit eine Wahlprüfungsbeschwerde von Angehörigen der Jungen Union zurück. Es berichten die Samstags-SZ und die Samstags-taz-nord (Esther Geisslinger).
Streit am BGH: Am Bundesgerichtshof wird weiter über die Arbeitsweise der Richter gestritten. Nachdem der Vorsitzende des 2. Senats, Thomas Fischer, kürzlich kritisiert hatte, dass nicht alle Richter die Akten lesen, sondern sich auf den Vortrag des Berichterstatters verlassen, wehren sich nun nach einem Bericht der FAS (Reinhard Müller) sieben Richter des 5. Strafsenates in einem demnächst erscheinenden Fachaufsatz gegen die Vorwürfe. Das Vier-Augen-Prinzip, wonach nur der Vorsitzende und der Berichterstatter die Akten lesen, sei eine bewährte Praxis.
BVerwG zu Kita-Platz: Der Rechtswissenschaftler Florian Gerlach erläutert auf lto.de das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, wonach Eltern Kostenerstattung für einen privaten Kita-Platz verlangen können, wenn das Jugendamt ihnen nicht rechtzeitig einen öffentlichen Platz zuweist. Die Entscheidung sei nicht überraschend, berge aber auch "Tücken" für die Eltern, so ein kostenintensives Gerichtsverfahren. Joachim Käppner (Samstags-SZ) begrüßt das Urteil. Für Städte, die nicht genug Kita-Plätze eingerichtet haben, gelte nun: "Wer nicht hören will, muss fühlen."
LG Darmstadt zu erfundener Vergewaltigung: Die Lehrerin Heidi K. hat einen Kollegen fälschlicherweise der Vergewaltigung beschuldigt und für fünf Jahre ins Gefängnis gebracht. Zu dieser Überzeugung gelangte das Landgericht Darmstadt und verurteilte die Frau wegen Freiheitsentziehung zu einer Haftstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten. Objektive Beweise gebe es zwar nicht, "Mosaiksteinchen" deuteten jedoch auf eine Lüge hin. Es berichten die Samstags-SZ (Hans Holzhaider), die Samstags-FAZ (Heidi Müller-Gerbes) und spiegel.de (Julia Jüttner). In einem Kurzkommentar in der Samstags-FAZ fordert Reinhard Müller, der Staat müsse sich stärker um Justizopfer kümmern.
OLG München - NSU-Prozess: Über Beate Zschäpe wurde schon viel geschrieben - im Wochenend-Teil der Samstags-SZ (Annette Ramelsberger) geht es nun um alle anderen Beteiligten des NSU-Prozesses. Mitangeklagte, Richter, Anwälte, Zeugen, Besucher und auch die Justizverwaltungsoberinspektorin werden vorgestellt. Die FAS (Michael Mertens) porträtiert den Rechtsanwalt Mehmet Daimagüler, der Angehörige der Opfer vertritt, als einen "deutschen Patrioten".
Suhrkamp-Prozesse: Wer verdient an den Suhrkamp-Prozessen? Die FAS (Winand von Petersdorff) stellt im Wirtschaftsteil knapp die beteiligten Juristen vor. Beide Parteien – Verlegerin Ulla Berkéwicz und Minderheitsgesellschafter Hans Barlach – hätten ihre juristische Beratung "dramatisch aufgerüstet". Die Anwaltshonorare dürften sich seit Beantragung des Schutzschirmverfahrens Ende Mai bereits auf drei Millionen Euro belaufen.
LG Hannover – Prozess gegen Wulff: Einen unangenehmen Prozess für den ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff, sagt die FAS (Thomas Gutschker) voraus. Nachdem das Landgericht Hannover die Anklage vom Vorwurf der Bestechung auf den der Vorteilsannahme zurück gestuft hat, müssten die Richter lediglich den "bösen Anschein möglicher Käuflichkeit" nachweisen – wobei wohl zahlreiche Details aus dem "Beziehungsgeflecht" Wulffs und Groenwolds bekannt werden dürften. So habe Wulff 2005 als niedersächsischer Ministerpräsident eine Rede gehalten, die Groenewold entworfen habe. Wie spiegel.de meldet, hat Wulff dies dementiert.
Ermittlungen wegen Drohbrief an Steinbrück: Nach Informationen der Samstags-SZ (Hans Leyendecker) ermittelt die Staatsanwaltschaft Bonn wegen des Drohbriefes an Kanzlerkandidat Peer Steinbrück gegen einen ehemaligen Vorstand der Deutschen Post, Hermann Ude. Es geht um den Verdacht der Nötigung, Ude soll Steinbrück mit Enthüllungen um eine angeblich illegal beschäftigte Haushaltshilfe gedroht haben. Ein weiterer Bericht in der Samstags-SZ (Hans Leyendecker) sucht nach einem möglichen Motiv Udes - ohne eines zu finden.
Kopftuch im Gerichtssaal: Dürfen Anwältinnen im Gerichtssaal ein Kopftuch tragen? Und wie ist es mit Referendarinnen bei der Sitzungsvertretung oder Schöffinnen? Bisher fehlen in vielen Fällen klare Regelungen, erklärt der Spiegel (Joachim Wagner). Eine Berliner Anwältin habe aber bereits angekündigt, notfalls vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen, um das Kopftuch in der Verhandlung durchzusetzen.
Mellinghoff im Interview: Die WamS (Martin Greive) führt ein Interview mit dem Präsidenten des Bundesfinanzhofes, Rudolf Mellinghoff. Es geht um die Vereinfachung des Steuersystems, Steueroasen und die strafbefreiende Selbstanzeige.
Recht in der Welt
Syrien – Menschenrechtsverletzungen: Berichte der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch und der UN-Menschenrechtskommission beschreiben weitere Menschenrechtsverletzungen in Syrien, so spiegel.de (Raniah Salloum). Bei zwei Massakern in den Städten Baida und Banias sollen Soldaten der Assad-Regierung mehrere Hundert Menschen erschossen haben. Zudem sollen Rebellen bei Kämpfen in einem nordostsyrischen Dorf mindestens 30 Zivilisten getötet haben.
Humanitäres Völkerrecht: Wie Völkerrechtler versuchen, militärische Interventionen durch humanitäre Argumente zu rechtfertigen, erläutert die Samstags-SZ (Ronen Steinke im Wochenend-Teil) anhand historischer Beispiele von einer Syrien-Krise im Jahr 1860 bis zum Kosovo-Krieg 1999.
Italien – Berlusconi: Die Samstags-FAZ (Tobias Piller) widmet sich ausführlich den zahlreichen Prozessen gegen den ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi, den unterschiedlichen Interpretation der Urteile und der Reformbedürftigkeit der italienischen Justiz.
Indien – Todesstrafe für Vergewaltiger: Ein Gericht in Delhi hat vier Männer zum Tode verurteilt, die im Dezember vorigen Jahres eine Frau in einem Bus vergewaltigt und schwer verletzt hatten. Die Studentin starb an den Folgen der Tat, der Fall sorgte weltweit für Aufsehen. Der Anwalt der Männer will das Urteil anfechten. Es berichten unter anderem spiegel.de (Hasnain Kazim) und die Samstags-FAZ (Michael Radunski). Sonja Gillert (Die Welt) kommentiert, mit der Todesstrafe werde die Gewalt gegen Frauen nicht gestoppt, statt dessen müssten die patriachalen Strukturen der Gesellschaft aufgebrochen werden und das Justizsystem reformiert.
Malaysia – Todesstrafe für Deutschen: In Malaysia ist ein Deutscher wegen Drogenschmuggels zum Tode verurteilt worden. Er soll Anfang 2011 am Flughafen von Kuala Lumpur 1,4 Kilo Methamphetamine geschmuggelt haben. Das meldet spiegel.de.
Sonstiges
Von Schirach zu Bürgerrechten: Der Strafverteidiger und Schriftsteller Ferdinand von Schirach schreibt im Kulturteil des Spiegel über die Einschränkung von Bürgerrechten bei der Terrorismusbekämpfung. Dabei geht es aus juristischer und philosophischer Sicht vor allem um die Frage, ob Menschen getötet werden dürfen, um Menschenleben zu retten – etwa bei einer Flugzeugentführung.
Di Fabio zu Demokratie und Marktwirtschaft: Um den Untergang des Abendlandes geht es in einem seitenfüllenden Essay des Staatsrechtslehrers und ehemaligen Verfassungsrichters Udo Di Fabio in der Montags-FAZ. Der Westen befinde sich angesichts seiner "globalen Herausforderer" in der "Defensive". Dafür sei vor allem eine "gefährliche sozialtechnische Mentalität" verantwortlich. Gesellschaft und Staat müssten wieder getrennt, Markt, Tarifautonomie und Wettbewerb gestärkt werden.
Jugendkriminalität: lto.de (Constantin Baron van Lijnden) führt ein Interview mit dem Jugendrichter Andreas Müller, der in seinem Buch "Schluss mit der Sozialromantik" Reformen im Jugendstrafrecht fordert. Müller erklärt, er wolle keine härteren Strafen, aber einen besseren erzieherischen Effekt - etwa durch schnellere Urteile oder kurze Jugendhaftstrafen von zwei bis drei Monaten. Mit einem Gastkommentar in der Samstags-SZ schaltet sich der Kriminloge Christian Pfeiffer in die Debatte ein. Jugendliche seien laut Statistik "nie so friedfertig wie heute", ein schärferes Jugendstrafrecht sei nicht erforderlich.
Das Letzte zum Schluss
Wo ist eigentlich Schlesien?: Der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks will offenbar die Grenzen Schlesiens vor dem Gericht der Europäischen Union klären lassen – im Streit um Streuselkuchen. Die Europäische Kommission habe "Kołacz śląski" ("Schlesischer Streuselkuchen") fälschlicherweise als geschützte geographische Herkunftsangabe anerkannt und dabei außerdem das Gebiet Schlesiens falsch abgegrenzt. Hans Peter Lehofer (lehofer.at.) erklärt diesen und andere juristisch-kulinarische Grenzkonflikte.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ak
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 14. - 16. September 2013: Zweitberuf für Steuerberater – NPD verklagt Gauck – Völkerrechtliche Geschichtsstunde . In: Legal Tribune Online, 16.09.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9562/ (abgerufen am: 20.05.2024 )
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