Der NSU-Prozess geht weiter, der Bundestagsausschuss zum Thema neigt sich dem Ende zu. Außerdem in der Presseschau: ein Gesetz zur Schuldenfreiheit, BGH zur Vaterschaftsanfechtung von Samenspendern, Kaufland dealt, Wahrheitskommission in Brasilien, warum Uli Hoeneß ein Vorbild ist und der ökonomische Nutzen illegaler Downloads.
NSU-Prozess: Im Verfahren gegen Beate Zschäpe u.a. beherrschen nach wie Anträge der Verteidigung das Geschehen. Wie die FAZ (Karin Truscheit) berichtet, forderten die Rechtsbeistände der Hauptangeklagten am Mittwoch die Aussetzung der Hauptverhandlung, um Einsicht in Akten aus Untersuchungsausschüssen in Bayern und Thüringen nehmen zu können. Weiter sei beantragt worden, zwei Sitzungsvertreter des Generalbundesanwalts wegen der Besorgnis einer parteiischen Amtsausübung auszuschließen sowie die Anfertigung einer Ton- und Bildaufzeichnung der Hauptverhandlung. Nur so sei eine detaillierte Auseinandersetzung mit zu erwartenden Aussagen der Angeklagten möglich. Die Verteidigerin von Ralf Wohlleben beantragte nach einem Bericht der taz (Wolf Schmidt) die Einstellung des Verfahrens gegen ihren Mandanten wegen des nicht behebbarem Verfahrenshindernisses der "Verwicklung in- und ausländischer Geheimdienste" in die Taten.
In einem weiteren Artikel beschreibt die FAZ (Karin Truscheit) den ersten "Eklat", einen bizarr anmutenden Streit um die Redereihenfolge der anwesenden Anwälte, in deren Verlauf Verteidiger Stahl zwischenzeitlich den Saal verließ.
Reinhard Müller (FAZ) kommentiert, dass der Prozess zwar nach wie vor alles andere als ein alltägliches Strafverfahren sei, jetzt aber im Alltag angekommen sei. Dazu gehörten: "Anträge, Wortgefechte, Unterbrechungen." Den von der Verteidigung eingeforderten Respekt dürften auch die Opfer erwarten.
NSU-Prozess-Abtrennung: Die Nebenklagevertreter lehnten nach einer Meldung von lto.de die vom Vorsitzenden Richter angeregte Abtrennung des Komplexes "Keupstraße", dem Bombenanschlag in Köln, ab. In den Worten von Holger Schmidt (swr-Terrorismus-Blog) könnte sich diese Idee für die zahlreichen Vertreter der Nebenkläger als "Danaergeschenk" erweisen, für das Gericht sei dies wohl die eleganteste Lösung des Platzproblems.
NSU-Untersuchungsausschuss: Dem seine Arbeit beendenden NSU-Untersuchungsausschuss widmet die taz (Wolf Schmidt) einen Überblick unter dem Titel "Erschreckende Bilanz."
Weitere Themen – Rechtspolitik
E-Government: Der Bundesrat soll im nächsten Monat dem vom Bundestag im April beschlossenen Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung zustimmen. Dabei ist fraglich, ob wegen der bislang unterbliebenen Notifizierung der EU-Kommission das Gesetz unanwendbar bleiben muss. Rechtsprofessor Dirk Heckmann beleuchtet auf lto.de die Sachlage und macht einen Lösungsvorschlag.
Erleichterte Schuldenfreiheit: Wie die FAZ (Joachim Jahn) berichtet, soll der Bundestag am Donnertag ein Gesetz verabschieden, nach dem es überschuldeten Verbrauchern und Existenzgründern leichter gemacht werden soll, wieder schuldenfrei zu werden. Experten seien sich jedoch sicher, dass nur die wenigsten Betroffenen die Anforderungen der sogenannten Mindestbefriedigungsquote erfüllen könnten. Joachim Jahn (FAZ) kommentiert, dass man sich ein solches Gesetz "lieber sparen sollte."
Vertrauliche Geburt: Die Zeit (Dagmar Rosenfeld) berichtet über eine Ausschuss-Anhörung zu einem geplanten Gesetz zur vertraulichen Geburt und stellt Schicksale Betroffener vor. Die bisherige Praxis von anonymen Geburten und Babyklappen befinde sich in einer rechtlichen Grauzone. Durch eine vertrauliche Geburt solle der Gebärenden zunächst Anonymität gewährt werden, ab dem 16. Lebensjahr solle das Kind auf hinterlegte Informationen über die leibliche Mutter zugreifen können.
Vorstandsgehälter: Rechtsprofessor Gerald Spindler setzt sich auf lto.de mit der von der Bundesregierung geplanten Änderung des Aktiengesetzes auseinander, nach der die Vergütung der Vorstände durch die Hauptversammlung verbindlich festgelegt werden soll. Das Ziel, Vorstandsgehälter der Höhe nach zu deckeln, werde hierdurch wohl nicht erreicht, denn Aktionären könne nicht vorgeschrieben werden, wie sie mit ihrem Geld umgingen.
Rechtsanwaltsvergütung: Die Regierungskoalition hat sich nach einem Bericht der FAZ (Joachim Jahn) auf eine leichte Erhöhung der Gebührensätze neben einer ohnehin geplanten Anhebung der Anwaltsvergütung geeinigt. Zudem sollen Anwaltskanzleien künftig die Möglichkeit erhalten, sich als sogenannte Partnergesellschaften mit beschränkter Berufshaftung zu organisieren. Beobachter rechneten mit einer Anrufung des Vermittlungsausschusses durch die Länder, die die Kosten der Prozesskostenhilfe zu tragen hätten.
IFG-Reform: Die Bundestagsfraktion der SPD stellte am Mittwoch ihren Entwurf für ein neues Informations- und Transparenzgesetzes vor, mit dem das 2006 in Kraft getretene Informationsfreiheitsgesetz reformiert werden soll. Unter Bezugnahme auf das Hamburger Transparenzgesetz soll die Veröffentlichung behördlicher Daten erleichtert werden, z.B. durch eine Zusammenführung von Bestimmungen aus dem Umweltinformations- sowie Verbraucherinformationsgesetz. Nicolas Fennen (netzpolitik.org) kommentiert das Vorhaben verhalten. So seien Ausnahmen zur geplanten "proaktiven" Veröffentlichung von Daten durch eine Generalklausel nach wie vor möglich. Außerdem wisse niemand, welches Schicksal den Entwurf nach der Bundestagswahl erwarte.
Weitere Themen - Justiz
BGH zu Vaterschaftsanfechtung: Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs kann der biologische Vater die rechtliche Vaterschaft eines Anderen auch dann anfechten, wenn das Kind durch eine Samenspende gezeugt wurde, meldet lto.de. Es sei denn, die Beteiligten hätten von Anfang an etwas anderes vereinbart. Nur so könnten die vom Bundesverfassungsgericht geforderten Rechte des biologischen Vaters gewährt werden. Auch die SZ (Wolfgang Janisch) berichtet.
BFH zu Verfahrensverzögerung: Der Bundesfinanzhof hat nach einer Meldung von lto.de entschieden, dass eine mehr als sechsjährige Verfahrensdauer einer beim Finanzgericht Berlin-Brandenburg anhängigen Sache unangemessen lang ist. Eine Entschädigung gab es dennoch nicht, weil die Klage offensichtlich unbegründet gewesen sei.
BAG zu Arbeitszeit: Das Bundesarbeitsgericht hat nach einem Bericht der FAZ (Corinna Budras) entschieden, dass Arbeitnehmer zur "betriebsüblichen Arbeitszeit" am Arbeitsplatz anwesend sein müssen. Eine Arbeitnehmerin hatte sich gegen die Kürzung ihres Gehalts gewehrt und argumentiert, dass sie ihre Arbeit schneller erledige und diese daher nicht in Zeiteinheiten zu messen sei.
FG Berlin-Brandenburg - Luftverkehrssteuer: Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg verhandelt am Donnerstag über die Luftverkehrssteuer. In einem Gastkommentar bezeichnet Stephan Hobe (Handelsblatt), Direktor des Instituts für Luft- und Weltraumrecht der Universität Köln, die Steuer als "mehrfach" grundgesetzwidrig. Der Bund habe die Gesetzgebungskompetenz der Länder missachtet, denn eine Verkehrssteuer im Sinne der Verfassung liege nicht vor. Auch verletze die Steuer den Grundsatz der Gleichbehandlung, indem etwa der Frachtverkehr überhaupt nicht und der inländische Personenverkehr überproportional besteuert würde.
Kaufland-Deal: Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen die Warenhauskette Kaufland wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz wurden nach einem Bericht des Handelsblatts (Massimo Bognanni) eingestellt. Kaufland verpflichtete sich, sechs Millionen Euro an die Staatskasse sowie weitere drei Millionen Euro an die Sozialversicherung zu zahlen.
StA Stuttgart gegen Zetsche: Die Staatsanwaltschaft Stuttgart bestätigte Ermittlungen gegen Daimler-Chef Dieter Zetsche u.a. wegen gemeinschaftlicher Arbeitnehmerüberlassung. Wie das Handelsblatt (Martin Dowideit) schreibt, seien die Vorwürfe um Scheinwerkverträge im Daimler-Stammwerk durch eine ARD-Fernsehreportage publik geworden.
Weitere Themen – Recht in der Welt
Brasilien – Wahrheitskommission: Ein Amnestiegesetz schützt die Verantwortlichen der brasilianischen Militärdiktatur vor juristischer Verfolgung. Um wenigstens die historischen Fakten zusammentragen zu können, wurde vor genau einem Jahr eine Nationale Wahrheitskommission gegründet. Über deren schwierige Arbeit berichten taz (Andreas Behn) und SZ (Peter Burghardt).
Frankreich – Brustimplantate: Im Prozess um Brustimplantate aus Billig-Silikon hat die Staatsanwaltschaft für den Hauptangeklagten eine Freiheitsstrafe von vier Jahren und eine Geldbuße von 100.000 Euro gefordert, schreibt die FAZ (Christian Schubert). Die Verteidigung plädiere bis Freitag, danach werde das Gericht für mehrere Monate beraten.
USA – Harper Lee: "Wer die Nachtigall stört" (Originaltitel: "To Kill a Mockingbird") von Harper Lee gehört seit Jahrzehnten zur Pflichtlektüre Heranwachsender, die gegen Ungerechtigkeiten aufbegehren. Die mittlerweile 87-jährige Autorin des Klassikers hat jetzt ihren Literaturagenten verklagt, weil der sich vor einigen Jahren eine Unterschrift erschlichen haben soll, mit der ihm alle Lizenzrechte ohne Gegenleistung übertragen worden waren. Über Klage und Buch schreibt die Welt (Ansgar Graw) in ihrem Feuilleton.
USA – Kein Asyl für Deutsche: Eine fundamental-christliche deutsche Familie kann bis auf weiteres kein Asyl in den USA erlangen. Spiegel.de (fln) berichtet, dass die Familie aus Baden-Württemberg, die ihre Kinder in ihrer "Home School" erziehen möchte und hierüber in Konflikt mit der deutschen Schulpflicht geriet, vor einem Gericht mit dem Versuch gescheitert ist, eine abschlägige Entscheidung des "Board of Immigration Appeals", einer Behörde des Justizministeriums, aufheben zu lassen.
Sonstiges
Haftverkürzung erlesen: Lesen bildet – und kann manchmal auch praktische Verbesserungen der eigenen Situation bewirken, etwa eine Haftverkürzung. Über ein Projekt in Brasilien, nach dem Gefangenen für jedes gelesene und anschließend schriftlich besprochene Buch vier Tage Haft erlassen werden, berichtet die SZ (Heribert Prantl) unter Bezugnahme auf einen Aufsatz von Michael Köhne in der Zeitschrift "Neue Kriminalpolitik".
Pharmatest-Skandal: Die Zeit (Evelyn Finger/Götz Hamann) interviewt Roland Jahn, den Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen zu ethisch fragwürdiger Medikamenten-Tests westlicher Pharmakonzerne in der DDR. Akten zu Details der Versuche seien bislang nicht gefunden worden, einer möglichen Strafverfolgung stehe die Verjährung entgegen. Gleichwohl plädiert Jahn für eine lückenlose Aufklärung der Vorgänge. "Alle Archive sind jetzt gefragt, Akten zur Verfügung zu stellen."
Vorbild Uli Hoeneß: Die SZ (S. Bigalke/H. Freiberger) schreibt in ihrem Wirtschafts-Teil, dass nach dem Bekanntwerden der Steuerhinterziehung von Uli Hoeneß Finanzämter im gesamten Bundesgebiet einen sprunghaften Anstieg von Selbstanzeigen registrieren. Neben der öffentlichen Wirksamkeit der Vorgänge um den Präsidenten des FC Bayern seien hierfür auch Schweizer Banken verantwortlich, die Schwarzgeld loswerden wollten und ihre Kunden auffordern würden, reinen Tisch zu machen.
Das Letzte zum Schluss
Legal, illegal: Das illegale Downloaden von Musik oder Kinofilmen schädigt die Unterhaltungsindustrie. Sagt die Unterhaltungsindustrie. Eine Studie der britischen Medienaufsichtsbehörde, über die Nicolas Fennen (netzpolitik.org) berichtet, belegt dagegen, dass Internet-Nutzer, die besonders viel illegal downloaden, auch überproportional viel legal im Netz konsumieren.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 16. Mai 2013: Antragsflut beim NSU-Prozess - Vaterschaftsanfechtung von Samenspendern - Vorbild Uli Hoeneß . In: Legal Tribune Online, 16.05.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8743/ (abgerufen am: 07.05.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag