Das BVerfG befasst sich mit dem Atomausstieg. Außerdem in der Presseschau: Heiko Maas zu Verbraucherschutz bei Bankgeschäften, das BVerwG verhandelt zum Rundfunkbeitrag und Anders Breivik klagt gegen seine Haftbedingungen.
Thema des Tages
BVerfG – Atomausstieg: Nach der Katastrophe von Fukushima beschloss die Bundesregierung die sofortige Abschaltung von acht der 17 deutschen AKW. Ob sie hierbei ungerechtfertigt die grundrechtliche Eigentumsgarantie der Kraftwerksbetreiber verletzte, wird das Bundesverfassungsgericht in einer mündlichen Verhandlung am heutigen Dienstag erörtern. Über die Hintergründe und die Argumentation der Beschwerdeführer klärt die SZ (Michael Bauchmüller/Wolfgang Janisch) auf. Besonders problematisch sei die Abschaltung des damals noch relativ jungen AKW Krümmel. Denn diese Entscheidung außerhalb des "nach Alter und Laufzeit abgestuften Schema des Ausstiegs" sei wohl vor allem politischen Opportunitätserwägungen geschuldet. Auch die Welt (Daniel Wetzel) berichtet zu dem anstehenden "Showdown in Karlsruhe".
In einem Kommentar bezeichnet es Jürgen Flauger (Hbl) als "richtig", dass sich das Bundesverfassungsgericht dem Thema widmet. Zwar würde die Energiewende und auch der Atomausstieg heutzutage nicht mehr ernsthaft in Frage gestellt. Die beteiligten Energieunternehmen hätten gleichwohl die Pflicht, die Rechte ihrer Aktionäre zu wahren und sich dementsprechend gegen immerhin denkbare Enteignungen zu wenden. Es gehe "um eine juristische Klärung von Eigentumsrechten – um mehr nicht, aber auch nicht um weniger."
Rechtspolitik
Schlichtungsstelle: Das Bundesjustizministerium plant nach Bericht des Hbl (Anja Stehle) die Einrichtung einer allgemeinen, bundesweit für Verbraucherfragen zuständigen Schlichtungsstelle. Durch die bereits ab April arbeitende Stelle sollten Schutzlücken in Branchen ohne derartige unabhängige Einrichtungen geschlossen werden. Nach dem separaten Kommentar von Anja Stehle (Hbl) eignen sich Schiedsgerichte als neutrale Vermittler gerade zur Streitbelegung in solchen Fällen, in denen Verbraucher wegen relativ kleiner Streitsummen den Gang zu Gericht scheuten. "Fatal" wäre es jedoch, wenn der Verbraucherschutz in großem Umfang einer richterlichen Kontrolle entzogen würde.
Bauvertragsrecht: Anfang März hat sich die Bundesregierung auf einen Entwurf für ein "Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts und zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung" verständigt. Das Gesetz soll noch in diesem Jahr verabschiedet werden. Bereits jetzt stellt Rechtsanwalt Oliver Kerpen auf lto.de die wesentlichen Neuerungen vor.
Verbraucherschutz bei Bankgeschäften: Aus Anlass des heutigen Weltverbrauchertages stellt Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) in einem Gastkommentar für das Hbl Vorhaben der Regierung für einen stärkeren Verbraucherschutz im Finanzwesen vor. Banken müssten bei den von ihnen angebotenen Produkten vor allem transparent agieren, nur so könnten Verbraucher "ihre Marktmacht nutzen und für sich selbst das beste Angebot herausholen".
Mehrwertsteuer: Nach Bericht der SZ (Alexander Mühlauer) plant die EU-Kommission eine Reform des aktuellen Mehrwertsteuer-Systems. So sollten unter anderem die geltenden Mindestsätze abgeschafft werden.
Justiz
BVerwG – Rundfunkbeitrag: Das Bundesverwaltungsgericht wird am morgigen Mittwoch zu Klagen mehrerer privater Zahler gegen die Erhebung des Rundfunkbeitrags verhandeln. Unterinstanzlich ist dessen Rechtmäßigkeit ausnahmslos bestätigt worden, schreibt die SZ (Wolfgang Janisch). Über weitere beim Gericht anhängig gemachte Klagen von Unternehmen werde voraussichtlich im Herbst verhandelt.
OLG München – Spionage: Zum Plädoyer der Verteidigung im Spionage-Prozess vor dem Oberlandesgericht München berichtet die SZ (Hans Holzhaider). Nach Ansicht der Verteidigung sei bereits die Tatbestandsmäßigkeit des Landesverrats fraglich, weil die vom früheren BND-Mitarbeiter weitergeleiteten Dokumente schließlich bei einer befreundeten Macht, dem Bündnispartner USA, gelandet seien.
OLG Köln zu Amazon-Klausel: Korbinian Zellner (paloubis.com) informiert über ein Urteil des Oberlandesgerichts Köln von Ende Februar, nach dem eine vom Online-Händler Amazon zur Vertragskündigung sogenannter Viel-Retournierer verwendete Klausel unwirksam ist.
LG Braunschweig – VW: 278 Aktionäre des Volkswagen-Konzerns haben den Autobauer vor dem Landgericht Braunschweig auf gut 3,2 Milliarden Euro Schadensersatz verklagt. Sie machten geltend, dass VW vor knapp 10 Jahren in den USA neue Diesel-Modelle als Teil einer konzernweiten "Öko-Offensive" einführte, gleichzeitig aber entsprechende interne Prüfungen unterlassen habe. Die SZ (Thomas Fromm/Klaus Ott) berichtet.
LG Stuttgart – Wendelin Wiedeking: Im Verfahren gegen die früheren Porsche-Manager Wendelin Wiedeking und Holger Härter vor dem Landgericht Stuttgart hat die Verteidigung mit "scharfen Worten" einen Freispruch beantragt, schreibt die SZ (Max Hägler). Der Vorwurf der Marktmanipulation im Zuge der Übernahmeschlacht zwischen Porsche und VW sei nach Ansicht der Verteidigung durch die Hauptverhandlung nicht bestätigt worden.
LG Neubrandenburg – Auschwitz: Das Verfahren gegen einen ehemaligen Wachmann des Konzentrationslagers Auschwitz vor dem Landgericht Neubrandenburg ist bis zu einer gesundheitlichen Untersuchung des Angeklagten ausgesetzt. Am gestrigen Montag erschien der 95-Jährige unter Verweis auf eine amtsärztliche Attestierung fehlender Verhandlungsfähigkeit nicht im Gericht. Dies meldet die taz (Klaus Hillenbrand).
LG Berlin – versuchter Totschlag: Im Feuilleton der FAZ (Klaus Ungerer) werden in romanhafter Form die persönlichen Hintergründe einer im August 2015 in Berlin geschehenen versuchten Tötung nacherzählt. Ein in den Tag hineinlebender 27-Jähriger hatte einen Freund wegen dessen aktueller Beziehung zur ehemaligen Freundin zu töten versucht, das Landgericht Berlin verurteilte ihn hierfür zu vier Jahren Freiheitsentzug.
LG Dresden – Schleuser: Wegen Schleusung von Flüchtlingen hat das Landgericht Dresden einen Bulgaren zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt. Der Mann hatte gestanden, im vergangenen August 81 Menschen ohne Pause in einem Kühllaster von Ungarn nach Sachsen verbracht zu haben, meldet zeit.de.
AG Dresden – Lutz Bachmann: Nach Meldung der taz muss sich der Pegida-Vorsitzende Lutz Bachmann ab dem 19. April vor dem Amtsgericht Dresden gegen den Vorwurf der Volksverhetzung verteidigen. Verfahrensgegenständlich sind Äußerungen Bachmanns über Flüchtlinge auf einer öffentlich zugänglichen Facebook-Seite.
Recht in der Welt
Norwegen – Anders Breivik: Ab dem heutigen Dienstag wird in Norwegen zur Klage des verurteilten Massenmörders Anders Breivik gegen seine Haftbedingungen verhandelt. Breivik behaupte eine "unmenschliche" und "erniedrigende" Isolationshaft, schreibt die SZ (Silke Bigalke) und wolle wenn nötig bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ziehen. Auch die Welt (Per Hinrichs) berichtet zur Klage und den Haftbedingungen Breiviks.
Polen/Ungarn – Rechtsstaat: In einem englischsprachigen Artikel "Poland, Hungary and Europe: Pre-Article 7 Hopes and Concerns" setzt sich Rechtsprofessorin Renata Uitz auf verfassungsblog.de mit europäischen Optionen zu den aktuellen Entwicklungen in Polen und Ungarn auseinander.
Großbritannien – Brexit: Rechtsanwalt Christian Harmsen macht in einem Gastbeitrag für das Hbl darauf aufmerksam, dass ein möglicher Austritt Großbritanniens aus der EU auch das Projekt eines EU-Patentgerichts gefährden würde. Dessen Einführung sei für 2017 geplant, die hierfür notwendige Ratifizierung des Übereinkommens in Deutschland stehe bislang aus.
USA – Krypto-Krieg: Auch zeit.de (Patrick Beuth) berichtet nun zu den in den USA tobenden Auseinandersetzungen über behördlich angeordnete Entschlüsselungen. Nachdem zunächst Apple in das Visier des FBI geraten war, solle nun auch der Nachrichtendienst WhatsApp die von ihm verwendete Verschlüsselungstechnik offen legen. Derweil zweifle man im US-Justizministerium, ob die Öffentlichmachung der Vorgänge nicht ein Fehler gewesen sei.
Sonstiges
Europäisches Patentamt: Das Hbl (Jan Keuchel/Volker Votsmeier) berichtet zu einem "Machtkampf" am Europäischen Patentamt. Dessen Präsident, Benoit Battistelli aus Frankreich, sehe sich als Reformer, der die Behörde unter anderem durch mehr Richterstellen international wettbewerbsfähiger machen wolle. Als Kontrahenten träten dagegen Vertreter gewerkschaftlich organisierter Mitarbeiter auf. In einem Interview mit der Zeitung (Jan Keuchel/Volker Votsmeier) erläutert Battistelli seine Positionen.
3D-Drucker: Die noch relativ neue 3D-Drucktechnik wird in einigen Branchen bereits zur Produktion eingesetzt, auf privater Ebene seien zahlreiche Rechtsfragen zu ihrem Einsatz aber noch offen, so das Hbl (Heike Anger). Verbraucher müssten jedoch in jedem Fall für den Nachdruck einer Vorlage eine Lizenz erwerben, wenn das zu druckende Stück auf einer kommerziellen Vorlage beruht und außerhalb von Privatgebrauch verwendet werden soll.
Das Letzte zum Schluss
Justizminister a.D.: In Ägypten gelten bei der Frage nach Erlaubtem und Verbotenem andere Maßstäbe als hierzulande. Dies bekam jetzt auch der bislang amtierende Justizminister Ahmed al-Zind zu spüren. In Beantwortung einer Frage zu Inhaftierungen von Journalisten gab er nach Meldung von focus.de folgendes kund: "Ich werde jeden einsperren, der gegen das Gesetz verstößt, auch den Propheten, Friede sei mit ihm." Letzterer Zusatz half nichts, nach öffentlicher Kritik trat der Minister zurück.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 15. März 2016: BVerfG zu Atomausstieg / BVerwG zu Rundfunkbeitrag / Breivik gegen Haft . In: Legal Tribune Online, 15.03.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18733/ (abgerufen am: 04.05.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag