Das BAG entscheidet restriktiv zu Social Media im Betrieb. Außerdem in der Presseschau: Verbotene Bekenntnissymbole bei Gericht, Studiengebühren für ausländische Studierende, Fischer über Kriminalität und Medien.
Tagesthema
BAG zur Zustimmungspflicht beim FB-Auftritt: Unternehmen, die auf ihrem Facebook-Auftritt das Posten von Kommentaren zulassen, müssen zuvor die Zustimmung des Betriebsrates einholen. Dies entschied das Bundesarbeitsgericht am gestrigen Dienstag in einem Grundsatzurteil und begründete dies mit einem wachsenden "Überwachungsdruck" für die Mitarbeiter. Konkret ging es um eine Facebook-Präsenz des Blutspendedienstes West des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), auf der einzelne Mitarbeiter kritisiert wurden. Die taz (Christian Rath) stellt Fall, Urteil und die gerichtliche Argumentation vor. Ausführlich befasst sich auch Rechtsprofessor Michael Fuhlrott für lto.de mit der Entscheidung und den Hintergründen.
Rechtspolitik
Strafverfahren: Am heutigen Mittwoch soll der Gesetzentwurf zur im Frühjahr geplanten Reform des Strafverfahrens vom Kabinett beschlossen werden. Ziel der neuen Vorschriften seien "Effektivität und Praxistauglichkeit, allerdings nicht um jeden Preis", so Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) gegenüber der SZ (Wolfgang Janisch). Der Entwurf sehe etwa "einen effizienteren Umgang mit Befangenheits- und Beweisanträgen" für Richter vor.
Fake News: Nach Meldung von focus.de fordern CDU-Politiker die Bestrafung von gezielten Desinformationen zur Destabilisierung eines Staates. Thomas Oppermann (SPD) will Facebook verpflichten, Falschmeldungen schnell zu löschen.
In einem Kommentar vergleicht Heribert Prantl (SZ) gefälschte Nachrichten mit psychotropen Drogen, die als "Gift für die Demokratie" besonders gefährlich seien. Um dagegen das Strafrecht effektiv als "Droh- und Notmittel" einzusetzen, müsse etwa der Tatbestand der Verleumdung neugefasst und dann auch schnell angewendet werden.
Kopftuch im Gericht: Die baden-württembergische Landesregierung hat sich auf einen Entwurfstext für das von ihre geplante Verbot sichtbarer religiöser Symbole in Gerichtssälen geeinigt. Dort solle das Tragen von Kreuzen, Kippas und Kopftüchern künftig verboten sein, die Regelungen würden aber nicht für Gerichtsmitarbeiter, Verteidiger und Schöffen gelten. Dazu taz (Benno Stieber) und spiegel.de (Matthias Kaufmann/Heike Klovert).
In einem separaten Kommentar wünscht sich Benno Stieber (taz) die "angelsächsische Gelassenheit in diesen Fragen". Nachdem die Union gegen das Kruzifixurteil des Bundesverfassungsgericht Sturm gelaufen sei, sorge sie sich jetzt um Voreingenommenheit von Kopftuchträgerinnen, gegen die das Gesetz auch nach Eingeständnis der Partei vorrangig gerichtet sei.
Studiengebühren: Die baden-württembergische Landesregierung will Studiengebühren für ausländische Studierende und für ein Zweitstudium einführen. Promovend Jacob Lohmann und wissenschaftlicher Mitarbeiter David Werdermann untersuchen auf verfassungsblog.de die Vereinbarkeit des vorgelegten Gesetzentwurfs mit dem Verfassungs- und dem Völkerrecht.
Verwertungsgesellschaften: Die Große Koalition will die Verlegerbeteiligung neu regeln und hat hierzu einen Vorschlag unterbreitet, der noch am Donnerstag dieser Woche im Bundestag beschlossen werden soll, wie die BadZ (Christian Rath) berichtet. Danach sollen Literatur- und Musikverlage weiter an den Einnahmen von Verwertungsgesellschaften wie VG Wort und Gema beteiligt werden können. Die Ausschüttungspraxis ist vom Bundesgerichtshof im April für rechtswidrig erklärt worden, was Existenznöte bei kleineren Verlagen auslöste.
Wahlrechtsreform: Innerhalb der Regierungskoalition herrscht Dissens über die Inhalte einer möglichen Wahlrechtsreform. Auf einem am morgigen Donnerstag geplanten Treffen würden Fachleute sich noch einmal über Rechenmodelle verständigen, schreibt die FAZ (Günter Bannas). Ein Reformentwurf müsste aber bis spätestens Januar vorliegen, um noch vor der Bundestagswahl verabschiedet zu werden.
Wohnimmobilienkredite: Das Bundesministerium der Justiz und Verbraucherschutz will "Auslegungsunsicherheiten" bei der Anwendung der im März in Kraft getretenen Wohnimmobilienkreditrichtlinie beseitigen, schreibt das Hbl (Frank M. Drost). Viele Kreditinstitute seien zu einer restriktiven Kreditvergabe übergangen, weshalb gerade ältere Menschen und junge Familien Absagen erhalten hätten. Durch gesetzliche Klarstellungen sollten diese Auswirkungen nun behoben werden.
Justiz
BGH – Eigenbedarfskündigung: Am heutigen Mittwoch verhandelt der Bundesgerichtshof nach Darstellung der SZ (Wolfgang Janisch) zur Zulässigkeit einer mietrechtlichen Eigenbedarfskündigung. Zwar habe das Gericht bereits 2007 und zuletzt vor fünf Jahren eine solche für den geltend gemachten Eigenbedarf der Gesellschafter einer GbR für zulässig erklärt. Im jetzt verhandelten Fall sei aber das Landgericht München I von dieser Rechtsprechung abgewichen, weil diese "in der Regel klar auf die Amortisierung und Vermehrung der getätigten Investitionen ausgerichtet" und das Kündigungsrisiko für Mieter schwer überschaubar sei.
BVerwG – Fernmeldeüberwachung: Das Bundesverwaltungsgericht wird am heutigen Mittwoch über die Zulässigkeit von Klagen gegen die Telekommunikationsüberwachung durch den BND entscheiden. Der Verein Reporter ohne Grenzen und Rechtsanwalt Niko Härting hoffen, dass ihnen der Nachweis der persönlichen Betroffenheit gelingen wird, nachdem sie dem Gericht das geleakte Rechtsgutachten des BND zum Verkehrsanalysesystem "VerAS" vorgelegt haben. lto.de (Pia Lorenz) stellt die Hintergründe dar.
LG Hamburg zu Urheberrechtsverletzungen: Mit der Entscheidung des Landgerichts Hamburg zur Verlinkung von urheberrechtlich geschützten Bildern befasst sich internet-law.de (Thomas Stadler) und stellt dies in Zusammenhang mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs, wonach bei Gewinnerzielungsabsicht das Verlinken von Webseiten mit gegen Urheberrechte verstoßenden Inhalten ausreichend sei, um eine Urheberrechtsverletzung zu begründen. Eine vertiefte Darstellung der gerichtlichen Argumentation bringt auch die FAZ (Hendrik Wieduwilt) in ihrem Wirtschafts-Teil. Sie geht auch auf Kritik von Netzaktivisten ein und erwähnt die auf der Webseite change.org gestartete Petition "Rette den Link!".
BAG zu Urlaubsanspruch: Wie lto.de meldet, hat das Bundesarbeitsgericht dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob die deutsche Regelung zur Urlaubsabgeltung im Bundesurlaubsgesetz europarechtskonform ist. Nach bisheriger Rechtsprechung des BAG verfällt der nicht beantragte Urlaub, wenn keine Übertragungsgründe vorliegen, ohne dass der Arbeitgeber diesen von sich aus gewähren muss.
BayVGH zu syrischen Flüchtlingen: Flüchtlinge aus Syrien genießen nach einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Freistaat nicht ohne Weiteres einen Flüchtlingsstatus. Ein in Deutschland gestellter Asylantrag bewirke nicht "mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit" die politische Verfolgung im Heimatstaat, gibt die SZ (Olaf Przybilla) das eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Regensburg insoweit aufhebende Urteil des VGH wieder. Die Revision sei nicht zugelassen worden.
LG Dresden zu Kannibalismus: Das Landgericht Dresden hat den sogenannten Kannibalen vom Glimmlitztal wie bereits 2014 wegen Mordes, aber zu einer zeitigen Freiheitsstrafe verurteilt, berichtet die taz (Michael Bartsch). Das Gericht habe seine Entscheidung mit dem Einverständnis und unbedingten Willen des Getöteten zu seiner Tötung durch den Verurteilten begründet. Dies führe zu einer Einschränkung der Mordmerkmale. Der Bundesgerichtshof hatte die erste Entscheidung mit dem Argument aufgehoben und zurückverwiesen, dass Mord zwingend eine lebenslängliche Freiheitsstrafe nach sich ziehe. Unter dem Titel "Mord an den Grenzen des Rechts" befasst sich auch die Welt (Gisela Friedrichsen) ausführlich mit dem Fall.
OLG München – NSU: Das NSU-Verfahren am Oberlandesgericht München erlebte einen kurzen Verhandlungstag. Der Bericht der SZ (Wiebke Ramm) konzentriert sich daher auf die Nachricht des Todes der Großmutter Beate Zschäpes und stellt das Verhältnis der beiden dar.
FG Hessen – Cum-Ex: Vor dem Hessischen Finanzgericht wird im kommenden Jahr zu einer Steuerrückforderung gegen die Commerzbank wegen sogenannter Cum-Ex-Erstattungen verhandelt. Der noch nicht terminierte Prozess wird auf Antrag der Bank unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Dies berichtet die SZ (Lena Kampf/Klaus Ott).
StA Freiburg – Sexualmord: Die Staatsanwaltschaft Freiburg hat im Fall der getöteten Medizinstudentin ein Rechtshilfeersuchen nach Griechenland gerichtet. Grund seien Presseberichte über eine Verurteilung des mutmaßlichen Täters im Mai 2013 auf Korfu. Die FAZ (Rüdiger Soldt) berichtet.
Nach dem Kommentar von Reinhard Müller (FAZ) offenbare die mögliche Verurteilung des Tatverdächtigen "Schwachstellen eines Systems". Wenn der europäische Rechtsraum in Griechenland derart mangelhaft funktioniere, seien europäische Investitionen notwendig. Andererseits müsse Deutschland aber auch "Kontrolle über seine Grenzen behalten", denn es dürfe "die (nationale) Sicherheit" nicht zu kurz kommen.
Recht in der Welt
Luxemburg – Lux-Leaks: Die SZ (Tim Neshitov) widmet dem nun eröffneten Berufungsverfahren gegen die Urheber der sogenannten Lux-Leaks eine Seite-Drei-Reportage. Sowohl die beiden verurteilten Whistleblower als auch der freigesprochene Journalist sowie die Staatsanwaltschaft haben Berufung gegen die erstinstanzliche Entscheidung eingelegt. Zu Beginn der jetzigen Verhandlung habe das Gericht zu verstehen gegeben, dass es die Frage der Legalität der offengelegten Steuerdeals nicht zu behandeln gedenke. Der für den Abschluss dieser Deals zuständige luxemburgische Steuerbeamte habe sich seinerseits erneut und für die Dauer des Berufungsverfahrens krankschreiben lassen.
Griechenland – Zwangsversteigerungen: Für eine Reportage hat die SZ (Mike Szymanski) das Athener Amtsgericht an einem Mittwoch besucht. Dies sei der "Tag der Zwangsversteigerungen", deren Anzahl in der letzten Zeit sprunghaft gestiegen sei. Wegen mangelnder Nachfrage fänden sich tatsächlich selten Kaufinteressenten.
Italien – Verurteilung nach Flüchtlingskatastrophe: Im Prozess um ein Bootsunglück, bei dem im April 2015 im Mittelmeer knapp 900 Flüchtlinge zu Tode kamen, sind vor einem italienischen Gericht der tunesische Bootsführer zu 18 Jahren und sein syrischer Helfer zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Ersterer wurde wegen mehrfacher fahrlässiger Tötung, Herbeiführen eines Schiffbruchs und Menschenschmuggels, der Syrer wegen Menschenschmuggels verurteilt. Dazu spiegel.de (Hans-Jürgen Schlamp) und zeit.de.
Indonesien – Blasphemie: In Indonesien hat der Prozess gegen den christlichen, chinesischstämmigen Gouverneur der Hauptstadt Jakarta, dem Blasphemie vorgeworfen wird, begonnen. Der Angeklagte bestritt bezüglich der fraglichen Äußerungen eine beleidigende Absicht, berichtet die taz (Sven Hansen).
Sonstiges
Kriminalität und Massenmedien: Bundesrichter Thomas Fischer kritisiert in seiner Kolumne bei zeit.de die Reaktionen auf den Freiburger Mord sowie die mangelnde Beachtung kriminologischer Forschung in der Diskussion. Zur Debatte hält Fischer fest: "Wer mit Migration nicht leben will und kann, ist vielleicht ein "besorgter", auf jeden Fall aber ein besorgniserregender, in der neuen, globalisierten Welt nicht angekommener Bürger."
Das Letzte zum Schluss
Weihnachten: Die Festtage stehen vor der Tür und damit dann wohl auch die Zeit für Polizeimeldungen wie die von der SZ gemeldete. Beamte aus Clausthal-Zellerfeld im Oberharz suchen "Zeugen, die einen ungewöhnlichen Weihnachtsbaumtransport beobachtet haben". Der verloren gegangene Baum stand samt Lichterketten und Zeitschaltuhr zuvor auf dem vier Meter hohen Balkon des Rathauses der Stadt.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi/ms
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 14. Dezember 2016: Keine Social Media ohne Betriebsrat / Kopftuch im Gericht / Kriminalität und Massenmedien . In: Legal Tribune Online, 14.12.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21451/ (abgerufen am: 02.05.2024 )
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