Wer Juden als geheime Weltstrippenzieher darstellt, darf grundsätzlich als "rechtsradikal" eingestuft werden, so das Bundesverfassungsgericht. Außerdem in der heutigen Presseschau: Die Pläne für den elektronischen Rechtsverkehr, ein BAG-Urteil zum Einsatz von Tesafilm in der Erziehung und warum die Stadt Nürnberg manche Nummernschilder für unerträglich hält.
BVerfG zu Meinungsfreiheit: Die Einschätzung einer anderen Person als "rechtsradikal" ist grundsätzlich von der Meinungsfreiheit geschützt. Das entschied nun das Bundesverfassungsgericht in einer Kammerentscheidung zum Streit zwischen zwei Rechtsanwälten. Die fränkischen Vorinstanzen hatten entweder eine (nicht bewiesene) Tatsachbehauptung oder eine (unzulässige) Schmähkritik angenommen. Über den Fall berichtet u.a. zeit.de.
"Es ist nur konsequent, dass die liberale Rechtsprechung des Gerichts zugunsten von Äußerungen und Aufmärschen etwa der NPD auch für deren Gegner gilt", kommentiert Reinhard Müller (FAZ) .
Weitere Themen – Rechtspolitik
Elektronischer Rechtsverkehr: In einigen Jahren sollen Anwälte keine Briefe, Faxe oder Akten mehr an die Gerichte schicken dürfen Die FAZ (Joachim Jahn) stellt Pläne zur bundesweiten Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs vor. Ein Gesetzentwurf des Bundesrats liege schon vor, ein Pendant der Bundesregierung wird noch in diesem Jahr erwartet. Anlass des Berichts war eine Tagung des Deutschen Anwaltvereins (DAV).
Sinti in der Verfassung: Den deutschen Sinti und Roma soll in der Landesverfassung von Schleswig-Holstein "Schutz und Förderung" garantiert werden. Eine entsprechende Ergänzung der Verfassung, die bisher nur Friesen und Dänen als Minderheit schützt, wird heute der Kieler Landtag beschließen, so die SZ (Jens Schneider).
Ministerin Merk – Rücktrittsforderung: Die Freien Wähler in Bayern haben den Rücktritt der CSU-Justizministerin Beate Merk gefordert, berichtet die Welt. Sie habe den Landtag unzureichend über den Umgang der Staatsanwaltschaft mit den Vorwürfen des in die Psychiatrie eingewiesenen Gustl Mollath informiert. Mollath habe der Hypo-Vereinsbank vorgeworfen, systematisch Schwarzgeld in die Schweiz zu transferieren, was von der Staatsanwaltschaft nicht richtig untersucht worden sei – obwohl sich die Vorwürfe inzwischen als stichhaltig erwiesen.
Weitere Themen – Justiz
BVerfG – Antrag der NPD: Die NPD hat beim Bundesverfassungsgericht die Feststellung beantragt, sie sei nicht verfassungswidrig. Entsprechende Behauptungen von Politikern verletzten sie in ihren Rechten, argumentiert die Partei. Es berichtet u.a. spiegel.de. Im Interview mit lto.de (Pia Lorenz) erklärt der Rechtswissenschaftler Sebastian Roßner, warum die NPD mit dem Antrag "nicht durchkommen" wird. Ähnlich sieht das Max Steinbeis (Verfassungsblog). "Es gibt kein Recht einer Partei, von solchen Meinungsäußerungen verschont zu bleiben".
BGH zu Anschlussflügen: Es gibt keine Entschädigung für Flugverspätungen, wenn diese erst bei Anschlussflügen außerhalb der EU eintreten. Dies entschied der Bundesgerichtshof laut lto.de. Dies gelte auch dann, wenn eine Fluggesellschaft die gesamte Reise als einheitlichen Flug anbiete.
BGH zu P-Kontogebühren: Banken dürfen bei Pfändungsschutzkonten (P-Konten) keine zusätzlichen Gebühren verlangen. Dies entschied jetzt der Bundesgerichtshof, so spiegel.de.
BAG zu Tesafilm-Erziehung: Eine Lehrerin, die schwatzhaften Schülern zur Disziplinierung Tesafilm-Streifen über den Mund klebt, kann auch ohne Abmahnung entlassen werden. Das hat laut beck.blog.de (Markus Stoffels) das Bundesarbeitsgericht in einem kürzlich veröffentlichten Urteil entschieden. Allerdings sei der Sachverhalt noch nicht ausreichend aufgeklärt.
BFH zu Unternehmensübergang: Die FTD (Raimund Diefenbach) stellt ein aktuelles Urteil des Bundesfinanzhofs vor, wonach der steuerfreie Übergang eines Familienunternehmens an Sohn oder Tochter auch dann möglich ist, wenn die stillen Reserven nicht aufgedeckt werden und dem Alt-Unternehmer noch Einkünfte aus Mieteinnahmen eines Betriebsgrundstücks verbleiben.
LG Waldshut zu vorgetäuschtem Anschlag: Das Landgericht Waldshut hat den Bürgermeister eines Dorfes wegen Vortäuschens einer Straftat zu einer Geldstrafe verurteilt. Er soll den Wurf eines Molotow-Cocktails ins Rathaus inszeniert haben. Sein Lebenspartner wurde als Gehilfe verurteilt. Die Badische Zeitung (Martina Philipp) schildert die Entscheidung.
LG Karlsruhe – Brustimplantate: Am Landgericht Karlsruhe hat der erste deutsche Prozess wegen fehlerhafter Silikonimplantate begonnen. Eine Frau verklagte u.a. ihren Arzt wegen mangelnder Aufklärung. Das Urteil soll am 30. November verkündet werden. Es berichten die SZ (Wolfgang Janisch) und spiegel.de
VG Berlin – Sprachkenntnisse: Die Pflicht, für nachziehende ausländische Ehegatten zuvor Sprachkenntnisse nachzuweisen, muss vom Europäischen Gerichtshof überprüft werden. Das Berliner Verwaltungsgericht hat dem EuGH die Frage vorgelegt, ob die entsprechende deutsche Norm gegen EU-Recht verstößt, berichtet die FAZ (Mechthild Küpper).
OLG Karlsruhe – Richterleistung: Die Präsidentin des Oberlandesgerichts Karlsruhe hat einen Richter wegen unzureichender Arbeitsleistung ermahnt. Der sieht darin einen Eingriff in seine richterliche Unabhängigkeit und hat Dienstaufsichtsbeschwerde erhoben. Den Fall schildert die Badische Zeitung (Stefan Hupka).
Strafverfolgung - Statistik: spiegel.de stellt die Ergebnisse der jüngsten Strafverfolgungsstatistik des Statistischen Bundesamts vor. "2011 haben deutsche Gerichte so wenige Menschen rechtskräftig verurteilt wie nie zuvor seit Beginn dieser Erhebung im Jahr 2007."
Staatsanwaltschaften – Pressearbeit: Thomas Stadler (internet-law.de) hält die identifizierende Pressearbeit von Staatsanwaltschaften im Ermittlungsverfahren für rechtswidrig, weil es an einer gesetzlichen Eingriffsgrundlage fehle.
Weitere Themen – Recht in der Welt
USA – Klage gegen Deutsche Bank: Die Federal Housing Finance Agency hat die Deutsche Bank vor einem Bezirksgericht in New York auf Schadensersatz in Höhe von 14 Milliarden Dollar verklagt. Die Deutsche Bank soll beim Verkauf von Hypothekenanleihen falsche Angaben gemacht haben, berichtet die FAZ (Markus Frühauf).
Sonstiges
Steuerhinterzieher: Die SZ (Hans Leyendecker) fragt sich, warum im Zeitalter der belastenden Steuer-CDs nicht alle Steuerhinterzieher Selbstanzeigen machen. Leyendecker stellt dabei verschiedene Typen von Steuerhinterziehern vor.
Das Letzte zum Schluss
N-SU: Die Stadt Nürnberg hat ihre eigene Art, den NSU-Terror aufzuarbeiten. Sie wechselt bei allen städtischen Fahrzeugen die Nummernschilder N-SU aus, berichtet die FR (Andreas Förster) Private Autohalter können sich auf Kosten der Stadt neue Kennzeichen besorgen.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 14. November 2012: "Rechtsradikaler" ohne Ehrenschutz – Gerichte ohne Briefe – NSU ohne Autokennzeichen . In: Legal Tribune Online, 14.11.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7539/ (abgerufen am: 05.05.2024 )
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