NPD will Verfassungstreue vom BVerfG feststellen lassen: "Damit wird die Partei nicht durchkommen"

Interview mit Dr. Sebastian Roßner

13.11.2012

Anfang Dezember wollen die Innenminister von Bund und Ländern über einen neuen Verbotsantrag der NPD entscheiden. Nun geht die Partei in die Offensive und beantragt in Karlsruhe, ihre Verfassungstreue feststellen zu lassen. Sebastian Roßner erklärt im LTO-Interview, warum das weder in Karlsruhe noch in Straßburg klappen wird – obwohl die NPD vielleicht tatsächlich in ihren Rechten verletzt ist.

LTO: Die NPD will ihre Verfassungsmäßigkeit feststellen lassen. Sie sieht ihre Rechte dadurch verletzt, dass auch durch staatliche Stellen ihre Verfassungswidrigkeit behauptet, aber kein Verbotsantrag gestellt wird.  Das ist, so weit wir wissen, der erste Antrag dieser Art in Karlsruhe. Gibt es eine Feststellungsklage vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) – oder ein sonstiges Verfahren, das für ein solches Begehren vorgesehen wäre?

Roßner: Eine Feststellungsklage ist vor dem Verfassungsgericht nicht vorgesehen. Dabei gilt das Enumerationsprinzip: Es gibt nur diejenigen Klagearten, die gesetzlich geregelt sind.

Eine Ausnahme könnte man allenfalls erwägen, wenn dadurch eine nicht hinnehmbare Rechtsschutzlücke entsteht. Dann könnte man überlegen, über den Weg des Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) ein Verfahren praeter legem zu konstruieren.

LTO: Auf dieses Gebot des effektiven Rechtsschutzes will die NPD ihre Klage nach eigenen Angaben stützen. Sie stellt sich vor, dass das BVerfG prüfen soll, ob die Möglichkeit von Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat, eine Partei verbieten zu lassen, mit Blick auf das europäische Recht erweiternd ausgelegt werden müsste.

Roßner: Es geht dabei gar nicht um einen Rückgriff auf europäisches Recht. Es gibt eine solche gravierende Rechtsschutzlücke nicht. Der Rechtsstatus der NPD ist, von den prozessualen Fragen einmal ganz abgesehen, durch irgendwelche Äußerungen über ihre Verfassungsfeindlichkeit nicht tangiert. Damit wird die NPD nicht durchkommen.

"Keine Umdeutung in ein Organstreitverfahren möglich"

LTO: Und andere Klagemöglichkeiten gibt es nicht? Immerhin beruft die Partei sich ja darauf, in ihren Rechten dadurch verletzt zu sein, dass sie als verfassungswidrig bezeichnet, aber dennoch kein Verbotsantrag gestellt werde. Gibt es keine Möglichkeit, gegen die Bezeichnung als verfassungsfeindlich durch eine staatliche Stelle vorzugehen?

Roßner: Denkbar wäre theoretisch, über ein Organstreitverfahren eine bestimmte Äußerung als verfassungswidrig einordnen zu lassen. Die Parteien sind organstreitfähig. Wenn also ein Verfassungsorgan des Grundgesetzes die Partei in ihrem Rechtsstatus verletzte, könnte die Partei versuchen, auf diesem Wege vorzugehen.

Das würde aber nur punktuell wirken, sich also nur auf eine konkrete Äußerung beziehen. Außerdem müsste die NPD darlegen, dass die Aussage sie in ihren verfassungsmäßigen Rechten verletzt. Argumentieren könnte man damit, dass eine Partei, die als verfassungsfeindlich bezeichnet wird, gegenüber den anderen Parteien in ihrer Chancengleichheit benachteiligt wird. Geschieht das durch ein Verfassungsorgan, könnte dieses seine verfassungsmäßigen Pflichten gegenüber der Partei verletzt haben.

Dabei sind die Verfassungsgerichte aber sehr zurückhaltend. Sie begründen das damit, dass das Beiträge zur öffentlichen Meinungsbildung seien, die als solche zulässig sind. Wenn der Partei dadurch faktische Nachteile entstehen sollten, sei sie dagegen nicht durch Art. 21 GG geschützt, der eben nur vor rechtlichen Folgen schütze. Ob das zutreffend ist, daran habe ich allerdings auch ein bisschen Zweifel. Immerhin ist im Bereich der Grundrechte der faktische Eingriff anerkannt.

LTO: Den Angaben der NPD zur Einleitung des Verfahrens in Karlsruhe kann man aber wohl entnehmen, dass die Partei kein Organstreitverfahren eingeleitet, sondern offenbar tatsächlich einen Feststellungsantrag gestellt hat, von dem sie selbst weiß, dass das BVerfGG einen solchen nicht vorsieht. Könnte das BVerfG den Antrag umdeuten?

Roßner: Das ginge wohl über die Grenzen der Umdeutung hinaus. Beim Organstreitverfahren muss der Kläger einen konkreten Akt benennen, gegen den er sich wehrt. Das dürfte wohl hier kaum geschehen sein – was sollte das BVerfG da nun hinein deuten? Es dürfte an einem konkreten Organstreitgegenstand fehlen.

Zitiervorschlag

Sebastian Roßner, NPD will Verfassungstreue vom BVerfG feststellen lassen: "Damit wird die Partei nicht durchkommen" . In: Legal Tribune Online, 13.11.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7535/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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