Das OVG NRW lässt einen vorbestraften Rechtsradikalen nicht zum Referendariat zu. Außerdem in der Presseschau: Rechnung für Polizeieinsatz, Plädoyer für die Legalisierung der Prostitution und ein falscher Moment für Redseligkeit.
Thema des Tages
OVG Münster zu Referendar: Einem mehrfach vorbestraften, rechtsradikalen Juristen hat das Oberverwaltungsgericht Münster die Zulassung zum Referendariat verweigert. Der Mann, Mitglied im Bundesvorstand der Partei "Die Rechte" erfülle gemäß dem Beschluss vom Mittwoch nicht die von § 30 Abs. 4 Nr. 1 Juristenausbildungsgesetzes Nordrhein-Westfalen (JAG NRW) vorausgesetzte Würde, so der Bericht von lto.de. An dieser fehle es, wenn ein Bewerber selbst gegen das Recht verstoßen habe. Die Anzahl und Qualität der über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren angesammelten Verurteilungen lasse befürchten, dass der Bewerber nicht dem Berufsbild eines Volljuristen entsprechen werde. Dessen wesentlicher Inhalt sei die Verwirklichung des Rechts. Der Beschwerdeführer habe sich auch nicht auf die durch Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz garantierte Freiheit der Ausbildungsstätte berufen können. Denn im Interesse einer geordneten Rechtspflege könne der Zugang zum juristischen Vorbereitungsdienst von persönlichen Voraussetzungen des Bewerbers abhängig gemacht werden.
Dass dabei keine der Vorstrafen des Bewerbers die vom JAG NRW genannte Regelgrenze von einem Jahr Gefängnis überschritt, das Gericht vielmehr in einer Gesamtschau von der mangelnden Würdigkeit des Mannes ausgeht, ohne dessen politische Ausrichtung zu erwähnen, hält Udo Vetter (lawblog.de) für "wenig sympathisch". Dem Bewerber sei nun der Weg in eine berufliche Zukunft versperrt. Dem Autor sind dagegen Volljuristen bekannt, die angesichts jugendlicher Vorstrafen "durchaus Glück" gehabt hätten.
Rechtsradikaler Mitarbeiter: Rechtsanwalt Ulf Weigelt erklärt auf zeit.de, unter welchen Voraussetzungen einem Mitarbeiter gekündigt werden kann, der wegen rechtsradikaler Äußerungen auffällt. Diese könnten eine personenbezogene Kündigung rechtfertigen, gleichzeitig müsse aber auch eine konkrete Störung des Arbeitsverhältnisses durch die Äußerungen vorliegen. Im öffentlichen Dienst dagegen sei entscheidend, welche hoheitlichen Aufgaben der Betreffende erfülle.
Rechtspolitik
Einsatzkosten für Fußballspiele: Die Freie Hansestadt Bremen verschickt in der kommenden Woche den ersten Gebührenbescheid für Einsatzkosten der Polizei bei einem Bundesligaspiel. Adressat ist die Deutsche Fußballliga. Die taz (Christian Rath) befragt den bremischen Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) zu den Beweggründen, der gesetzlichen Grundlage und den Erfolgsaussichten einer möglichen gerichtlichen Auseinandersetzung zur Rechtmäßigkeit der Maßnahme.
Prostitution: In einem Kommentar begrüßt Sophie Elmenthaler (zeit.de) den Vorstoß von Amnesty International, sich künftig weltweit für die Legalisierung freiwilliger Prostitution einzusetzen. Kritiker stritten regelmäßig die Existenz freiwilliger Sexarbeit ab, übersähen aber, dass in einem kapitalistischen System Menschen ständig dazu gezwungen würden, "ihre Zeit und Gesundheit dem Geldverdienen zu unterwerfen".
Die SZ (Arne Perras) porträtiert Sail Shetty, den indischen Generalsekretär von Amnesty International.
Selektorenliste: In einem Kommentar ruft Martin Klingst (zeit.de) die Bundesregierung dazu auf, zumindest den Obleuten der Geheimdienstschüsse einen Einblick in die umstrittene Selektorenliste mit den Suchbegriffen der NSA zu gestatten. Unabhängig vom jetzigen Streit über eine mögliche Zustimmung aus den USA sollte sich die Regierung in der Angelegenheit nicht erst vom Bundesverfassungsgericht zwingen lassen und stattdessen den Parlamentariern die Erfüllung ihrer Kontrollaufgabe ermöglichen.
Flüchtlingsunterbringung: In einem Kommentar spricht sich Jan Hauser (FAZ) gegen den Vorschlag des Oberbürgermeisters von Salzgitter, Frank Klingebiel (CDU), nach dem Flüchtlinge auch in zu zu beschlagnahmenden leerstehenden Wohnhäusern gegen "Kostenerstattung" untergebracht werden könnten, aus. Auch eine befristete Enteignung wiege schwer. Das durch die Maßnahme zu erwartende "böse Blut" gefährde die Bemühungen um ein friedliches Zusammenleben.
Streikbrecher: Nach Recherchen des Handelsblatts (Massimo Bognanni) praktizieren zwei "namhafte" Zeitarbeitsfirmen "Streikbruch als Geschäftsmodell", obwohl der Interessenverband der Branche dies in seinem Tarifvertrag ausdrücklich untersagt. Das Bundesarbeitsministerium arbeite derzeit an der Umsetzung eines Beschlusses aus dem Koalitionsvertrag und wolle noch in diesem Jahr einen Entwurf vorlegen, der Streikbruch durch besondere vertragliche Gestaltungen der Leiharbeitsfirmen unmöglich machen soll.
Justiz
LAG Düsseldorf zu Auswechslung von Kündigungsgründen: Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf urteilte im Juni zur erst im Prozess erfolgten Auswechslung von Kündigungsgründen durch den Arbeitgeber. Dies sei unzulässig, gibt beck.blog.de (Christian Rolfs) die Entscheidung wieder, soweit die neue Kündigung auf einen neuen Lebenssachverhalt gestützt und zuvor nicht bekannte Kündigungsgründe nur mehr nachgeschoben werden.
LG München I zu Abschlepp-Erpressung: Udo Vetter (lawblog.de) hofft, dass in der Angelegenheit des vom Landgericht München I vom Vorwurf der Erpressung freigesprochenen Abschleppunternehmers eine Klärung durch den Bundesgerichtshof erfolgt. Bereits die zivilrechtlichen Probleme zu Zurückbehaltungsrecht, Schaden und Höhe der als Aufwendungen behandelten Abschleppkosten seien "sehr komplex", der Tatbestand der Erpressung nach § 253 Strafgesetzbuch daneben "auch nicht unkompliziert".
LG Frankfurt/M. - CO2-Zertifikate/Deutsche Bank: Auch die FAZ (Joachim Jahn/Markus Frühauf) berichtet nun zu der beim Landgericht Frankfurt/M. erhobenen Anklage gegen Manager der Deutschen Bank wegen Steuerhinterziehung im Zusammenhang betrügerischen Handels mit Emmissionszertifikaten.
ArbG Berlin – Mall of Berlin: Vor dem Arbeitsgericht Berlin endete ein weiteres Verfahren zu ausgebliebener Entlohnung von Bauarbeitern, die am Einkaufszentrum Mall of Berlin mitarbeiteten, mit einem Erfolg. Das beklagte Subunternehmen muss dem rumänischen Kläger 6.700 Euro Lohn nachzahlen, schreibt die taz-Berlin (Plutonia Plarre).
StA Stuttgart – Ferdinand Piëch: Nach zweieinhalb Jahren Ermittlungstätigkeit hat die Staatsanwaltschaft Stuttgart das u.a. gegen Ferdinand Piëch geführte Verfahren wegen des Verdachts von Marktmanipulationen bei der Übernahme von Porsche eingestellt. Der Bericht der SZ (Max Hägler) macht darauf aufmerksam, dass Piech nun in dem ab Oktober laufenden Strafverfahren gegen den damaligen Porsche-Chef Wendelin Wiedeking eine Aussage wohl nicht mehr verweigern können wird.
BAW – Terrorismus: Nachdem in der vergangenen Woche zum ersten Mal ein Propagandavideo des IS in deutscher Sprache aufgetaucht ist, haben Sicherheitsbehörden nun einen der Gefilmten identifiziert. Wie die Welt (Florian Flades) schreibt, handele es sich bei dem Mann, der im Video syrische Regierungssoldaten erschießt, um einen 28-jährigen Deutschen aus Königswinter. Die Bundesanwaltschaft habe ein Ermittlungsverfahren wegen Mordes und Kriegsverbrechen eingeleitet.
"Netzpolitik.org"-Ermittlungen: Wer wusste wann von den mittlerweile eingestellten Ermittlungen gegen die Netzpolitik-Journalisten? Das Bundeskanzleramt wurde bei Gremiensitzungen am 21. und 22. April von Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen über dessen Anzeigenerstattung informiert, berichtet der Tagesspiegel (Jost Müller-Neuhof).
Dass das Innenministerium von der Anzeige wusste, nicht jedoch über "Details" orientiert war, mag Christian Bommarius (Berliner Zeitung) nicht glauben. Entweder trüge Minister Thomas de Maiziére (CDU) "die Verantwortung für das aufreizende Desinteresse, mit dem sein Haus die Arbeit untergeordneter Behörden begleitet". Oder aber ist die erteilte Auskunft falsch und "der Minister als Attentäter" eines geplanten Anschlags auf die Pressefreiheit überführt.
Recht in der Welt
Frankreich – Schweinefleisch: Ein Verwaltungsgericht in Dijon hat entschieden, dass die vom Bürgermeister der Stadt Chalon-sur-Saone verfügte Abschaffung sogenannter Ersatzessen für muslimische Schüler rechtens ist. Diese Ersatzessen wurden bislang angeboten, wenn der Kantinenhauptgang Schweinefleisch enthielt, meldet die SZ (Cathrin Kahlweit). Der Bürgermeister habe seine Entscheidung mit dem aus dem Laizismus folgenden Verbot einer besonderer Behandlung aufgrund des Glaubens begründet.
Kroatien – Schiedsgericht: Auch die FAZ (Karl-Peter Schwarz) beschäftigt sich nun mit der Entscheidung des kroatischen Parlaments, sich im Grenzkonflikt mit Slowenien aus dem gemeinsamen Schiedsgericht zurück zu ziehen. Der ausführliche Beitrag stellt die Hintergründe des Konflikts und der jetzigen Entscheidung dar. Das Schiedsgericht hat sein Aufnahmeverfahren im Juni 2014 abgeschlossen, sein Spruch war noch für dieses Jahr erwartet worden.
Russland – Deutsche Bank: Nach Bericht des Handelsblatts (Laura de la Motte) könnte ein neuer Skandal den von der Deutschen Bank propagierten Kulturwandel in Frage stellen. Aufsichtsbehörden in mehreren westlichen Ländern würden sich gegenwärtig mit Vorwürfen befassen, das Geldhaus habe russischen Kunden bei Geldwäsche und Kapitalflucht geholfen und dabei möglicherweise sogar gegen US-Sanktionen verstoßen. Die Vorwürfe hätten zum vorzeitigen Abschied von Ex-Vorstandschef Anshu Jain beigetragen.
USA – Todesstrafe: Nach Meldung von zeit.de hat das Oberste Gericht des US-Bundesstaates Connecticut die Todesstrafe als verfassungswidrig abgeschafft. Elf im Staat zuvor zum Tode Verurteilte bleiben damit von einer Hinrichtung verschont.
Sonstiges
NSU-U-Ausschuss: Die taz (Konrad Litschko) berichtet, dass sich alle Fraktionen des Bundestags auf die Einrichtung eines zweiten NSU-Untersuchungsausschusses verständigt haben. Er solle weiterhin offene Fragen zu den Morden in Heilbronn und Kassel sowie dem Helfernetzwerk des NSU klären.
Geheimprozesse: In seinem Recht subversiv-Blog erinnert Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck (zeit.de) an den Zweck des Prinzips der öffentlichen Hauptverhandlung. Durch sie käme die Öffentlichkeit als Korrektiv zum Einsatz, weswegen sich Kritiker in Ländern wie Russland oder Indien auch massiven Angriffen ausgesetzt sähen. Es sei fatal, dass auch in "westlichen, angeblich liberalen" Ländern "mit Verweis auf Terrorismus und Staatssicherheit" Geheimprozesse Einzug hielten und somit "den Putins und Erdogans eine Steilvorlage" geliefert würde.
Preisdiskriminierung: Die EU-Kommission untersucht derzeit die Praxis zahlreicher Unternehmer, ihre Preise am Herkunftsland von Kunden zu orientieren. Rechtsprofessor Patrick Ostendorf legt auf lto.de dar, dass dieses Vorgehen, bekannt geworden etwa beim Disneyland Paris-Park, durchaus im Einklang mit geltendem Recht stehen könnte. Denn verpflichten die europäischen Grundfreiheiten bzw. das Diskriminierungsverbot Mitgliedsstaaten, nicht jedoch private Unternehmen. Ob diese dagegen aus der Dienstleistungs-Richtlinie verpflichtet sein könnten, müsse wohl erst noch durch den Europäischen Gerichtshof geklärt werden.
Abmahnung: focus.de erklärt Voraussetzungen einer arbeitsrechtlichen Abmahnung und Wege, sich gegen eine solche zu wehren.
Das Letzte zum Schluss
Ehrlichkeit: Was lange währt, geht irgendwann doch mal schief. Bei einer Verkehrskontrolle erwischten Münchner Polizisten einen 68-Jährigen ohne Führerschein. Freimütig räumte der Ertappte ein, nie den Lappen besessen zu haben. Nachdem er mit 18 durch die erste Prüfung gefallen war, sah er von einem weiteren Versuch ab, fuhr aber trotzdem weiter fleißig Auto. lawblog.de (Udo Vetter) verbindet die Geschichte mit einem deutlichen Hinweis auf das Schweigerecht.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 14. August 2015: Unwürdiger Referendar – Kostspieliger Fußball – Legale Prostitution . In: Legal Tribune Online, 14.08.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16605/ (abgerufen am: 20.05.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag