Das LG Frankfurt urteilt im Strafverfahren zum Umsatzsteuerbetrug durch CO2-Zertifikate. Außerdem in der Presseschau: Gina-Lisa Lohfink und die Reform des Sexualstrafrechts, schwacher Trost für Schickedanz und Anschaulichkeit beim Bund.
Thema des Tages
LG Frankfurt zu Umsatzsteuerbetrug: Im Verfahren gegen sieben frühere Mitarbeiter der Deutschen Bank wegen Steuerhinterziehung beim Handel von CO2-Zertifikaten hat das Landgericht Frankfurt/M. sein Urteil verkündet. Neben einer Verwarnung und fünf Bewährungsstrafen wurde ein früherer Abteilungsleiter zu drei Jahren Freiheitsentzug verurteilt, schreibt die FAZ (Markus Frühauf). Dieser hatte als einziger der Angeklagten kein Geständnis abgelegt. Strafmildernd für alle Angeklagten sei bewertet worden, dass die fraglichen Erstattungen nie gezahlter Umsatzsteuern in den Jahren 2009 und 2010 durch organisatorische Mängel des Geldhauses begünstigt worden seien. Über die Entscheidung berichten auch SZ (Meike Schreiber) und Hbl (Yasmin Osman).
Nach dem Kommentar von Michael Maisch (Hbl) ließe "sich an genau solchen Deals" wie dem nun verhandelten Umsatzsteuerkarussell "die Kultur eines Geldhauses ablesen". Auch wenn die Deutsche Bank nicht auf der Anklagebank gesessen habe, füge sich der Fall in "die schier endlose Liste der Skandale" ein, die Ruf und damit auch Kapital der Bank nachhaltig beschädigt hätten.
Rechtspolitik
Sexualstrafrecht: Die FAZ (Mona Jaeger) zeichnet die jüngsten Entwicklungen bei der in der Regierungskoalition umstrittenen Frage der Reichweite einer Reform des Sexualstrafrechts nach. Die von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) nun an den Koalitionspartner gerichtete Aufforderung, nicht länger eine Verschärfung zu blockieren, solle dabei auch auf den öffentlichkeitswirksamen Fall des Models Gina-Lisa Lohfink zurückzuführen sein. Den Zusammenhang zwischen der Debatte und dem mittlerweile beim Berliner Amtsgericht Tiergarten anhängigen Verfahren - dort setzt sich Lohfink gegen einen Strafbefehl wegen falscher Verdächtigung zur Wehr - untersucht auch die Welt (Sabine Menkens/Antje Hildebrandt) in einer Reportage. zeit.de (Parvin Sadigh) befragt Dagmar Freudenberg, Vorsitzende der Kommission Strafrecht des Deutschen Juristinnenbundes, zum Themenkomplex.
Sichere Herkunftsstaaten: Zu den Unsicherheiten bei der am kommenden Freitag anstehenden Bundesratsabstimmung über die Einstufung von Algerien, Marokko und Tunesien berichtet nun auch die SZ (Bernd Dörries u.a.). Unter besonderem Druck seiner Partei, aber auch seines Koalitionspartners CDU stehe der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), der eine Entscheidung am heutigen Dienstag verkünden wolle. Nach der Einschätzung von Heribert Prantl (SZ) habe der stellvertretende Ministerpräsident Thomas Strobl (CDU), sein Ziel, Kretschmann als "unsicheren Kantonisten" erscheinen zu lassen, erreicht. Denn in der Vergangenheit habe Kretschmann den "Etikettenschwindel" der sicheren Herkunftsstaaten unter Verweis auf eine angeblich funktionierende Einzelfallprüfung verteidigt. Dirk Schümer (Welt) dagegen verteidigt im Leitartikel "die saubere Scheidung der Herkunftsländer" als einen "rein pragmatischen Akt", der sich an den Zahlen nicht anerkannter Asylantragsteller orientiere. Was einzelne Menschen in ihren Heimatländern erwarte, "lässt sich auf der Ebene der deutschen Verwaltungsgerichtsbarkeit sowieso nicht entscheiden".
Kontrollgremium: Auch die SZ (Ronen Steinke) berichtet nun zu der in der Regierungskoalition erzielten Einigung über ein neues Gesetz zum Parlamentarischen Kontrollgremium für die Geheimdienste. Nach dem separaten Kommentar von Ronen Steinke (SZ) bleibt der Entwurf beim Niveau tatsächlicher Kontrolle "meilenweit" von jenem etwa "in den viel gescholtenen USA" erreichten zurück. Dort übten Parlamentarier ein Budgetrecht über Geheimdienste aus, hierzulande müsse man weiterhin hoffen, "dass die Kontrolleure hin und wieder das Glück haben, die richtigen Fragen zu stellen.
Bargeldbeschränkung: Auf einer Tagung hat Hans-Jürgen Papier, ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts, seine Bedenken gegen eine Obergrenze für Bargeldzahlungen bekräftigt. Die hierdurch bewirkten "nicht unwesentlichen Beschränkungen mehrerer Grundrechte" bedürfe legitimer Gründe des Gemeinwohls und nicht nur "vorschneller und vager Annahmen", so Papier laut SZ (Markus Zydra, erweiterte Online-Version).
Staatsziel Nachhaltigkeit: Der Rat für Nachhaltige Entwicklung hat ein Gutachten des Verfassungsrechtlers Joachim Wieland vorgelegt, in dem die grundgesetzliche Verankerung von Nachhaltigkeit als Staatsziel befürwortet wird. Hierdurch würde sichergestellt, dass jede einschlägige staatliche Maßnahme daraufhin geprüft werde, "ob dadurch die Möglichkeiten künftiger Generationen unzulässig eingeschränkt würden", so das Hbl (Heike Anger). Auch der ehemalige Verfassungsgerichtspräsident Hans-Jürgen Papier habe sich in einer Anhörung vor dem Rat für eine derartige "Klarstellung" ausgesprochen.
Justiz
BGH zu OB: rechtslupe.de meldet ein Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Mai, nach dem der Freispruch des Oberbürgermeisters von Halle/Saale durch das Landgericht Halle aufzuheben ist. Der Vorwurf der Untreue durch tarifvertragswidrige Arbeitsverträge für Mitarbeiter des Bürgermeisters müsse wegen durchgreifender Rechtsfehler bei der Auslegung einschlägiger Tatbestandsvoraussetzungen durch ein anderes Landgericht erneut verhandelt werden.
LG Köln – Schickedanz/Sal. Oppenheim: Die knapp zwei Milliarden Euro schwere Schadensersatzforderung der Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz gegen ihre frühere Hausbank Sal. Oppenheim und weitere Beklagte, unter anderem Vermögensverwalter Josef Esch, wird wohl erfolglos bleiben. Nach Einschätzung des Landgerichts Köln habe die Klägerin ihre Forderung nach Erstattung verloren gegangener Gelder im Zuge riskanter Karstadt-Geschäfte nicht hinreichend bewiesen, so die FAZ (Christian Siedenbiedel) im Unternehmens-Teil. Dies gelte nicht für den Klageteil, der Forderungen von 60 Millionen Euro wegen falscher Anlagenberatungen betreffe. Den Parteien sei eine Vergleichsfrist bis zum 1. August gesetzt worden, anderenfalls werde ein Urteil Ende September verkündet. bild.de (Petra Braun) und Hbl (Volker Votsmeier) berichten ebenfalls.
LG Potsdam – Elias/Mohamed: Vor Beginn des Verfahrens gegen Silvio S., dem ab dem heutigen Dienstag am Landgericht Potsdam Mord und sexueller Missbrauch der Kinder Elias und Mohamed vorgeworfen wird, hat der Angeklagte den Ausschluss der Öffentlichkeit beantragt. Dies schreibt bild.de (Anne Losensky). spiegel.de (Ansgar Siemens/Benjamin Schulz) fasst die bisherigen Erkenntnisse zum Fall zusammen.
ArbG Kassel – VW-Manager: Vor dem Arbeitsgericht Kassel versucht der wegen der Abgas-Affäre beurlaubte vormalige VW-Werksleiter Falko Rudolph seine Wiedereinstellung zu erstreiten. Ein für den morgigen Mittwoch geplanter Verhandlungstermin wurde jedoch abgesagt, nachdem der beklagte Autobauer die örtliche Zuständigkeit des Gerichts bestritt, schreibt die SZ (Klaus Ott). VW gehe davon aus, dass eine Klage nur am Konzernsitz und damit am Arbeitsgericht Braunschweig zulässig sei.
VG Weimar – Pressefreiheit/NPD: Vor dem Verwaltungsgericht Weimar streiten mehrere Journalisten, unter ihnen Andrea Röpke, mit dem Freistaat Thüringen über die Rechtmäßigkeit polizeilicher Platzverweise. Die Kläger wollten Ende Mai von einem von NPD-Kadern veranstalteten "Eichsfeldtag" berichten und wurden der Örtlichkeit verwiesen, schreibt die taz (Konrad Litschko).
AGH Berlin zu beA: lto.de (Pia Lorenz) berichtet zu Reaktionen auf die Eilentscheidung des Anwaltsgerichtshofs Berlin zur Einrichtung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs beA aus der vergangenen Woche. Der AGH hatte der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) untersagt, das Postfach ohne Zustimmung der antragstellenden Anwälte empfangsbereit einzurichten. Als Konsequenz habe die BRAK nun erklärt, den auf den 29. September festgelegten Starttermin aus technischen Gründen nicht halten zu können. Es sei zudem auch zweifelhaft, ob das mittlerweile eingeleitete Hauptsacheverfahren bis Ende September rechtskräftig abgeschlossen sein würde. Der Deutsche Anwaltverein dagegen erwarte die Schaffung "technischer und normativer Voraussetzungen" zum geplanten Starttermin.
StA Hamburg – Gregor Gysi: Die mehrjährigen, gegen den Bundestagsabgeordneten Gregor Gysi (Linke) gerichteten Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Hamburg wegen falscher Versicherung an Eides statt sind nun eingestellt worden. Gysis Versicherung, er habe "niemals wissentlich oder willentlich über Mandanten oder andere" an die Staatssicherheit berichtet, seien nicht zu widerlegen, gibt die FAZ (Mechthild Küpper) die Anklagebehörde wieder.
Recht in der Welt
EuGH – Sanktionen: Dass beim Europäischen Gerichtshof anhängige Rosneft-Verfahren ist Thema einer ausführlichen englischsprachigen Analyse der Doktoranden Stian Oby Johansen und Alexander Arnesen auf verfassungsblog.de. In seinem kürzlich ergangenen Schlussantrag warf Generalanwalt Melchior Wathelet wichtige Fragen zur umstrittenen Justiziabilität von Sanktionsanordnungen des Rats der Europäischen Union aufgrund der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU auf.
Österreich – Bundespräsidentenwahl: Nach einem Bericht der SZ (Cathrin Kahlweit) ist die für den 8. Juli geplante Vereidigung des neuen österreichischen Bundespräsidenten Alexander van der Bellen wegen der von der FPÖ angestrengten Wahlanfechtungsklage gefährdet. Beim Verfassungsgerichtshof des Landes besitze die Klage höchste Priorität, bis Anfang Juli seien alle mündlichen Verhandlungen abgesagt worden.
USA - Orlando: Die Welt (Torsten Krauel) behauptet, dass eine vorbeugende Überwachung des Attentäters von Orlando durch die US-amerikanische Bundespolizei FBI an rechtlichen Vorgaben gescheitert wäre. Das FBI arbeite "nicht als Gesinnungspolizei" und sei im Übrigen auch mit konkreteren Verdachtsfällen ausreichend beschäftigt. Die bei dem Massaker am Wochenende verwendete Waffe sei legal erworben worden, einem diesbezüglichen Verbot stehe der Zweite Verfassungszusatz von 1791 im Wege.
Sonstiges
Klaus Lüderssen: Auch die SZ (Heribert Prantl) würdigt Rechtsprofessor Klaus Lüderssen nun in einem Nachruf. Der am 4. Juni Verstorbene sei "ein Universalgelehrter des Rechts" und Brückenbauer zwischen Strafrecht und Soziologie gewesen.
Herero-Resolution: Offenbar bestehende Überlegungen des Bundestags, der Armenien-Resolution nun auch eine zum Völkermord an den Herero folgen zu lassen, kommentiert Reinhard Müller (FAZ) zurückhaltend. Zunächst solle geklärt werden, ob es bei einer solchen Erklärung um Entschädigungsansprüche oder doch nicht "nur um das eigene moralische Hochgefühl" gehe.
Das Letzte zum Schluss
Früh übt sich: Seit Abschaffung der Wehrpflicht muss sich die Bundeswehr Neues einfallen lassen, um Nachwuchs zu rekrutieren. Einen originellen Einfall hierfür hatten nach dem Bericht von spiegel.de (Matthias Gebauer) die Veranstalter eines Tages der offenen Tür im baden-württembergischen Stetten am vergangenen Woche. Entgegen bestehenden Vorschriften für den Umgang mit Besuchern ließen die Soldaten Kinder mit einem – ungeladenen – Schnellfeuergewehr hantieren. Nun folgen interne Ermittlungen.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 14. Juni 2016: Urteil zu CO2-Zertifikaten / Gina-Lisas Nein / Schickedanz ohne Milliarden . In: Legal Tribune Online, 14.06.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19603/ (abgerufen am: 05.05.2024 )
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