Amnesty International will sich künftig für die weltweite Entkriminalisierung der Prostitution einsetzen. Außerdem in der Presseschau: Zschäpes neuer Anwalt im Portrait, ein BAG-Urteil zu Zirkusartisten und Pseudo-Erinnerungen als Justizproblem.
Thema des Tages
Prostitution und Menschenrechte: Amnesty International will sich künftig auch für die Menschenrechte von Prostituierten einsetzen, beschloss eine Delegiertenversammlung in Dublin. Sexarbeit soll weltweit legalisiert werden. Dazu gehöre auch die Straffreiheit für Bordellbetreiber - vor allem letzteres stieß international auf Kritik, berichten die SZ (Constanze von Bullion) und die taz (Ralf Leonhard).
Constanze von Bullion (SZ) unterstützt die ai-Forderung: "Prostitution ist ein brutales Geschäft, aber durch Verbot verschwindet es nicht. Da hilft nur eines: rausholen, ans Licht. Nur so kann der Staat freiwillige Prostitution von Menschenhandel trennen." Ähnlich argumentiert Martin Reichert (taz): "Mit einem Verbot schafft man erst recht jene kriminellen Strukturen, die man gerne verhindern möchte."
Rechtspolitik
Suizidhilfe: Der Verein Sterbehilfe Deutschland rechnet damit, dass der Bundestag im November ein Verbot jeder organisierten, geschäftsmäßigen Suizidhilfe verabschieden wird. Auf einer Mitgliederversammlung will er deshalb am 30. August seine Satzung ändern und die Suizidhilfe solange aussetzen wie das Verbotsgesetz in Kraft sein werde, berichtet die FAZ (Heike Schmoll). Gleichzeitig soll eine Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz eingelegt werden.
Landesverrat: Christian Rath (taz) schlägt in einem Debattenbeitrag vor, den "Landesverrat" im Strafgesetzbuch neu zu konzipieren: "Alles was zu einer Diskussion über gesellschaftliche Verhältnisse und Vorhaben beiträgt, kann per se kein Staatsgeheimnis sein – auch wenn irgendjemand die Information gegen die Bundesrepublik verwenden könnte."
Demonstrationsrecht: Patrick Bahners (FAZ) befasst sich im Feuilleton, mit dem Vorschlag, gesetzlich Demonstrationsverbote in der Nähe von Flüchtlingsheimen zu ermöglichen. Er kritisiert den Vergleich mit einer Regelung für Gedenkstätten für NS-Opfer. Dadurch erhielten Asylsuchende "den Status von Holocaustüberlebenden ehrenhalber", der nach Ablehnung ihres Asylantrags die Abschiebung "politisch unmöglich" machen solle.
Justiz
OLG München - NSU / RA Grasel: Karin Truscheit (FAZ) hat Mathias Grasel, den neuen Anwalt von Beate Zschäpe, getroffen und portraitiert ihn. Er verstehe sich als Bindeglied zwischen Zschäpe und den übrigen Verteidigern. Dass er die Akten und den bisherigen Prozessverlauf nicht gut kenne, sei kein Problem. Wenn er etwas wissen wolle, frage er Zschäpe.
VGH Mannheim - BGH-Konkurrentenklage: Im Eilverfahren hat der Verwaltungsgerichtshof Mannheim die Ernennung eines BGH-Richters zum Vorsitzenden des 5. BGH-Strafsenats gestoppt, so lto.de. Die der geplanten Ernennung zugrundeliegenden Beurteilungen von BGH-Präsidentin Bettina Limperg seien fehlerhaft, unter anderem weil sie als Zivilrichterin nicht allein in der Lage sei, die Arbeit von Strafrichtern zu beurteilen.
BAG - Zirkusartisten: Ein Zirkusbetreiber musste eine Artistentruppe nicht krankenversichern, da diese keine Arbeitnehmer waren. Sie hatten nur einen Vertrag über freie Mitarbeit unterzeichnet und unterlagen keinem Weisungsrecht. Das hat laut lto.de das Bundesarbeitsgericht entschieden.
LG München I zu Abschlepp-Erpressung: Das Landgericht München I hat einen Abschleppunternehmer vom Vorwurf der Erpressung freigesprochen. Das Unternehmen lässt sich beauftragen, unrechtmäßig parkende Fahrzeuge von privaten Parkplätzen abzuschleppen. Die Fahrzeuge werden dann gegen Zahlung von bis zu 300 Euro herausgegeben. Das sei in München kein Wucherpreis, entschied das Gericht, so die SZ (Christian Rost). Dass auch rechtmäßig geparkte Fahrzeuge abgeschleppt wurden, konnte nicht bewiesen werden.
LVerfG Greifswald - NPD-Inspektion bei Flüchtlingen: Die NPD-Fraktion im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern hat das dortige Landesverfassungsgericht angerufen. Die Fraktion wollte ein Flüchtlingsheim "inspizieren", was Innenminister Lorenz Caffier (CDU) jedoch verbot. Die NPDler sehen sich laut Bild nun in ihren Kontrollrechten als Abgeordnete verletzt.
LG Regensburg - NPD-Rocker: An diesem Donnerstag beginnt laut Welt (Christian Eckl) am Landgericht Regensburg der Prozess gegen fünf Mitglieder des Rockerclubs Bandidos wegen Landfriedensbruch in besonders schwerem Fall. Sie sollen schon 2010 Mitglieder des verfeindeten Clubs Gremium MC überfallen haben. Einer der Angeklagten ist Sascha Roßmüller, Vizechef der NPD in Bayern.
LG Frankfurt/M. - CO2-Zertifikate/Deutsche Bank: Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt hat am Landgericht Frankfurt acht Manager aus dem Mittelbau der Deutschen Bank wegen Umsatzsteuerhinterziehung in besonders schweren Fällen angeklagt. Das berichtet die SZ (Klaus Ott). Die Manager sollen 2009 und 2010 dubiosen Firmen dabei geholfen haben, den Fiskus beim Handel mit CO2-Verschmutzungszertifikaten um mehrere Hundert Millionen Euro zu betrügen.
Resignierender Anwalt: lto.de (Pia Lorenz/Marcel Schneider) sprach mit dem Anwalt Heinrich Schmitz, der seine politischen Kolumnen aufgab, nachdem er von Rechtsradikalen bedroht wurde. Er will nun nur noch über Rechtsfragen schreiben und glaubt, das trennen zu können.
Recht in der Welt
Frankreich - Endlager: Der französische Verfassungsrat hat die im April beschlossene Rechtsgrundlage für ein französisches Atommüll-Endlager beanstandet. Diese war im Senat in einer Nachtsitzung in ein Gesetz zur Wirtschaftsliberalisierung eingefügt worden. Dort habe sie jedoch nichts zu suchen, so der Verfassungsrat. Die FAZ (Christian Schubert) berichtet über das Urteil und die Hintergründe.
Russland - inhaftierte Doppelgänger: Eine zu fünf Jahren Straflager verurteilte Ministerialbeamtin soll während der Haftzeit in Moskau gesehen worden sein. Laut Welt (Oliver Bilger) löste der Fall Diskussionen aus, ob man in Russland die Haft durch Stellvertreter absitzen lassen kann.
Sonstiges
Pseudo-Erinnerungen: Die Zeit (Stefanie Kara) schildert ausführlich das Problem, dass Zeugen vor Gericht nicht lügen, sondern sich falsch erinnern. Gutachter könnten falsche und echte Erinnerungen nicht unterscheiden.
Stadionverbote und Vorstrafen: Kriminologieprofessor Thomas Feltes berichtet im Interview mit der taz (Christian Rath) über seine Forschungen zu Stadionverboten von Fußball-Fans. Rund 70 Prozent der betroffenen Fans seien auch vorbestraft, die meisten seien nicht dauerhaft kriminell.
Betreuungsgeld: Der Landkreistag tritt laut FAZ (dc) der Auffassung der Bundesregierung entgegen, dass bereits bewilligtes Betreuungsgeld auch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts automatisch bis zum Ende der bewilligten Laufzeit weiterbezahlt werde. Sozialrechtlich richtig sei, dass die Bewilligungsbescheide grundsätzlich zurückgenommen werden müssten und nur im Einzelfall Vertrauensschutz gewährt werden könne.
Markenrecht: Die Welt (Philipp Vetter/Stephan Dörner) untersucht, ob Google eine Muttergesellschaft mit dem Namen "Alphabet" gründen kann, obwohl es schon ein BMW-Tochterunternehmen gleichen Namens gibt. Erklärt wird, dass man Begriffe nie allumfassend schützen kann, sondern immer nur für bestimmte Waren und Dienstleistungen. Bisher seien keine Überschneidungen zu erkennen.
Das Letzte zum Schluss
Frühhochdeutsches Urteil: justillon.de (Andreas Stephan) dokumentiert ein Urteil des Amtsgerichts Schöneberg aus dem Jahr 1990. Zwei Mieterinnen hatten sich gestritten, weil der Hund der einen Frau in den Garten der anderen Frau exkrementiert hatte. Das Urteil ist fast vollständig in altertümlicher Sprache gehalten, überwiegend sogar gereimt.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 13. August 2015: Prostitution und Menschenrechte –Zirkusartisten im Arbeitsrecht – Falsche Erin&s . In: Legal Tribune Online, 13.08.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16593/ (abgerufen am: 18.05.2024 )
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