Das BVerfG verweigert der NPD einen weiteren Aufschub der Verrechnung von Strafzahlungen – und dreht damit faktisch den Geldhahn zu. Außerdem in der Presseschau: Plebiszite im Bund, BVerfG zu DNA-Speicherung, Revolutionäre-Zellen-Prozess, Gynäkologe verurteilt, Raubkunst und Verjährung – und eine Gerichtsverhandlung zwischen Maschinengewehren und Handgranaten.
Thema des Tages
BVerfG zu NPD-Finanzierung: Die NPD bekommt bis auf weiteres keine Mittel aus der Parteienfinanzierung. Das Bundesverfassungsgericht hat laut taz (Christian Rath) einen Eilantrag der Partei abgewiesen, die Bundestagsverwaltung zur Auszahlung der Mittel zu verpflichten. Diese habe die Zahlungen mit ausstehenden Strafzahlungen wegen fehlerhafter früherer Rechenschaftsberichte verrechnen wollen. Habe das Gericht einem entsprechenden Antrag vor der Bundestagswahl noch stattgegeben, habe es den mit den anstehenden Europawahlen begründeten erneuten Antrag nun zurückgewiesen, weil es die Partei versäumt hätte, auf eine Stundung der Rückzahlung zu klagen.
Rechtspolitik
Plebiszite im Bund: Union und SPD wollen Volksentscheide auf Bundesebene einführen. Die Vorsitzenden der zuständigen Koalitionsarbeitsgruppe "Inneres", CSU-Innenminister Hans-Peter Friedrich und SPD-Verhandlungsführer Thomas Oppermann, hätten sich auf einen Vorschlag geeinigt, nach dem bei "europapolitischen Entscheidungen von besonderer Tragweite" ein Plebiszit durchgeführt werden solle, berichtet die SZ (Robert Roßmann).
Gleichberechtigung: Die rheinland-pfälzische Landesregierung will trotz der verfassungsrechtlichen Kritik an ihren Plänen zu einer Reform des Kommunalwahlrechts festhalten, nach der auf den Stimmzetteln jeweils der Anteil der Frauen auf den vorderen Listenplätzen angegeben werden soll. Sie stütze sich dabei auf ein Gutachten des Frankfurter Rechtswissenschaftlers Ingwer Ebsen, so die FAZ (Thomas Holl).
Regulierungskritik: Im Handelsblatt kritisiert der Privatrechtler Klaus J. Hopt den Trend zu "paternalistischen Detailregeln" als Reaktion auf die Finanzkrise und fordert nur dort regulierend einzugreifen, wo Marktversagen vorliege.
Justiz
BVerfG zu DNA-Speicherung: Der Verfassungsblog (Maximilian Steinbeis) stellt die jüngste aus einer "Reihe von Kammerentscheidungen" des Bundesverfassungsgerichts zur Unzulässigkeit der DNA-Speicherung vor. Im konkreten Fall seien die Erbinformationen eines Hehlerei-Ersttäters trotz günstiger Sozialprognose im Bewährungsurteil gespeichert worden – zu Unrecht, wie die Karlsruher Richter befanden. Der Artikel mutmaßt, dass dahinter ein "strukturelles Problem" stecken könnte und die Strafjustiz im Zweifel für die Speicherung der Daten entscheide.
OLG Koblenz – Spionage-Prozess: Der Spionage-Prozess vor dem Oberlandesgericht Koblenz gegen einen Nato-Mitarbeiter, der Daten des Verteidigungsbündnisses entwendet haben soll, neigt sich dem Ende zu. spiegel.de (Jörg Diehl) berichtet über den Prozessverlauf und die Freispruch beantragenden Schlussplädoyers der Verteidigung am gestrigen Montag, in denen der Angeklagte als eigenwilliger Sonderling dargestellt worden sei.
LG Frankfurt – Revolutionäre Zellen: Im wohl letzten "Revolutionäre-Zellen"-Prozess vor dem Landgericht Frankfurt gegen die Angeklagte Sonja Suder wird am heutigen Dienstag das Urteil erwartet. Der inzwischen 80-jährigen Angeklagten wird die Beteiligung an Sprengstoff- und Brandanschlägen Ende der 70er Jahre vorgeworfen. Nach Einschätzung der taz (Pascal Beucker) "wackelt" auch das Fundament der verbliebenen Beschuldigungen, nachdem die Staatsanwaltschaft einen Mordbeihilfe-Vorwurf schon habe fallen lassen müssen. Die Staatsanwaltschaft stütze sich auf die später widerrufene Aussage eines Ex-RZ-Mitglieds, die nach einer Not-Operation unter Drogeneinfluss zustande gekommen sei.
LG Frankenthal zu Intimfotos: Das Landgericht Frauenthal hat einen Gynäkologen wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs in mehr als 1.400 und sexuellen Missbrauchs in drei Fällen zu dreieinhalb Jahren Haft und zusätzlichen vier Jahren Berufsverbot verurteilt. Der Arzt hatte heimlich Intimfotos von mehr als 1.000 Patientinnen gemacht. Die Welt (Hannelore Crolly) und die FR berichten.
LG Düsseldorf – Doping im Radsport: Ex-Radprofi Jan Ullrich ist vor dem Landgericht Düsseldorf auf die Rückzahlung von Sponsorengeldern verklagt worden. Nach einem Bericht im Sport-Teil der SZ droht ihm weiteres Ungemach: Sollte er den Prozess verlieren, der auf der Behauptung aufbaut, er habe in einer früheren Gerichtsverhandlung unter Eid die Unwahrheit gesagt, sehe er einem Strafverfahren wegen Meineids entgegen.
LG Hannover – Wulff-Prozess: Am kommenden Donnerstag wird vor dem Landgericht Hannover gegen Ex-Bundespräsident Christian Wulff wegen Vorteilsnahme verhandelt. Die Welt (Ulrich Exner) spricht in ihrem Vorbericht von der "regelrechten Angst" des Angeklagten, vor den Richter zu treten.
OLG München – NSU-Prozess: Geht es nach der Welt (Hannelore Crolly), dann beginnt eine "neue Phase" im NSU-Prozess. Denn von nun an sagten Bekannte und Verwandte der Hauptangeklagten Beate Zschäpe über ihre Rolle im NSU-Trio aus.
StA Koblenz – Debeka-Ermittlungen: Im Zusammenhang mit dem massiven Datenhandel bei der privaten Krankenkasse Debeka hat inzwischen die Staatsanwaltschaft Koblenz Ermittlungen sowohl gegen Unternehmensmitarbeiter als auch Personalverwalter von Behörden eingeleitet. Es gehe um Bestechung, Bestechlichkeit sowie die Verletzung von Dienstgeheimnissen, berichtet spiegel.de.
Fall Ouri Jalloh: Ein neues Gutachten bringt womöglich wieder Bewegung in die Aufklärung des Todes des 2005 auf einer Dessauer Polizeiwache verbrannten Asylbewerbers Ouri Jalloh. Das von einer Unterstützergruppe finanzierte neue Brandgutachten schließe es aus, dass Jalloh sich selbst angezündet haben könnte, berichtet spiegel.de (Rainer Leurs).
Fall Hoeneß: Ulrich Hoeneß muss sich wegen Steuerhinterziehung vor Gericht verantworten. Die Entscheidung des FC Bayern-Aufsichtsrats, ihn vorerst in seinem Amt als Aufsichtsratsvorsitzender zu belassen, hat viel Kritik hervorgerufen. Das Handelsblatt (Catrin Gesellensetter) sammelt nun Stimmen, die sich für seinen Verbleib aussprechen. Selbst bei einer Verurteilung sei ein Rückzug aus dem Amt nicht zwingend; rechtlich gefordert sei allein die Geeignetheit für die Tätigkeit – und nicht Tugendhaftigkeit. Die Welt (Christoph Cöln) gibt einen Überblick über die Verstrickungen diverser Bayern-Funktionäre und Spieler mit der Strafjustiz.
Stefani Hergert (Handelsblatt) attestiert dem Fußball diesbezüglich eine "unrühmliche Sonderrolle" – in einem Konzern hätte sich Hoeneß als Manager nicht halten können.
Nachwehen einer Wiederaufnahme: Die SZ (Christopher Keil) berichtet über die Versuche des mittlerweile pensionierten Kemptner Richters Hansjörg Straßer, sein Fehlurteil gegenüber einem fälschlich wegen Kindesmissbrauchs zu sieben Jahren Haft verurteilten Vaters zu rechtfertigen. Der Verurteilte war vom Landgericht Memmingen Ende Oktober im Wiederaufnahmeverfahren freigesprochen worden; der Richter habe dieses Urteil bemängelt.
OLG Hamm – Facebook- Stalking: Auch auf Drohungen in sozialen Netzwerken wie Facebook hin kann man ein gerichtliches Kontaktaufnahme- und Annäherungsverbot auf Grundlage des Gewaltschutzgesetzes erwirken. Das hat laut lawblog.de (Udo Vetter) das Oberlandesgericht Hamm im Fall einer Frau entschieden, der eine Bekannte "virtuell nachgestellt" und sie und ihre Tochter massiv bedroht habe.
OLG München – Kirch-Prozess: Ein von der Münchner Staatsanwaltschaft bei der Deutschen Bank beschlagnahmtes Protokoll einer Aufsichtsratssitzung des Springer-Konzerns könnte der Schadensersatz-Klage der Kirch-Erben vor dem Oberlandesgericht München möglicherweise den Boden entziehen. Danach sei die Insolvenz des Medienunternehmens durch die Nutzung einer Kaufoption durch die Axel Springer AG ausgelöst worden, berichtet die FAZ (Joachim Jahn/Henning Peitsmeier).
LG Frankfurt – Suhrkamp-Prozess: Am Mittwoch wird vom Landgericht Frankfurt über den Ausschluss der Suhrkamp-Gesellschafter entschieden. Der Rechtswissenschaftler Lars Klöhn und der Schriftsteller und Ex-Anwalt Georg M. Oswald diskutieren den Fall im Feuilleton der FAZ als Anschauungsbeispiel für "legal realism", dem Verständnis von Recht als bloßer Begründungsrhetorik für dahinter liegende Interessen der Richter.
Anwaltsfortbildungen: lto.de (Benjamin Dürr/Johanna Strohm) beschäftigt sich im ersten Artikel der "Themenwoche Fachanwalt & Fortbildung" mit anwaltlichen Fortbildungen und der Diskussion um die Einführung von Pflichtfortbildungen auch jenseits der Fachanwaltschaft.
Recht in der Welt
Großbritannien – Zinsmanipulation: Die Deutsche Bank und Barclays haben vor dem Appellationsgericht in London eine Niederlage hinnehmen müssen. Beide hatten versucht, Vorwürfe im Zusammenhang mit der Manipulation des Referenzzinssatzes Libor aus jeweils eigenen Verfahren um Falschberatung bei Derivaten herauszuhalten. Das Gericht habe die Libor-Vorwürfe aber für relevant gehalten, berichtet spiegel.de (Max Colchester).
Russland – Urteil zu Flughafen-Anschläge: In Moskau sind vier Hintermänner des Anschlags auf den dortigen Flughafen Domodedowo verurteilt worden. Bei dem Anschlag im Januar 2011 waren 38 Menschen getötet und mindestens 170 verletzt worden. Drei Angeklagte seien zu lebenslänglicher, einer wegen seiner Minderjährigkeit zu einer zehnjährigen Haftstrafe verurteilt worden, meldet spiegel.de.
Sonstiges
Organisierte Kriminalität: Über sein Buch "Deutschland, Verbrecherland?" spricht lto.de (Markus Sehl) mit dem ehemaligen Kölner Staatsanwalt Egbert Bülles. Er fürchtet, die deutsche Justiz werde beim Kampf gegen die organisierte Kriminalität "gegen die Wand gefahren" und fordert bessere grenzüberschreitende Zusammenarbeit und die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung.
Raubkunst: Heribert Prantl (SZ) meint, das "Schlüsselwort für den Gurlitt-Schatz" heiße "Verjährung". Zum einen seien die Straftaten, die Gurlitt vorgeworfen würden, größtenteils verjährt – weswegen der Beschlagnahme der Bilder die Grundlage fehle. Zum anderen seien auch die Restitutionsansprüche der ursprünglichen Eigentümer eigentlich verjährt. Auf diese Verjährung dürfe sich Gurlitt aber nicht berufen – dies widerspräche Treu und Glauben, weil sein Vater ursprünglich durch die Behauptung, die Bilder seien verbrannt, verhindert habe, dass die Eigentümer ihre Ansprüche rechtzeitig geltend machten.
Richtig vererben: Die Rechtsanwälte Frank Hannes und Christian von Oertzen erläutern in einem Gastbeitrag für den "Finanzmarkt und Geldanlage"-Teil der FAZ wie sich durch die richtige Testamentsgestaltung Streit unter den Erben vermeiden lässt. So biete sich die Einbeziehung unabhängiger Dritter zur Klärung streitträchtiger Fragen wie zum Beispiel der Bewertung von Erbschaftsgegenständen oder der Erstellung eines Teilungsplans an.
Das Letzte zum Schluss
Strafprozess im Waffenlager: Das Landgericht Hannover hat am Montag zwischen Maschinengewehren, Handgranaten und einer Panzerfaust verhandelt. Der Prozess gegen einen mutmaßlichen Waffenhändler habe zur Sicherheit in den Räumen des Landeskriminalamts stattgefunden, meldet die SZ. Auch bild.de berichtet über "das Arsenal des Waffen-Zottels".
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/thd
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 12. November 2013: BVerfG kappt NPD-Geldhahn – Volksentscheide auf Bundesebene – Strafprozess zwischen Waffen . In: Legal Tribune Online, 12.11.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10009/ (abgerufen am: 15.05.2024 )
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