Wieder ein Wochenende im Zeichen des NSA-Skandals. Diesmal geht es vor allem um die Hilfe des BND bei gezielten Tötungen. Außerdem in der Presseschau: Zwei BVerfG-Entscheidungen zur Meinungsfreiheit, Diskussionen zum Fall Mollath und warum ein Polizist auf dem Klo nicht im Dienst ist.
BND-Daten für Drohnenangriffe: Hilft der Bundesnachrichtendienst den Amerikaner bei tödlichen Drohnenangriffen, indem er sie mit Daten über ihre Ziele versorgt? Laut Samstags-SZ (Stefan Buchen/Hans Leyendecker) habe BND-Präsident Gerhard Schindler gegen Bedenken seiner Mitarbeiter die Weitergabe von Mobilfunknummern an ausländische Geheimdienste angeordnet. Der Spiegel (H. Gude/K. v. Hammerstein/P. Müller/J. Schindler, Kurzfassung auf spiegel.de) thematisiert ergänzend die "blinde Weitergabe" von Funkzellendaten aus Afghanistan an "amerikanische Taliban-Jäger". Die Montags-taz (Christian Rath) schildert die Reaktion des BND: Funkzellendaten seien zu ungenau für eine Zielerfassung und dürften auch mittelbar nur dann für Tötungen genutzt werden, wenn damit ein akut drohender Anschlag verhindert werden kann.
Oppermann-Interview: Im Interview mit der Samstags-Welt (Manuel Bewarder/Martin Lutz) spricht Thomas Oppermann, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion und Chef des Parlamentarischen Kontrollgremiums, über Ronald Pofalla und die mangelnde Aufklärung im NSA-Skandal, gezielte Desinformation in Richtung SPD, die Verantwortung Frank-Walter Steinmeiers und dessen Auftritt vor dem Gremium. Weiter geht es um Belege für eine massenhafte NSA-Ausspähung der Deutschen, wie Bundeskanzlerin Merkel die Sache aussitzt und Edward Snowdens Asyl in Russland.
Parlamentarische Geheimdienstkontrolle: In einem Gastbeitrag für die FAS beklagt Wolfgang Nešković, fraktionsloser MdB und sieben Jahre Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium, dort finde keine "auf Kontrolle ausgerichtete Aufklärung" von Geheimdienstaktivitäten statt. Es mache keinen Sinn, sich auf die bloße Aussagen der zu Kontrollierenden zu verlassen. Das Gremium solle vielmehr seine (Selbstinformations-)Rechte nutzen: So etwa das Recht auf jederzeitigen Zutritt zu sämtlichen Dienststellen der Bundesnachrichtendienste. Im Einzelfall könne dazu gar ein Sachverständiger beauftragt werden.
Weitere Themen – Rechtspolitik
"Der Nanny-Staat": Anti-Rauchergesetze, Buggy-Verbote auf Sportplätzen, Vegetariertage – Der Staat, so Alexander Neubacher (Spiegel) in einem mehrseitigen Beitrag, glaube immer mehr, den Bürger vor sich selbst schützen zu müssen oder wolle, wegen mangelhafter Regulierung des Bankenwesens und Schutz der Privatsphäre der Bürger, einfach Handlungsfähigkeit suggerieren. Weiter fragt sich Neubacher, ob der paternalistische Staat nicht erst die vermeintliche Unmündigkeit der Bürger erzeuge.
Gesetz für Entgeltgleichheit: Im vierten Teil der (juristischen) Vorstellung der Wahlprogramme bei lto.de (Claudia Kornmeier) geht es um die Vorschläge der Parteien zur Beseitigung der Entgeltungleichheit zwischen Männern und Frauen, insbesondere das von der SPD vorgeschlagene Entgeltgleichheitsgesetz. Der Arbeitsrechtsexperte und Rechtsprofessor Martin Franzen komme zum Ergebnis: Verfassungskonform, aber zu bürokratisch.
Gewalt gegen Polizisten: Wie die Montags-Welt (Manuel Bewarder/Martin Lutz) berichtet, hat die Gewalt gegen Polizeibeamte im Vorjahr um rund fünf Prozent zugenommen. Die Zeitung nennt viele Details aus einem BKA-Lagebild. Der hessische Innenminister Boris Rhein (CDU) und Polizeigewerkschafter fordern deshalb, die Strafen für Angriffe auf Polizisten erneut zu erhöhen.
Steuerstrafrecht: Die hessische SPD strebt in Absprache mit der Bundes-SPD eine Bundesrats-Initiative zur Verschärfung des Steuerstrafrechts an: Unter anderem soll die Selbstanzeige abgeschafft werden und die Verjährung auf einheitlich zehn Jahre erhöht werden, berichtet die Montags-FAZ (Ralf Euler).
Rechte der Alteigentümer: Im Koalitionsvertrag hatte die schwarz-gelbe Koalition im Bundestag angekündigt, eine Arbeitsgruppe werde Verbesserungen für die Opfer der kommunistischen Enteignungen der Jahre 1945 bis 1949 suchen. Die Montags-FAZ (Philip Plickert) bilanziert, dass daraus so gut wie nichts geworden ist.
Erbschaftsteuer: Hermann-Ulrich Viskorf, der Vizepräsident des Bundesfinanzhofs, skizziert im Interview mit dem Handelsblatt (Donata Riedel), wie eine verfassungskonforme Reform der Erbschaftsteuer aussehen könnte: "Je niedriger die Sätze sind, umso eher kann man bei der Bemessungsgrundlage Pauschalierungen vornehmen. Eine Abgrenzung zwischen Privatvermögen und Betriebsvermögen wäre verzichtbar. Man käme mit einem Satz von vier bis sechs Prozent aus, um das heutige Aufkommen zu erreichen. Für Härtefälle kann es Stundungsregeln geben." Eine Vermögenssteuer hält er für zu kompliziert. Lieber solle die Erbschaftsteuer auf zehn Prozent erhöht werden.
Weitere Themen – Justiz
BVerfG zu Meinungsfreiheit – Winkeladvokatur: Durfte eine Anwaltskanzlei durch den Rechtsanwalt der gegnerischen Partei als "Winkeladvokatur" bezeichnet werden? Das musste das Bundesverfassungsgericht entscheiden und bejahte die Frage. Es liege keine Schmähkritik vor, weil die Äußerungen in einem berufsrechtlichen Verfahren Sachbezug hatten, berichtet spiegel.de (Jochen Leffers).
BVerfG zu Meinungsfreiheit – Rassismus-Vorwurf: Der Flüchtlingsrat Brandenburg hatte einen "Denkzettel für strukturellen und systemimmanenten Rassismus" an die Stadt Brandenburg und eine Sachbearbeiterin verliehen, weil einem tauben Flüchtling Simulation unterstellt wurde. Hier entschied das BVerfG, es gehörte zum Kernbereich der Meinungsfreiheit, staatliches Handeln auch scharf kritisieren zu können, so die Samstags-taz (Christian Rath).
BVerfG zum ThUG: Mit lto.de (Claudia Kornmeier) sprach der Rechtsprofessor und Kriminologe Jörg Kinzig über das vom Bundesverfassungsgericht unlängst für verfassungskonform erklärte Therapieunterbringungsgesetz (ThUG). Die Ansicht des Bundesverfassungsgerichts, dass das Gesetz noch verfassungskonform ausgelegt werden könne, habe ihn überrascht, die Entscheidung gegen die Annahme eines verfassungswidrigen Einzelfallgesetzes habe er indes überzeugender gefunden. Er sehe ein Bestimmtheitsproblem beim Begriff der "psychischen Störung", auch sei die Unterbringung nicht vorhersehbar genug für Betroffene und die Argumentation zur Gesetzgebungskompetenz des Bundes "abenteuerlich". Sein Fazit: Das ThUG hätte man erst gar nicht schaffen sollen.
LG Arnsberg - Gladbecker Geiseldrama: Wie der Spiegel (F. Bohr/J. Dahlkamp/B. Lakotta/B. Schmid, Zusammenfassung) berichtet, findet diesen Mittwoch – in der Woche, in der sich das Gladbecker Geiseldrama zum 25. Mal jähre – ein Anhörungstermin des Landgerichts Arnsberg zur Frage statt, ob der verurteilte Mörder Dieter Degowski entlassen werden könne. Dass Degowski bald "aus dem Knast" komme, glaubt der Spiegel zwar nicht, indes habe das Gericht ein psychiatrisches Gutachten in Auftrag gegeben. In drei Jahren könne Degowski reif für eine Entlassung sein, schon heute sei er nicht mehr gefährlich. Auch die FAS (Reiner Burger) befasst sich ausführlich mit dem Thema.
GBA – Enzensberger/Heißler: Die Ermittlungen gegen Ulrich Enzensberger und Rolf Heißler wegen eines Brandanschlags auf das Haus eines Richters Anfang 1970, werde wohl der Generalbundesanwalt übernehmen, meldet der Focus.
Suhrkamp-Insolvenz: Wie der Focus knapp meldet, überlege Hans Barlach, Minderheitseigner des Suhrkamp-Verlages, vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Er halte Teile des seit 2012 geltenden neuen Insolvenzrechtes, mit dessen Hilfe sein Einfluss beschnitten werden soll, für verfassungswidrig. Bernd Ziesemer (Handelsblatt) kritisiert die Ahnungslosigkeit der Feuilleton-Journalisten, die über die Suhrkamp-Insolvenz schreiben. Das Vorgehen der Suhrkamp-Mehrheits-Gesellschafter gefährde den Schutz des Eigentums. Suhrkamp sei keine Ausnahme, vielmehr gebe es fast überall Streitigkeiten zwischen Gesellschaftern.
Mollath I - Interview Gerhard Strate: Mit Gerhard Strate, Anwalt Gustl Mollaths, spricht der Focus (Ansgar Siemens, Zusammenfassung). Strate halte seinen Mandanten keineswegs für gefährlich und glaube Mollaths Einschätzung, dass er in der Bayreuther Psychiatrie misshandelt worden sei. Weiter halte er die Gutachten zu Mollaths Gefährlichkeit für substanzlos und die Vorwürfe von dessen Ex-Frau für falsch.
Mollath II – Interview Henning Ernst Müller: Über das anstehende Wiederaufnahmeverfahren im Fall Gustl Mollath spricht Strafrechtsprofessor Henning Ernst Müller mit der Samstags-taz (Christian Rath). Mollath müsse sich keine Sorgen machen, wieder in der Psychiatrie zu landen. Außerdem geht es um die Lehren aus dem Fall, schlechtes Fehlermanagement der Justiz, sture Gutachter und die Frage, ob auch die gesetzlichen Regeln geändert werden müssten.
Mollath III - Ex-Frau: Was die Ereignisse um den Fall Mollath für seine Ex-Frau Petra M., ehemals Bankerin und heute Bioenergetikerin, bedeuten, betrachtet der Spiegel (Beate Lakotta) in einem ausführlichen und zurückhaltenden Bericht und schildert ihre Hälfte der Geschichte. In dem Justizdrama sei ihr die Rolle der "bösen Frau", der "Hexe", zugeschrieben worden.
Mollath IV - "Irrsinn in Regensburg": Den Fall Gustl Mollaths und den eines Psychiatrie-Patienten, der bei einer Amokfahrt in Regensburg ein Mädchen getötet hat, stellt die Welt am Sonntag (Christian Eckl) gegenüber: "Wieso war der eine eingesperrt, der andere nicht?".
Mollath V - "Tücken der Unterschrift": In der Entscheidung des OLG Nürnberg über die Wiederaufnahme im Fall Mollath spielte eine unechte Urkunde eine ausschlaggebende Rolle. Rechtsanwalt Alexander Weinbeer stellt auf lto.de fest: "Nicht nur beim strafrechtlichen Urkundenbegriff, sondern auch für die zivilrechtliche Einordnung" sei es, keinesfalls "egal", was und wer auf Briefköpfen und Stempeln von Freiberuflern steht. In der Praxis gebe es ein "häufig allzu sorglose(s) Auftreten von Stellvertretern nach außen".
LG Hannover – Verfahren gegen Glaeseker: Im Verfahren wegen Bestechlichkeit im Amt vor dem Landgericht Hannover wird der Angeklagte Olaf Glaeseker in einer 69-seitigen Stellungnahme seines Anwaltes Guido Frings verteidigt. Der Spiegel (H. Gude/A. Weinzierl, Zusammenfassung) und die Montags-SZ (Hans Leyendecker) berichten. Glaeseker, langjähriger Sprecher des ehemaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff, bestreite, dass er Sponsorengelder für eine Veranstaltung über seinem Mail-Account in der Regierungszentrale gesammelt habe. Private Einladungen des Veranstalters Manfred Schmidt seien in der langjährigen Freundschaft der beiden Männer begründet.
NSU-Prozess - Beate Zschäpe: "Ein banales, böses Leben" - Hannelore Crolly (Welt am Sonntag) hat die "Biederfrau" Beate Zschäpe im Münchener NSU-Prozess beobachtet: Oft benehme sie sich wie eine Anwältin.
Kita-Klagen: Die Montags-taz (Andreas Wyputta/Anja Krüger) gibt einen Überblick über die ersten Klagen auf einen Kita-Platz in NRW. In Köln gebe es schon einige Dutzend, im Ruhrgebiet erst eine.
Weitere Themen – Recht im Ausland
USA – NSA-Überwachung: zeit.de (Friedhelm Greis) fasst die Stellungnahme der National Security Agency zu ihrem Überwachungsprogramm kurz zusammen. Die Montags-taz (Antje Passenheim) schildert Barack Obamas 4-Punkte-Plan für mehr Transparenz bei der NSA.
Sonstiges
Parteiausschluss für Kauder?: In der Diskussion um einen drohenden Parteiausschluss für Siegfried Kauder (CDU) weist Jost Müller-Neuhof (Sonntags-Tagesspiegel) darauf hin, dass nach Parteiengesetz und CDU-Satzung der Rauswurf eine Ermessensentscheidung sei. Außerdem sei für die Eröffnung des Ermessens die Zufügung "schweren Schadens" für die Partei notwendig, ein Satzungsverstoß allein genüge nicht. Vor Gericht hätte er aber wenig Chancen, die Kontrolle über Entscheidungen der Parteigerichte sei sehr beschränkt.
Staatsrechtslehre: Der Verfassungsblog (Alexandra Kemmerer) bespricht einen Sammelband mit Aufsätzen von Helmut Schulze-Fielietz, "Staatsrechtslehre als Mikrokosmos". Das Buch schildere hoch informativ die Binnenstruktur der deutschen Staatsrechtslehre, es fehle aber ein Blick von Außen und die Neugier auf ausländische Einflüsse zum Beispiel aus dem amerikanischen Rechtskreis.
Das Letzte zum Schluss
VG München zu Toilettengang: Wie die Samstags-FAZ (Helene Bubrowski) berichtet, hat das Verwaltungsgericht München vergangene Woche entschieden, dass der Unfall eines Polizeibeamten in Toilettenräumen nicht als Dienstunfall gilt. Etwaige Ansprüche nach dem Beamtenversorgungsgesetz schieden damit aus. Lediglich wenn der Dienstherr entsprechende Räume nicht ausreichend sichere, könne ein Dienstunfall angenommen werden - falls der Beamte wiederum alle "Dinge auf der Toilette" bestimmungsgemäß gebraucht habe, so das VG laut FAZ. Das zuständige Landesamt habe dem Polizisten gegenüber argumentiert, was auf dem Klo erledigt werde, sei "privatwirtschaftlicher Natur".
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/dc/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 10. bis 12. August 2013: BND hilft beim Drohnenkrieg – Karlsruhe schützt Meinungsfreiheit – Polizist verletzt sich auf der Toilette . In: Legal Tribune Online, 12.08.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9333/ (abgerufen am: 02.06.2024 )
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