Zürcher Gericht spricht deutschen Anwalt vom Vorwurf der Wirtschaftsspionage frei. Außerdem in der Presseschau: Das BVerwG ändert seine Rechtsprechung zu Cannabis am Steuer und der EuGH-Generalanwalt hält Polens Justizreform für europarechtswidrig.
BVerfG – Hausrecht: Laut SZ (Robert Roßmann) hat ein Abgeordneter der Linken im Bundestag, Michel Brandt, ein Organstreitverfahren gegen Parlamentspräsident Schäuble vor dem Bundesverfassungsgericht angestrengt, da die "Polizei beim Deutschen Bundestag" während des Besuches des türkischen Präsidenten Erdoğan im September 2018 in sein Abgeordnetenbüro eingedrungen war, weil an den Fenstern Fotos der kurdischen Flagge und eines Wimpels der kurdischen Volksverteidigungseinheiten YPG zu sehen waren. Der Abgeordnete hält das Betreten der Räume für eine Verletzung seiner verfassungsmäßigen Rechte, da die Polizei einerseits ohne ausdrückliche Genehmigung des Bundestagspräsidenten gehandelt habe, der die Polizeigewalt im Haus inne hat und damit andererseits gerade nicht dem Schutz der Abgeordneten, der auch den Schutz der Unterlagen umfasse, gedient habe. Schäuble hatte das Vorgehen der Polizei mit der Gefahr der Provokation von Erdoğan-Anhängern gerechtfertigt.
OLG München – Musterfeststellungsklage: Wie die FAZ (Henrik Wieduwilt) berichtet, will der Mieterverein München im Wege einer Musterfeststellungsklage gegen Mieterhöhungen wegen Modernisierungskosten vor dem Oberlandesgericht München vorgehen. Das Gericht muss zunächst prüfen, ob das neugeschaffene Klageinstrument in diesem Fall zulässig ist. Die Modernisierungsankündigungen fielen zeitlich noch unter altes Recht, die wesentlichen Arbeiten sollen aber erst 2021 beginnen, also unter Geltung des neuen Rechts, bringt der Mieterverein vor.
VG Berlin – Böhmermann: Laut Tsp (Jost Müller-Neuhof) hat sich das Kanzleramt im Prozess von Moderator Jan Böhmermann gegen die Bundeskanzlerin vor dem Verwaltungsgericht Berlin dazu verpflichtet, die Kritik Merkels, das auf den türkischen Staatspräsidenten Erdogan zielende "Schmähgedicht" sei "bewusst verletzend", künftig nicht mehr zu wiederholen. Böhmermann fordert die Unterlassung der öffentlichen Erklärung. Die mündliche Verhandlung ist für kommenden Dienstag angesetzt, an dem auch ein Urteil erwartet wird.
LG Berlin zu Mietspiegel: Laut spiegel.de hat das Landgericht Berlin zugunsten einer Tochterfirma der Deutsche Wohnen entschieden, dass diese eine Wohnung zu einem Preis über dem Mietspiegel vermieten kann. Ein vom Gericht bestellter Gutachter habe festgestellt, dass der Mietspiegel nicht auf Grundlage von anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt worden sei.
VG Schwerin – Flüchtlingsrat: Wie die taz-Nord (André Zuschlag) berichtet, verhandelt das Verwaltungsgericht Schwerin heute über eine Klage des Hamburger Flüchtlingsrats gegen das Land Mecklenburg-Vorpommern. Die Kläger werfen dem Land vor, dass autorisierten Vertretern des Vereins der Zugang zu Flüchtlingsunterkünften des Landes und insbesondere zu der Zentralen Erstaufnahmeeinrichtung in Nostorf/Horst verwehrt worden sei. Sie berufen sich dabei auf die EU-Richtlinie 2013/33, wonach Anwälten oder Beratern von Nichtregierungsorganisationen Zugang zu Unterkünften gewährt werden muss, um den dort lebenden Asylsuchenden effektive Unterstützung zukommen zu lassen.
BGH/EuGH – Datenschutz: Nach Bericht von FAZ (Henrik Wieduwilt) und lto.de hat der Bundesgerichtshof ein Verfahren ausgesetzt, bei dem es um die Frage geht, ob es im Bereich des Datenschutzes ein Klagerecht der Verbraucherschutzverbände gibt. Bislang sind für den Datenschutz die Landesdatenschutzbehörden zuständig, die nach Maßgabe der Datenschutzgrundverordnung Bußgelder verhängen können. Ob Verbraucherschutzverbände nach Europarecht parallel abmahnen dürfen, wird der Europäische Gerichtshof in einem ähnlich gelagerten Streit entscheiden, dessen Entscheidung der Bundesgerichtshof abwarten will.
BAG zu Mitbestimmung: Auf efarbeitsrecht.net erläutert die Fachanwältin für Arbeitsrecht Petra Timmermann eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts von Dezember 2018 zur Frage, in welchem Umfang der Betriebsrat von seinem Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 Betriebsverfassungsgesetz bei EDV-basierten Mitarbeiterbefragungen Gebrauch machen kann.
Staatsanwaltschaft Gera: Die SZ (Antonie Rietzschel) befasst sich mit der Diskussion um Staatsanwalt Martin Zschächner aus Gera, dem im Zuge der Ermittlungen gegen das "Zentrum für politische Schönheit" vorgeworfen wird, verstärkt gegen linke Gruppierungen vorzugehen. Ein Bundestagsabgeordneter der Linken, Niema Movassat, hat wegen der genannten Ermittlungen Strafanzeige gegen Zschächner wegen Rechtsbeugung gestellt.
Kirchliches Selbstbestimmungsrecht: Mit dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht und dem kirchlichen Arbeitsrecht im Spannungsfeld zwischen nationalen Gerichten und Europäischem Gerichtshof befasst sich lto.de (Tanja Podolski) anlässlich der jüngsten Entscheidungen zur Kündigung eines Chefarztes durch die Caritas, sowie dem Fall Vera Egenberger, und geht dabei auf die Kritik des ehemaligen Verfassungsrichters Ferdinand Kirchhof am EuGH ein. Letztere hatte sich erfolglos auf eine Referentinnenstelle bei der Diakonie beworben, die ihr mit Hinweis auf ihre Konfessionslosigkeit versagt blieb. Der Europäische Gerichtshof hatte daraufhin geurteilt, dass Kirchen sich nicht mehr pauschal auf ihr Selbstbestimmungsrecht berufen dürfen. Nun hat die Diakonie Verfassungsbeschwerde eingereicht.
Recht in der Welt
EuGH – Justizreform Polen: U.a. SZ (Wolfgang Janisch), FAZ (Marlene Grunert), taz (Christian Rath), lto.de und Piotr Bogdanowicz, Assistenzprofessor in Warschau, auf verfassungsblog.de befassen sich mit den Schlussanträgen des Generalanwalts am Europäischen Gerichtshof, Evgeni Tanchev, zur Vereinbarkeit der polnischen Justizreform mit EU-Recht. Nach Auffassung des Generalanwalts haben die Reformen an Polens Oberstem Gerichtshof, die u.a. eine Herabsetzung des Pensionsalters der Richter vorsahen, gegen das Prinzip der Unabsetzbarkeit von Richtern verstoßen, da eine Änderung des Renteneintrittsalters keine Rückwirkung entfalten dürfe. Der Grundsatz der Unabsetzbarkeit von Richtern folge zwingend aus der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 1 Unterabsatz 2 des EU-Vertrags (EUV). Ebenso sei die Unabhängigkeit der Gerichte verletzt, wenn die Entscheidung über die Verlängerung der Amtszeit von Richtern, wie in der Reform vorgesehen, beim Präsidenten liege. Beim Europäischen Gerichtshof sind zwei weitere Klagen der Kommission gegen Elemente der polnischen Justizreform anhängig.
Frankreich – Monsanto: Laut spiegel.de (Andreas Albert) hat ein französischer Landwirt vor einem Berufungsgericht in Lyon gegen die Bayer-Tochter Monsanto eine Entscheidung errungen. Das Gericht hat es für gegeben erachtet, dass Monsanto wegen "fehlerhafter Produkte" für die neurologischen Erkrankungen des Landwirts verantwortlich sei. Dieser fordert mehr als eine Million Euro Schadensersatz.
Südkorea – Abtreibung: Die FAZ (Patrick Welter) und zeit.de berichten, dass das Verfassungsgericht in Südkorea mit neun zu sieben Stimmen das seit 66 Jahren geltende strafrechtlich verankerte Abtreibungsverbot nun für verfassungswidrig erklärt hat. Das Verbot verstoße gegen das Recht der Frauen auf Selbstbestimmung.
USA/Großbritannien/Ecuador – Julian Assange: U.a. FAZ, SZ (Silke Bigalke u.a.) und lto.de berichten ausführlich, dass Wikileaks-Gründer Julian Assange in London festgenommen worden ist, wo er innerhalb der ecuadorianischen Botschaft Asyl genossen hatte, sowie über eine mögliche Auslieferung an die USA. Der ecuadorianische Präsident Moreno erklärte, dass Asyl sei im Einklang mit dem Völkerrecht beendet worden, mit dem Hinweis an Großbritannien, Assange nicht in ein Land auszuliefern, in dem ihm Folter oder die Todesstrafe drohe. Assange habe sich in seiner Zeit als Asylberechtigter mit der Verbreitung vertraulicher Dokumente in Angelegenheiten anderer Staaten eingemischt und auf vertrauliche Dokumente in der Botschaft zugegriffen und deshalb gegen asylrechtliche Auflagen verstoßen. Assanges Anwälte werfen Ecuador vor, internationales Asylrecht gebrochen zu haben. Lisa Hegemann (zeit.de) und Markus Reuter (netzpolitik.org) sehen in der Festnahme eine Bedrohung der Pressefreiheit.
Sonstiges
Berufliches Rückkehrrecht: Die FAZ (Michael Hanfeld) befasst sich mit der Frage, ob der ehemalige DFB-Präsident und ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Reinhard Grindel aufgrund des Abgeordnetengesetzes ein Rückkehrrecht in den öffentlichen Dienst haben könnte, dass er gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk als Arbeitgeber vor seiner Zeit als Abgeordneter geltend machen könnte.
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Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/cc
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Die juristische Presseschau vom 12. April 2019: Schweizer Freispruch für Cum-Ex-Anwalt / BVerwG zu Cannabis-Konsum / Schlussanträge zu Polens Justizreform . In: Legal Tribune Online, 12.04.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/34875/ (abgerufen am: 26.04.2024 )
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