Der EuGH muss wohl doch noch eine Entscheidung im Fall VG Wort treffen. Außerdem in der Presseschau: Auch Katheterpatienten dürfen bestimmen wie viel sie trinken, Beihilfe muss präventive Masektomie zahlen und eine ungewöhnliche Pfändung.
Thema des Tages
BGH – VG Wort: Der Bundesgerichtshof hat wider Erwarten das VG Wort-Verfahren noch nicht beendet. Verwertungsgesellschaft und Verlage argumentierten, dass das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom November sich auf eine gesetzliche Regelung beziehe, das deutsche Modell aber auf vertraglicher Basis stehe und die Entscheidung daher nicht übertragbar sei. Eine Entscheidung will der BGH am 21. April verkünden. Er werde wohl doch Vorabentscheidung vom EuGH verlangen, vermutet taz.de (Christian Rath). Auch börsenblatt.net (Michael Roesler-Graichen) schreibt dazu.
Rechtspolitik
Vermögensabschöpfung: Bundesjustizminister Maas hat die Reformpläne für die Vermögensabschöpfung vorgestellt, meldet die FAZ (Joachim Jahn). Durch Einschaltung eines Insolvenzverwalters soll kriminelles Vermögen in einem einheitlichen Verfahren zu gleichen Teilen an die Opfer verteilt werden, bei sichergestellten Wertgegenständen soll keine Zuordnung zu konkreten Taten mehr nötig sein, Gewerbsmäßigkeit soll nicht mehr erforderlich sein und das Verfahren auf Vermögensdelikte wie Betrug ausgeweitet werden. Das meldet auch die Welt.
Urheberrecht: Der Entwurf zur Reform des Urheberrechts ist entschärft worden, schreibt die FAZ (Joachim Jahn). Die Frist ab der Nutzungsrechte zurückgerufen und neu vergeben werden können, wird auf zehn Jahre verlängert und aufgenommene Nutzungen dürfen fortgesetzt werden. Es wird kein Verbot von Pauschalvergütungen geben und das Auskunftsrecht über den Umfang der Werknutzung wird nicht umfassend und nicht für Urheber eines untergeordneten Beitrags gelten.
Justiz
SG Dresden zu Zahlung nach Bedarf: Hat ein Mensch mit Katheter ein individuelles Trinkbedürfnis von 3,5 Litern pro Tag, muss die Krankenkasse auch Hilfsmittel in diesem Umfang zur Verfügung stellen, entschied das Sozialgericht Dresden. Die Krankenkasse hielt nur 2,5 Liter Trinkmenge für erforderlich und zahlte nur Hilfsmittel in diesem Umfang. Darin sah das Gericht einen Verstoß gegen die Menschenwürde, melden lawblog.de (Udo Vetter) und lto.de.
BGH – Pechstein: Rechtswissenschaftler Antoine Duval schreibt auf verfassungsblog.de in englischer Sprache zum Verfahren Claudia Pechsteins gegen ihren Verband. Er betrachtet den Fall mit einer verfassungsrechtlichen Brille, denn im Kern gehe es um Gewaltenteilung in den internationalen Strukturen der Dopingkontrolle.
BGH zu Elternunterhalt: Zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs, nach der unverheiratete Paare sich nicht in gleichem Maße wie verheiratete auf den Familienselbsterhalt berufen können, um weniger Unterhalt für ihre pflegebedürftigen Eltern zahlen zu müssen, schreibt nun auch Rechtsprofessor und Notar Herbert Grziwotz auf lto.de.
BGH zu Widerrufsinformation: Der Bundesgerichtshof hat am 23. Februar in zwei Urteilen klargestellt, dass das Fehlen von Hervorhebungen in der Widerrufsinformation in einem Immobiliendarlehensvertrag diese nicht fehlerhaft macht. Rechtsanwalt Roland Erne stellt auf dem Handelsblatt Rechtsboard diese Urteile in den Kontext der Entwicklung des Widerrufsrechts und der Abschaffung des Widerrufsjokers.
BFH – Senatsvorsitze: Die vier vakanten Posten von Senatsvorsitzenden beim Bundesfinanzhof sollen in Kürze wieder besetzt sein, schreibt juve.de, mit kurzem Überblick über die vorgesehenen Kandidaten und die Geschichte der Besetzungsverzögerung.
VGH Kassel zu präventiver Masektomie: Der hessische Verwaltungsgerichtshof hat die Beihilfe zur Zahlung ihres Anteils an den Kosten der präventiven Masektomie einer Beamtin verurteilt, schreibt die taz (Heike Haarhoff). Die Frau hatte sich wegen des genetisch veranlagten 90-prozentigen Risikos von Brustkrebs der Operation unterzogen und war auf deren Kosten dann größtenteils sitzen geblieben, weil die Beihilfe argumentierte, eine genetische Disposition sei noch keine Krankheit und damit bestehe keine Zahlungsverpflichtung.
OLG Düsseldorf – Loveparade: Im Verfahren um Schadensersatzansprüche von Loveparade-Opfern gegen die Stadt Duisburg muss die Vorsitzende Richterin am Landgericht Duisburg wegen Befangenheit ausgewechselt werden, entschied das Oberlandesgericht Düsseldorf, laut lawblog.de (Udo Vetter). Die Richterin ist mit einem der Partner der Anwaltskanzlei verheiratet, die das Gutachten erstellte, welches die Stadt Duisburg zur Anspruchsabwehr vorlegte.
OLG München – NSU: Auch lto.de befasst sich nun mit der für den kommenden Donnerstag geplanten Aussage einer BKA-Beamtin, die Aufzeichnungen von Fernsehberichten über das Nagelbomben-Attentat in der Kölner Keupstraße gesichtet hat. Sollte Zschäpe die Berichte aufgezeichnet haben, wäre ihre Behauptung, immer erst im Nachhinein von Anschlägen informiert worden zu sein, in Frage gestellt.
VG Hamburg zu Flüchtlingsunterkunft: Das Verwaltungsgericht Hamburg hat im Eilverfahren Bau und Betrieb von Flüchtlingsunterkünften untersagt. Die Stadt hat Beschwerde eingelegt, weil das Gericht § 246 Absatz 14 Baugesetzbuch zu eng ausgelegt habe, meldet die taz (Kai von Appen). Nach der befristeten Regelung kann für Flüchtlingsunterkünfte von Bebauungsplänen abgewichen werden, wenn sie sonst nicht oder nicht rechtzeitig bereitgestellt werden können.
LG München – Zeugin im Niqab: Darf eine Zeugin im Niqab – Gesichtsschleier, der nur einen Augenschlitz frei lässt – aussagen, oder kann das Gericht verlangen, dass sie ihr Gesicht zeigt. Am 17. März beginnt eine Verhandlung vor dem Landgericht München, in der das Gericht zu dieser Frage wird Stellung nehmen müssen, meldet lawblog.de (Udo Vetter).
LG Düsseldorf zu "Like-Button": Mit dem Urteil des Landgerichts Düsseldorf, zum Social Plugin "Gefällt mir" auf Webseiten, befasst sich nun auch internet-law.de (Thomas Stadler). Die Informationsanforderungen des Gerichts seien praktisch nicht erfüllbar, womit die Integration des Plugins auf Webseiten nicht mehr rechtskonform möglich sei. allfacebook.de (Thomas Schwenke) hat ein FAQ zum Urteil erstellt.
StA Berlin – Volker Beck: Laut zeit.de ist in dem am Mittwoch beim Bundestagspräsidenten eingegangenen Schreiben der Staatsanwaltschaft Berlin nur von einen "Prüfvorgang" gegen Volker Beck (Grüne) die Rede, weshalb Lammert kein grünes Licht für Ermittlungen gegeben habe. Die Staatsanwaltschaft hätte mitteilen müssen, Ermittlungen aufnehmen zu wollen, dem genüge das Schreiben nicht.
StA Frankfurt – erschlichene Konten: Die FAZ (Tim Kanning) schreibt über den Handel mit Bankkonten, die mit gefälschten Ausweisdokumenten errichtet werden. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt, mit der Zentralstelle für Internetkriminalität, hat einen Mann festgenommen, der im Jahr 2015 mindestens 85 Konten eröffnet und für je mindestens 1.400 Euro verkauft haben soll.
Recht in der Welt
Polen – Verfassungsgericht: Die polnische Regierung weigert sich das Urteil des Verfassungsgerichts, das die Verfassungsgerichtsreform für verfassungswidrig erklärt, zu veröffentlichen. Dies sei aber für seine Wirksamkeit erforderlich, meldet lto.de. Auch SZ (Florian Hassel) und FAZ (Konrad Schuller) schreiben dazu und befassen sich mit der Rolle des polnischen Verfassungsgerichtspräsidenten. Die Welt (Gerhard Gnauck) verweist auf die für dieses Wochenende erwartete Bewertung polnischer Rechtsstaatlichkeit durch die Venedig-Kommission und die immer noch möglichen Sanktionen durch die EU.
EGMR – extraordinary rendition: Der Europäische Gerichtshof hat dem 2003 von der CIA aus Mailand entführten und zum Verhör nach Ägypten verschleppten muslimischen Geistlichen Abu Omar 70.000 Euro Entschädigung durch Italien zugesprochen. Die italienischen Behörden hätten über die CIA-Pläne Bescheid gewusst und sich auch dadurch mitschuldig gemacht, dass sie die Täter unbestraft davonkommen ließen. Das meldet le monde diplomatique.
EU/Türkei – Abkommen: Der UN-Menschenrechtskommissar meint das Abkommen zwischen EU und Türkei zur Flüchtlingskrise könne zu "kollektiven und willkürlichen Ausweisungen führen, die illegal sind". Er will seine Bedenken kommende Woche bei seinem Besuch in Brüssel vortragen, meldet spiegel.de.
Algerien – Hassprediger verurteilt: Weil er den Journalisten und Schriftsteller Kamel Daoud als Apostaten beschimpfte und seine öffentliche Hinrichtung forderte, ist ein Salafisten-Prediger in Omar/Algerien zu sechs Monaten Haft, davon drei ohne Bewährung, verurteilt worden. Als "Premiere in der arabisch-muslimischen Welt" bezeichnete ein führender Journalist des Landes das Urteil, schreibt die SZ (Paul-Anton Krüger).
Sonstiges
Gleichheit beim Strafen: In seiner Kolumne fordert Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck auf zeit.de einen Blick auf verschiedene Analysen der US-amerikanischen Strafjustiz. Sie zeigten eine "von rassistischen Vorurteilen durchsetzten Klassenjustiz gegen diskriminierte und unterprivilegierte Bevölkerungsteile", die uns hierzulande eine Warnung sein solle.
Cum-Ex-Deals: Das Bundeszentralamt für Steuern hatte eine Bagatellgrenze von 750.000 Euro für Cum-Ex-Deals eingeführt und erst bei darüber hinausgehenden Beträgen Prüfungen vorgenommen, schreibt die SZ (Klaus Ott). Wer dafür verantwortlich ist, wolle der Untersuchungsausschuss des Bundestages, der sich derzeit mit den Deals befasst, herausfinden.
Schienenkartell: Mit der Verhängung eines Bußgelds von knapp 3,5 Milliarden Euro hat das Bundeskartellamt den Schienenkartell-Fall beendet, meldet die FAZ (Helmut Bünder).
Das Letzte zum Schluss
Pfändung in der Staatskanzlei?: Das Land Nordrhein-Westfalen schuldet seiner Mandantin 20.000 Euro aus einem Vergleich. Weil bisher keine Zahlung eintraf, hat ein Anwalt beim Amtsgericht Düsseldorf beantragt, einen Gerichtsvollzieher in die Staatskanzlei zu schicken, um den Fuhrparks zu pfänden, schreibt justillon.de (Andreas Stephan).
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Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/krü
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 11. März 2016: VG Wort zum EuGH? / Trink- und Pinkelfreiheit / Kuckuck auf Staatskanzlei? . In: Legal Tribune Online, 11.03.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18752/ (abgerufen am: 09.05.2024 )
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