Wo lernt man am besten Deutsch? Das Urteil des EuGH zu Sprachtests für die Ehepartner von Türken stößt auf unterschiedliches Echo. Außerdem in der Presseschau: Thomas Fischer spottet über Abgeordnetenbestechung, Bild kann sich auf die Pressefreiheit berufen, Vorratsdatenspeicherung in Großbritannien - und wieviel Finderlohn kriegt man wohl für eine Unterwasserdrohne?
Thema des Tages
EuGH zu Deutschkenntnissen: Ehepartner von in Deutschland lebenden Türken dürfen nicht generell dazu verpflichtet werden, vor der Einreise Deutschkenntnisse nachzuweisen. Das entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg am Donnerstag. Nach dem Assoziierungsabkommen mit der Türkei ist eine solche Beschränkung der Niederlassungsfreiheit nur ausnahmsweise zulässig. Die Bundesrepublik hatte damit argumentiert, der Deutschtest solle Zwangsehen verhindern. Der EuGH hielt die Regelung aber für unverhältnismäßig, weil besondere Einzelfälle nicht berücksichtigt werden können. Es berichten unter anderem die SZ (Wolfgang Janisch), die taz (Christian Rath) und die FAZ (ahan).
Der Rechtsprofessor Daniel Thym analysiert das Urteil auf lto.de und betont, mit einer entsprechenden Härtefall-Regelung wäre der Sprachnachweis weiter zulässig.
Wolfgang Janisch (SZ) begrüßt das Urteil und sieht "Spielraum für Kompromisse" in der Integrationspolitik – etwa Sprachkurse nach der Einreise. Christian Rath (taz) bezweifelt, dass der Sprachtest Zwangsehen verhindern kann und hält Deutschkurse in Deutschland auch für sinnvoller. Ebenso Vera Kämper (spiegel.de), die außerdem eine bessere Anerkennung von Studien- oder Berufsabschlüssen vorschlägt, um die Integration von Einwanderern erleichtern. Alan Posener (Die Welt) kommentiert dagegen polemisch, in dem Fall sei es nicht um die Rechte der Ehefrau gegangen, die die Klage eingereicht hatte, sondern um das "Wohlgefühl" ihres Mannes, dessen Niederlassungsfreiheit die Richter verletzt sahen. Der Ehemann scheine es zu "mögen", wenn Frauen nicht "emanzipiert oder aufsässig" seien. Reinhard Müller (FAZ) kritisiert, dass das Urteil auf einer Klausel zum Assoziierungsabkommen aus den siebziger Jahren beruht: "Heute müssen wir die Folgen ausbaden". Der Gesetzgeber solle deshalb "soweit er kann" den "unkontrollierten Zuzug von vermeintlichen Familienangehörigen" stoppen.
Rechtspolitik
Thomas Fischer zu Abgeordnetenbestechung: In einem Gastkommentar auf zeit.de macht sich Thomas Fischer, Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof, in gewohnt scharfen Tönen über das Gesetz zur Abgeordnetenbestechung lustig. Die im Februar eilig durchgebrachte Neuregelung sei "Käse minderer Qualität", die Einwände der Sachverständigen habe man nicht berücksichtigt, Lobbyisten dürften angesichts des laschen Tatbestandes "jubeln". Die exklusive Zuständigkeit von Oberlandesgerichten und Generalstaatsanwaltschaften solle den Taten wohl "den Atem des Extraordinären, Staatserschütternden" einhauchen, so Fischer weiter. Tatsächlich sei Korruption in Deutschland im Vergleich zu anderen Staaten selten, wichtig sei aber eine Strafvorschrift "die ihren Namen verdient".
Parlamentsvorbehalt bei Drohneneinsätzen: Muss der Bundestag unbemannten Drohneneinsätzen vorab zustimmen? Darüber diskutieren junge Rechtswissenschaftler auf juwiss.de. Robert Frau und Simon Gauseweg sind der Ansicht, dass es beim Parlamentsvorbehalt nicht nur um die Gefährdung von Bundeswehrsoldaten geht und der Bundestag deshalb schon nach dem geltende Verfassungsrecht auch bei Drohneneinsätzen zustimmen muss. Oliver Daum geht davon aus, dass die Zustimmung des Bundestages nicht zwingend notwendig ist und fordert deshalb eine Reform des Wehrverfassungsrechts.
Missbrauch: Wie die taz (Heide Oestreich) berichtet, fordert der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes Wilhelm Rörig, weitergehende Änderungen im Sexualstrafrecht. So solle der Gesetzentwurf von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) beim Missbrauch von Schutzbefohlenen auch nicht-pädagogisches Personal in Schulen und Heimen einbeziehen. Außerdem sei Beratung und psychosoziale Prozessbegleitung wichtig für die Opfer.
Erbschaftsteuer: Donata Riedel (Handelsblatt) mahnt, die Koalition werde sich auf neue Regeln zur Erbschaftsteuer einigen müssen. Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird im Herbst erwartet, in der mündlichen Verhandlung am Dienstag dieser Woche hätten die Richter "überdeutlich" zu verstehen gegeben, dass die derzeitige Rechtslage Firmenerben ungerechtfertigt bevorzuge. Künftig müsse der Gesetzgeber deutlich machen, dass Betriebe und Arbeitsplätze gesichert werden sollen, nicht nur das Vermögen von Unternehmerfamilien. Manfred Schäfers (FAZ) betont, die Politik müsse den starken industriellen Mittelstand in Deutschland schützen.
Justiz
EGMR zu Pressefreiheit: Die Bild-Zeitung hatte mit einer Beschwerde vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Erfolg. Dabei ging es um die Berichterstattung über Alt-Kanzler Gerhard Schröder (SPD) im Dezember 2005, der nach verlorenen Neuwahlen zu einem Pipeline-Projekt des Konzerns Gazprom wechselte. Bild zitierte den FDP-Politiker Carl-Ludwig Thiele unter anderem mit den Worten "Wollte Schröder sein Amt loswerden, weil ihm lukrative Jobs zugesagt waren?". Die Verbreitung des Zitats wurde von den deutschen Gerichten untersagt – was das Bundesverfassungsgericht bestätigte. Der EGMR sah darin jedoch einen Verstoß gegen die Meinungsfreiheit, Deutschland muss nun rund 41.000 Euro an Verfahrenskosten zahlen. Die SZ (Wolfgang Janisch) und die taz (Christian Rath) berichten. Stefan Ulrich (SZ) begrüßt die Entscheidung, die die Presse als "Wachhund der Öffentlichkeit" stärke.
EuGH zu Legal Highs: Neuartige Drogen dürfen nicht einfach als illegale Arzneimittel behandelt werden. Der Europäische Gerichtshof erklärte auf Vorlage des Bundesgerichtshofs, diese Stoffe seien keine Arzneimittel im Sinne der EU-Arzneimittelrichtlinie, weil sie der Gesundheit eben nicht zuträglich seien. Das berichtet die taz (Christian Rath). Die deutschen Behörden hatten versucht, so den Handel mit neuen Drogen zu unterbinden, die noch nicht auf dem Index des Betäubungsmittelgesetzes stehen. Udo Vetter (lawblog.de) nimmt an, die Entscheidung werde zahlreiche laufende Strafverfahren, auch gegen einfache Konsumenten, betreffen.
EuGH zu Apple-Stores: Apple kann auch das Design der Apple-Stores als Marke schützen lassen - wenn es sich von anderen Computergeschäften deutlich unterschiedet, so der Europäische Gerichtshof. Apple war vor dem Deutschen Patent- und Markenamt in München zunächst gescheitert, das Bundespatentgericht hatte die EU-Richter angerufen. spiegel.de fasst die Entscheidung knapp zusammen, ausführlich die Welt (Benedikt Fuest).
BGH zu Teilgewerbe-Mietern: Der Rechtsanwalt Christoph Stroyer erläutert auf lto.de das Urteil des Bundesgerichtshofs, der die Rechte von Mieter gestärkt hatte, die in einem Haus wohnen und arbeiten. Ob bei einer Kündigung das Mietrecht für Geschäftsräume oder das weiterreichende Wohnraummietrecht gelte, richte sich nach der überwiegenden Nutzung – im Zweifelsfalle sei aber Wohnraummietrecht anzuwenden.
Revision im HSH Nordbank-Prozess: Nachdem das Landgericht Hamburg die Ex-Vorstände der HSH Nordbank freigesprochen hat, will die Staatsanwaltschaft in Revision gehen. In einer knappen Meldung der SZ (Kristina Läsker) heißt es dazu, der Bundesgerichtshof könne dann den Straftatbestand der Untreue und die "Grenze zwischen unternehmerischer Risiko-Übernahme und Wirtschaftskriminalität" neu definieren.
LG Regensburg – Mollath-Freund sagt aus: Ein Freund von Gustl Mollath hat in dem Wiederaufnahmeverfahren vor dem Regensburger Landgericht unter Eid ausgesagt. Edward Braun erklärte, er erinnere sich an einen Anruf von Mollaths Ex-Frau, die gedroht habe Mollath "fertig zu machen". spiegel.de (Beate Lakotta) betont, Braun habe sich bei seiner Aussage in Widersprüche verstrickt. Auch die taz (Lisa Schnell) und die SZ (Hans Holzhaider) im München-Teil schildern die Verhandlung.
StA Essen – Helge Achenbach: Das Handelsblatt (Susanne Schreiber/Matthias Thibaut) widmet sich im Wochenendteil der Affäre um den Kunstvermittler Helge Achenbach. Er soll Käufer mit überhöhten Provisionen und gefälschten Rechnungen um Millionenbeträge betrogen haben. Die Staatsanwaltschaft Essen ermittelt, Achenbach sitzt seit vier Wochen in Untersuchungshaft. Auch die SZ (Bernd Dörries/Alexander Gorkow) stellt den Fall auf ihrer Reportage-Seite vor.
Recht in der Welt
Israel – Menschenrechtsverletzungen: Der Generalsekretär des European Center for Constitutional and Human Rights, Wolfgang Kaleck, berichtet auf zeit.de von einem Treffen mit palästinensischen Menschenrechtsanwälten und erklärt, es sei besonders schwierig gegen Menschenrechtsverletzungen Israels vorzugehen.
Großbritannien – Vorratsdatenspeicherung: Die Regierungskoalition in Großbritannien will offenbar schon in der kommenden Woche im Eilverfahren ein neues Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung verabschieden. Kommunikationsanbieter sollen dann wieder Nutzerdaten zwölf Monate lang speichern. Der Europäische Gerichtshof hatte eine eintsprechende Richtlinie im April gekippt. Die Welt (Stefanie Bolzen) berichtet. netzpolitik.org (Kilian Vieth) erklärt, das Gesetz könne die Vorratsdatenspeicherung noch ausweiten – die Regierung bestreitet das allerdings.
USA – Strafen auch für deutsche Banken? Die SZ (Claus Hulverscheidt/Nikolaus Piper/Andrea Rexer) schildert das harte Vorgehen der US-Behörden gegen Banken. Zuletzt musste die französische BNP Paribas wegen Embargo-Verstößen fast neun Milliarden Dollar Strafe zahlen. Nun gehe auch unter deutschen Banken Angst um. Problematisch sei, dass die Fälle nie vor Gericht entschieden würden, sondern in der Regel mit Deals endeten.
Sonstiges
Recht auf Vergessen: In einem Gastbeitrag für die FAZ schreibt David Drummond, Chefjustiziar von Google, wie der Konzern das sogenannte Recht auf Vergessen umsetzen will, nachdem der Europäische Gerichtshof entschieden hat, dass bestimmte Ergebnisse auf Antrag der betroffenen Personen gelöscht werden müssen. Drummond wirbt um Verständnis dafür, dass das Verfahren noch nicht ausgereift sei und es so zuletzt auch dazu kommen konnte, dass etwa Presseartikel von öffentlichem Interesse nicht mehr angezeigt wurden.
Links im Internet: Durfte der Blog netzpolitik.de auf eine Liste der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien verweisen, die Hacker ins Internet gestellt hatten? Die Liste enthält die URLs von indizierten Webseiten, angeblich etwa mit kinderpornografischen Inhalten. Die Kommission für Jugendmedienschutz betrachtet das als "Zugänglichmachung von Kinderpornografie". Thomas Stadler (internet-law.de) kritisiert, der bloße Verweis auf die Liste sei nicht strafbar. spiegel.de gibt einen Überblick. Die Betreiber von netzpolitik.org haben den Verweis inzwischen vorsichtshalber von der Seite genommen.
Das Letzte zum Schluss
Finderlohn für Drohne: Wenn man eine viereinhalb Meter lange Unterwasserdrohne der Bundeswehr findet, prompt die Küstenwache alarmiert und der Marine ermöglicht ihr Gerät wieder einzusammeln – dann kann man doch wohl einen ordentlichen Finderlohn erwarten. So sieht das jedenfalls der Düsseldorfer Unternehmer Andreas Engel, der die Drohne am Strand der schleswig-holsteinischen Schlei entdeckt hatte und sich nun nicht mit den angeblich von der Bundeswehr angebotenen 900 Euro zufrieden geben will. Laut focus.de kündigten Engel und seine Anwältin an, notfalls vor Gericht zu gehen.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ak
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 11.Juli 2014: EuGH zu Sprachtests – Fischer über Abgeordnetenbestechung – Bild gewinnt vor EGMR . In: Legal Tribune Online, 11.07.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12534/ (abgerufen am: 16.05.2024 )
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