Schrecken bei den Krankenkassen: Das LSG Berlin-Brandenburg gibt dem Eilantrag eines Pharmakonzerns statt und stoppt die Verhandlungen über Arzneimittelpreise. Außerdem in der Presseschau: Arbeitsministerium bewegt sich bei den Ghettorenten, die Bundesanwaltschaft managt den NSU-Skandal und Gewaltopfer könnten mehr Schmerzensgeld bekommen. Zum Schluss: Neues vom Keks.
LSG Berlin-Brandenburg zu Arzneimittel-Preisefindung: Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hat die Preisfindung bei Arzneimitteln zunächst gestoppt. Das Gericht gab damit einem Eilantrag des Pharmakonzerns Novartis statt. Wie die Montags-FAZ (Andreas Mihm) berichtet, befürchten die Krankenkassen nun jahrelange Prozesse und Milliardeneinbußen durch die Verzögerung der Preisverhandlungen. Die Kassen seien davon ausgegangen, dass das Sozialgesetzbuch solche die Preisverhandlung aufschiebende Klagen untersagt. Das Gericht habe jedoch Zweifel geäußert, ob das auch für bereits eingeführte Medikamente gilt. Ob die Klage von Novartis für zulässig erklärt wird, wolle das Gericht in den nächsten Wochen entscheiden.
In einem gesonderten Kommentar schreibt Andreas Mihm (Montags-FAZ), die Unstimmigkeiten deuteten auf ein "schlampig formuliertes" Gesetz hin, nun sei der Gesetzgeber gefragt, seine Absichten klar zu stellen.
Weitere Themen – Rechtspolitik
Ghettorenten: Wie spiegel.de berichtet, will sich das Arbeitsministerium nun doch um Rentenzahlungen an ehemalige Ghettoarbeiter bemühen. Wegen der engen Auslegung des bestehenden Ghettorentengesetzes haben viele Betroffene bisher keine Zahlungen erhalten. Noch sei unklar, ob es um eine Gesetzesänderung oder um pauschale Entschädigungszahlungen gehen soll.
Gesetzentwurf – Referenzzinsen: EU-Binnenmarktskommissar Michel Barnier hat am Freitag einen Gesetzentwurf angekündigt, um Bankenreferenzzinssätze wie Libor und Euribor zu regeln. Das meldet die Samstags-Welt.
Gesetzentwurf – Abmahnrecht: Der Gesetzentwurf zu Abmahnungen wegen Urheberrechtsverstößen wurde nun doch nicht wie geplant vom Kabinett verabschiedet, weil die CDU Änderungen wünscht. Der Montags-Welt (Thorsten Jungholt/Claudia Ehrenstein) liegt eine von Kulturstaatsminister Bernd Neumann redigierte Fassung vor, die Regulierung würde damit an mehreren Stellen abgeschwächt.
Diskussion – V-Leute: Die Samstags-SZ (Hans Leyendecker/Tanjev Schultz) befasst sich mit der Rolle von V-Leuten des Verfassungsschutzes und möglichen Reformen im Zuge des NSU-Skandals.
Diskussion – Verjährung bei Plagiaten: Politiker und Wissenschaftler diskutieren über Verjährungsregeln für gefälschte Doktorarbeiten. Die Samstags-SZ (Roland Preuss) gibt einen Überblick über die Debatte.
Diskussion – Europa in 10 Jahren: verfassungsblog.de (Maximilian Steinbeis) setzt seine Reihe "Europe 2023 – An Educated Guess" mit einem Interview mit den Staatsrechtlern Christian Hillgruber und Josef Isensee fort. Beide sprechen sich dafür aus, Kompetenzen an die Mitgliedstaaten zurück zu geben und sehen den Binnenmarkt als "Kern" der Europäischen Union.
Rundfunkbeitrag: lto.de (Claudia Kornmeier) spricht mit dem Kommunikationsrechtler Hubertus Gersdorf über den neuen Rundfunkbeitrag. Gersdorf sieht diverse Auslegungsprobleme, etwa bei der Frage, was eine Betriebsstätte ist und spricht sich dafür aus, statt dessen eine Abgabe von jeder natürlichen und juristischen Person zu erheben.
Anwälte als Lobbyisten: Das Handelsblatt (H. Anger/ J. Keuchel/ T. Sigmund) berichtet über die Reaktionen auf die eigenen Recherchen zum Lobbyismus aus der Anwaltschaft. Demnach soll die Großkanzlei Hengeler Mueller über zwei Abgeordnete, beides ehemalige Anwälte, versucht haben, auf die Änderungen des Aktienrechts Einfluss zu nehmen, um die Interessen von Großaktionären durchzusetzen. Die Organisation Lobbycontrol kritisierte die Vermischung von Interessen, die SPD forderte mehr Transparenz darüber, welche externen Personen an Gesetzgebungsverfahren beteiligt werden.
Weitere Themen - Justiz
Bundesanwaltschaft und NSU-Aufarbeitung: Die Montags-taz (Christian Rath) befasst sich in drei Beiträgen mit der Rolle der Bundesanwaltschaft im Rahmen der Ermittlungen gegen den Nationalsozialistischen Untergrund. Dabei geht es zum einen um Forderungen, wonach die Bundesanwaltschaft weitergehende Kompetenzen erhalten sollte (hier), zum anderen um die Frage, ob rassistische Gewalt dort eher erkannt worden wäre (hier). Schließlich attestiert Rath dem Generalbundesanwalt Harald Range ein gutes Krisenmanagment (hier).
EuGH – Akteneinsicht in Kartellverfahren: Der Rechtsanwalt Thomas Kapp befasst sich auf dem Handelsblatt Rechtsboard mit einem Vorlageverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof zur Akteneinsicht in Kartellverfahren. Demnach argumentierte der Generalanwalt in seinem Schlussantrag, eine österreichische Regelung, wonach Kartellgeschädigte grundsätzlich keine Akteneinsicht verlangen können, verstoße gegen den unionsrechtlichen Effiktivitätsgrundsatz.
Trendwende bei Schmerzensgeld: Nachdem das Landgericht Wuppertal einer Frau nach einer Vergewaltigung 100.000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen hatte, geht der Spiegel (Thomas Darnstädt) von einer Trendwende für die Entschädigung von Verbrechen aus. Während Schmerzensgelder in Deutschland bisher sehr niedrig ausfielen, könnten nun andere Gerichte dem Wuppertaler Urteil folgen.
Klagen gegen Libor-Zins-Manipulation: Die FAS (Christian Siedenbiedel) schildert detailliert die Manipulationen des Libor-Zinses und erklärt, inwiefern geschädigte Bankkunden klagen könnten. Der bekannteste deutsche Fall betrifft die Deutsche Bank, hier ermittelt die Bankenaufsicht.
Ermittlungen gegen Islamisten: Der Focus (Josef Hufelschulte/Axel Splicker) berichtet über Ermittlungsdetails im Fall des deutschen Islamisten Emrah Erdogan, der offenbar mit einem Fehlalarm die erhöhte Terrorwarnstufe auslöste. Die Bundesanwaltschaft klage Erdogan auch wegen gemeinschaftlichen Totschlags an, weil er bei Vergeltungsaktionen von al-Qaida Soldaten in Pakistan getötet haben soll.
Ermittlungen gegen Gysi: Die Hamburger Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Spitzenkandidaten der Linken, Gregor Gysi, wegen des Verdachts einer falschen eidesstattliche Versicherung. Gysi hatte sich 2011 juristisch gegen eine NDR-Dokumentation gewehrt, die ihm Kontakte zur DDR-Staatssicherheit vorwarf und erklärte in diesem Zusammenhang, er habe nie "wissentlich oder willentlich an die Staatssicherheit berichtet". Es berichten unter anderem Die Welt am Sonntag (Sven Felix Kellerhoff/Uwe Müller), die Montags-SZ (Daniel Brössler) und spiegel.de (Björn Hengst).
Weitere Themen – Recht in der Welt
Großbritannien – Missbrauchsprozess: In Großbritannien wird über den Umgang der Justiz mit Opfern von sexuellem Missbrauch diskutiert. Auslöser der Debatte ist ein Prozess um einen bekannten Chorleiter und Musiklehrer, der wegen mehrfacher sexueller Nötigung einer damals 14 bzw. 15 Jahre alten Schülerin verurteilt wurde. Die mittlerweile 48-jährige Frau beging Selbstmord, nachdem sie bei ihrer Zeugenaussage vor Gericht von der Verteidigerin scharf angegriffen wurde. spiegel.de berichtet.
USA – Haftstrafen für Amischen: Ein Gericht in Cleveland hat nun die Höhe der Haftstrafen für 16 Mitglieder einer Amisch-Gruppe festgelegt, die anderen Amischen gewaltsam die Bärte und Haare geschoren hatten. Wie spiegel.de (Frank Patalong) berichtet, sah das Gericht darin religiöse Hassverbrechen mit Körperverletzung. Der Anführer der Gruppe, Samuel Mullet, erhielt eine Haftstrafe von 15 Jahren, die übrigen Mitglieder Haftstrafen zwischen einem und sieben Jahren.
China – Proteste nach Todesstrafe: In China fordern Bürgerinitiativen und Juristen, die Justiz müsse sich mit dem Problem häuslicher Gewalt befassen. Zuvor war eine Frau zur Todesstrafe verurteilt worden, die ihren Mann offenbar in Notwehr erschlagen hatte. Das Urteil wurde noch nicht vollstreckt, die Anwältin der Frau hofft, dass es in eine Haftstrafe umgewandelt wird. Die Samstags-Welt (Johnny Erling) berichtet.
Ungarn – Verfassungsnovelle: spiegel.de berichtet über die Pläne des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán, die Kompetenzen des Verfassungsgerichts massiv einzuschränken.
Sonstiges
Drohneneinsätze: Die Samstags-SZ (Wolfgang Janisch) erläutert, welche Rechtsfragen Drohneneinsätze aufwerfen. Entscheidend sei vor allem, ob sich der Angriff mit Drohnen gegen einen Kombattanten im Sinne des Völkerrechts wendet. Josef Joffe kritisiert in einem Gastkommentar für das Handelsblatt, solche Unterscheidungen seien antiquiert. Der Krieg gegen den Terror mache Drohneneinsätze notwendig. "Wer hier Recht und Gesetz einfordert, ehrt zwar die Verfassung, macht sich aber zum wehrlosen Opfer."
Kriminalpolitik: In einem Gastbeitrag für die Montags-taz spricht sich Thomas Galli für eine Kriminalpolitik aus, welche die Opfer von Gewalttaten stärker berücksichtigt. Galli ist Jurist, Psychologe und Abteilungsleiter in der Justizvollzugsanstalt Straubing.
Kindeswohl: Die Montags-SZ (Ulrike Heidenreich) führt ein Interview mit dem Rechtspsychologen Heinz Kindler über das Kindeswohl bei Sorgerechtsentscheidungen.
Fahren ohne Fahrschein: Warum die Berliner Verkehrsbetriebe gelegentliches Fahren ohne Fahrschein nicht juristisch verfolgen, erklärt die Samstags-taz (Sebastian Heiser) im Berlin-Teil. Eine zivilrechtliche Klage lohne sich nicht, eine Strafanzeige werde erst gestellt, wenn Fahrgäste innerhalb von zwei Jahren dreimal ohne Fahrschein angetroffen werden.
Das Letzte zum Schluss
Verwicklungen im Keks-Krimi: Der Fall um den gestohlenen und zurück gebrachten goldenen Bahlsen-Keks wird immer bizarrer. Während die Polizei noch nach dem Krümelmonster sucht, das wiederholt Kekse mit Schokoladenüberzug fordert, hat eine PR-Agentur dem mutmaßlichen Keks-Erpresser ein Jobangebot gemacht. In voller Länge berichtet die FR.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ak
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 9. bis 11. Februar 2013: Stopp für Arzneimittel-Preisfindung – Bewegung bei Ghettorenten - Wende beim Schmerzensgeld . In: Legal Tribune Online, 11.02.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8132/ (abgerufen am: 06.05.2024 )
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