Eine bayerische Abstandsregelung für Windräder ist verfassungsgemäß. Außerdem in der Presseschau: BAG zu Zigarettenrauch am Arbeitsplatz, Gelassenheit gegenüber "Scharia-Polizisten" und Sieg für Facebook in China.
Thema des Tages
BayVerfGH zu Windrädern: Ein bayerisches Abstandsgesetz sieht vor, dass Windräder nur dann errichtet werden dürfen, wenn ihr Abstand zur nächsten Wohnsiedlung das Zehnfache der jeweiligen Anlagenhöhe beträgt. Diese sogenannte 10-H-Regelung verstößt nach einem Urteil des bayerischen Verfassungsgerichtshofes nicht gegen die Verfassung des Freistaates. Der habe vielmehr den ihm im Baugesetzbuch eingeräumten rechtlichen Spielraum ausgenutzt, gibt die SZ (Christian Sebald) das Urteil wieder. Die Betreiber der Anlagen hätten dagegen keinen Anspruch auf deren rentabelsten technischen Standard. Geklagt hatten die Oppositionsparteien des Landtags. Sie befürchten, dass die Regelung den Bau neuer Anlagen praktisch unmöglich mache. Auch die taz (Bernward Janzing) berichtet zur Entscheidung.
Nach dem Kommentar von Christian Sebald (SZ) ist nach dem Urteil der "Ausbau der Windkraft in Bayern faktisch beendet". Trotz anderslautender Behauptungen stehe Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) bei den erneuerbaren Energien "inzwischen ohne Konzept dar".
Rechtspolitik
Korruption im Gesundheitswesen: Mitte April verabschiedete der Bundestag einen Gesetzentwurf, durch den Korruption im Gesundheitswesen strafrechtlich sanktioniert wird. Die Befassung des Bundesrats steht zwar noch aus, allgemein werde jedoch von einem Inkrafttreten bereits im Juni ausgegangen, schreiben die Anwälte Oliver Kraft und Julia Lange auf lto.de. Der Beitrag befasst sich ausführlich mit der Vorgeschichte und Inhalt der Neuregelung und prognostiziert eine profunde Veränderung des Gesundheitsmarktes.
CETA: Petra Pinzler (zeit.de) erinnert in einer Kolumne an die am kommenden Freitag anstehende Beratung der EU-Kommission und Mitgliedsstaaten über die "möglichst geräuschlose" Verabschiedung des Freihandelsabkommens CETA. Gleich dem US-amerikanischen Pendant TTIP sehe das Abkommen besondere Klagerechte für Investoren vor.
Väterrechte: Rechtsprofessor Martin Löhnig vertritt in einem taz-Gastbeitrag die Ansicht, dass die Europarats-Resolution zu Väterrechten, nach der ein "Wechselmodell die Regel nach einer Trennung sein sollte" realitätsfremd sei. Das Modell setze "kommunikationsfähige und kooperative Eltern" voraus und entspreche auch nicht automatisch dem Wohl betroffener Kinder.
Leiharbeit: Rechtsanwalt Jobst-Hubertus Bauer kritisiert in einem Gastbeitrag für das Hbl den aktuellen Entwurf zur Reform der Leiharbeit wegen des vorgesehenen Streikbrecherverbots. Mitnichten würde die Position von Leiharbeitnehmern gestärkt, vielmehr deren grundrechtliche Berufsausübungsfreiheit beschnitten. Das an die Entleiher gerichtete Verbot eines Einsatzes von Leiharbeitern dagegen verletze die Koalitionsbetätigungs- und Arbeitskampfmittelfreiheit.
Justiz
BVerfG zu Oppositionsrechten: Rechtsprofessorin Pascale Cancik befasst sich auf verfassungsblog.de mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu – verneinten – besonderen Verfahrensrechten von Oppositionsfraktionen im Bundestag aus der letzten Woche. Das Gericht habe mit seiner Betonung "heroischer Abgeordneter" im Sinne überkommener Liberalismus-Vorstellungen die notwendige "Diskussion um die Konkretisierung des Prinzips effektiver Opposition durch tatsächlich effektive Instrumente" erschwert.
BGH zu Lebensversicherungen: Nach Bericht der SZ (Friederike Krieger) verweigern zahlreiche Lebensversicherer Kunden trotz eines Urteils des Bundesgerichtshofes vom Mai 2014 die Rückabwicklung von Verträgen wegen unwirksamer Widerrufsbelehrung. Die Unternehmen bedienten sich hierbei "fragwürdiger juristischer Methoden". Sie verwiesen etwa auf eine zwischenzeitlich erhobene, mittlerweile aber zurückgezogene Verfassungsbeschwerde der Allianz.
BAG – Rauch am Arbeitsplatz: Das Bundesarbeitsgericht urteilt am heutigen Dienstag über die Klage eines Croupiers, der sich gegen den Einsatz in separaten Raucherlounges der Spielbank Bad Homburg zur Wehr setzt. Der Kläger unterlag in den unteren Instanzen, schreibt die SZ (Wolfgang Janisch). Das BAG müsse nun entscheiden, ob Zigarettenrauch zum betriebstypischen Ambiente seines Arbeitsplatzes gehört.
OLG München – OSS: Im Verfahren gegen Mitglieder der mutmaßlich rechtsterroristischen "Old School Society" vor dem Oberlandesgericht München ließen sich zwei der Angeklagten zu ihren persönlichen Verhältnissen ein. Nach dem Bericht von spiegel.de (Wiebke Ramm) könnten großspurige Erklärungen des vermeintlichen Präsidenten der "OSS" durchaus Teil einer Verteidigungsstrategie, ihn als Schwätzer darzustellen, sein.
OLG Düsseldorf zu "Scharia-Polizei": Jost Müller-Neuhof (Tsp) plädiert in einem Kommentar zu der vom Oberlandesgericht Düsseldorf in der vergangenen Woche zugelassenen Anklage gegen selbsternannte "Scharia-Polizisten" für mehr Gelassenheit. Zwar werfe der Fall diskussionswürdige rechtliche Probleme auf. Denn stehe das versammlungsrechtliche Uniformverbot in einem Spannungsverhältnis zu den Grundrechten der Meinungs- und hier wohl auch der Religionsfreiheit. Es sei aber fraglich, ob die von den Betroffenen verwendeten Signalwesten und ihre mutmaßlichen Warnungen vor Alkohol dem historischen Vorbild der Strafnorm – Aufmärsche der SA – entpreche.
OLG Frankfurt zu Terrorismus: Vom Oberlandesgericht Frankfurt/M. ist ein 29-jähriger Rüsselsheimer wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Der Mann war nach Feststellung des Gerichts in Syrien für die sogenannte Al-Nusra-Front tätig. Die FAZ (Denise Peikert, erweiterte Online-Fassung) berichtet.
LG Berlin zu Filesharing: internet-law.de (Thomas Stadler) macht auf ein Urteil des Landgerichts Berlin vom März aufmerksam, durch das eine Anschlussinhaberin zu Schadensersatz wegen einer Urheberrechtsverletzung verurteilt wurde. Die Beklagte habe nach Ansicht des LG die sie treffende Nachforschungspflicht nicht erfüllt, weil sie sich mit einer bloßen Nachfrage zur Rechtsverletzung bei im Haushalt lebenden Familienmitgliedern begnügte. Dies bewirke eine Umkehrung der sekundären Darlegungslast in eine Beweislastumkehr. Für diese "nicht nur gänzlich inkonsistente, sondern geradezu kafkaeske" Rechtsprechung sei der Bundesgerichtshof mit seinem "Verzicht auf eine saubere Dogmatik zugunsten eines Herumlavierens im Einzelfall" verantwortlich.
LG München I zu Heino Ferch: Auch in der Berufungsinstanz vor dem Landgericht München I ist ein Amateurfussballer wegen Körperverletzung zu Lasten des Schauspielers Heino Ferch verurteilt worden. Neben einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen müsse sich der Verurteilte wegen der Oktoberfest-Schlägerei auch noch auf weit höhere Regressforderungen einer Versicherung wegen eines Produktionsausfalls einstellen, schreibt die SZ (Christian Rost).
LG Köln – Erdogan/Döpfner: Vor dem Landgericht Köln hat der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan eine einstweilige Verfügung gegen den Springer-Vorstandschef Matthias Döpfner beantragt, meldet lto.de. Döpfner hatte sich in einem Beitrag für die WamS das "Schmähgedicht" Jan Böhmermanns "in jeder juristischen Form zu eigen" gemacht.
VG Berlin – Bundestagsausweis: Nach Bericht des Tsp (Jost Müller-Neuhof) ist im Streit des NPD-Funktionärs Uwe Meenen mit der Bundestagsverwaltung über die Erteilung eines Hausausweises für das Parlament ein beim Verwaltungsgericht Berlin angesetzter Verhandlungstermin kurzfristig abgesagt worden. Der vorbestrafte Neonazi ist beim NPD-Europarlamentarier Udo Voigt tätig und hätte deshalb wohl einen Anspruch auf den Ausweis. Dieser wurde ihm bislang wegen Unzuverlässigkeit versagt.
VG Köln – Vorratsdatenspeicherung: Die SZ (Guido Bohsem) stellt Sebastian von Bomhard vor. Der Internetunternehmer klagt vor dem Verwaltungsgericht Köln gegen die Ende letzten Jahres vom Bundestag beschlossene Vorratsdatenspeicherung mit dem letztlichen Ziel einer Klärung durch den Europäischen Gerichtshof. Er mache geltend, auf Grundlage des Gesetzes, aber entgegen den vom Bundesverfassungsgericht 2010 aufgestellten Grundsätzen auch bei Ermittlungen wegen kleinerer und mittlerer Kriminalität von Ermittlern zur Herausgabe von Kundendaten aufgefordert zu werden.
GStA Frankfurt – Cum-Ex/Commerzbank: sz.de (Klaus Ott) berichtet zu Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt/M. wegen Steuerhinterziehung durch sogenannte Cum-Ex-Geschäfte bei der Commerzbank. Ein weiterer Beitrag der SZ (Klaus Ott) befasst sich mit den Ermittlungen der diesbezüglichen Schwerpunktstaatsanwaltschaften, als deren Zentrum Köln anzusehen sei. Die Anzahl der Verfahren erkläre sich aus der im vergangenen Herbst von nordrhein-westfälischen Ermittlern gekauften Daten-CD.
Recht in der Welt
CAS – Michel Platini: Der internationale Sportgerichtshof CAS hat die von der Ethikkommission des Weltverbandes FIFA verhängte Sperre des Präsidenten des europäischen Verbandes UEFA, Michel Platini, bestätigt, ihre Dauer jedoch auf vier Jahre beschränkt. Im unmittelbaren Anschluss erklärte der frühere Fußballstar seinen Amtsrücktritt. SZ (Johannes Aumüller) und Welt (Tim Röhn) berichten.
Großbritannien – Passwort-Herausgabe: spiegel.de (Fabian Reinbold) berichtet über den verwickelten Fall des britischen Hackers Lauri Love. Vergleichbar zu den jüngsten Versuchen des US-amerikanischen FBI, Apple zu der Entsperrung eines Mobiltelefons zu zwingen, versuche die britische National Crime Agency, Love per richterlicher Anordnung zur Preisgabe von Passwörtern für beschlagnahmte Geräte zu zwingen. Dem Hacker drohe zudem die Auslieferung in die USA, wo er bereits wegen Verbreitung interner Regierungsdaten angeklagte sei.
USA – Transgender: Der Streit über ein umstrittenes Gesetz des US-Bundesstaats North Carolina, nach dem die Benutzung öffentlicher Toiletten dem in der Geburtsurkunde vermerkten Geschlecht Betroffener entsprechen müsse, findet nach Meldung von zeit.de eine gerichtliche Fortsetzung. Statt der vom Bundesjustizministerium des Landes geforderten Erklärung, von der Regelung Abstand zu nehmen, habe der Gouverneur North Carolina nun seinerseits das Justizministerium vor einem Bundesgericht verklagt.
Sonstiges
Verweigerter Handschlag und Diskriminierung: In jüngster Zeit wurden in Europa und Deutschland mehrere Fälle publik, in denen Muslime aus religiösen Gründen Handschläge des anderen Geschlechts verweigerten. Rechtsprofessor Manfred Löwisch (Handelsblatt-Rechtsboard) untersucht, inwiefern die Geste im Arbeitsleben mit den Bestimmungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes im Einklang zu bringen ist.
NRW-U-Ausschuss Silvesterübergriffe: In seiner Vernehmung vor dem nordrhein-westfälischen Untersuchungsausschuss zu den Kölner Silvesterübergriffen hat Innenminister Ralf Jäger (SPD) den Vorwurf einer Vertuschung zurückgewiesen. Die Massivität der Übergriffe habe sich nicht sofort erschlossen, zitiert spiegel.de (Jörg Diehl) den Minister.
Walther Leisler Kiep: Der Nachruf von zeit.de (Theo Sommer) auf den am gestrigen Montag verstorbenen früheren CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep erinnert auch an dessen Beteiligung an der CDU-Spendenaffäre. Seine Redlichkeit habe Kiep bewiesen, in dem er die 1981 vom Bundesverfassungsgericht beendete, bis dato gängige Parteispendenpraxis durch ein von ihm angestrengtes Normenkontrollverfahren zu Fall gebracht habe.
Arbeitsrecht: Die Welt erläutert anhand zahlreicher Beispiele, welche privaten Tätigkeiten auf der Arbeit zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen bis hin zur Kündigung führen können.
Das Letzte zum Schluss
face book-Chips: Das soziale Netzwerk Facebook ist in China blockiert. Trotzdem darf ein Unternehmen die von ihm hergestellten Kartoffelchips nicht unter der Marke "face book" verkaufen, meldet spiegel.de. Das Registrieren bekannter Marken verstoße gegen den "normalen Markeneintragungsvorgang", so das Gericht.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 10. Mai 2016: Windräder in Bayern / Rauch in Spielbank / "Scharia-Polizisten" in Wuppertal . In: Legal Tribune Online, 10.05.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19275/ (abgerufen am: 18.05.2024 )
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