Post muss auch auf Bitte nicht immer "nur an den Anwalt". Außerdem in der Presseschau: belastende Verpflichtungserklärungen, Schiedsverfahren zugunsten der Großen, Vertragsverletzungsverfahren wegen Maut und der Zweikampf "Mensch gegen Glastür".
Thema des Tages
OLG Celle zu "Post nur an den Anwalt": Auch nach der Bitte Bettina Wulffs, nur über ihren Anwalt kontaktiert zu werden, durfte der Bauer Verlag sich nach einer Abmahnung direkt an sie wenden, entschied das Oberlandesgericht Celle laut lawblog.de (Udo Vetter) und lto.de. Zwar könne die direkte Kontaktaufnahme entgegen ausdrücklichem Wunsch das allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzen, die einmalige Kontaktaufnahme mit sachlichem Brief, um ein Einigungsgespräch anzuregen, genüge dafür jedoch nicht. Das Öffnen und kurze Anlesen des Briefes beeinträchtige das allgemeine Persönlichkeitsrecht nur gering und werde vom berechtigten Interesse der Gegenpartei an einer Kontaktaufnahme zur gütlichen Einigung überwogen.
Rechtspolitik
Flüchtlinge/Verpflichtungserklärung: Die Bundesländer – außer Bayern – gewähren Syrern das Recht, nahe Verwandte nach Deutschland zu holen, wenn sie für ihren Unterhalt sorgen können – auch mit Hilfe Dritter. Diese Zahlungsverpflichtung dauert nach erfolgreichem Asylantrag fort, was Länderpolitiker und Flüchtlingshelfern laut Spiegel (Maximilian Popp/Andreas Wassermann) kritisieren. Die langfristige Verpflichtung mit unüberschaubaren Risiken schrecke Helfer ab.
Homo-Ehe: spiegel.de (Dietmar Hipp) befasst sich mit der Frage, ob für die Öffnung der Ehe für alle eine Verfassungsänderung erforderlich ist. Bisher habe das Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungen daran festgehalten, die Verschiedengeschlechtlichkeit der Ehepartner sei Teil des verfassungsrechtlichen Ehebegriffs. Eine Öffnung der Ehe ohne Verfassungsänderung könne also am BVerfG scheitern.
Doping-Gesetzentwurf: Laut Focus (the) soll der Gesetzentwurf zum Doping nachgebessert werden. Das Selbstdoping soll danach zwar bestraft werden, nach bisheriger Formulierung müsse das Mittel aber in Deutschland oder einem Land mit ähnlicher Strafvorschrift eingenommen werden, was schwer nachweisbar sein wird.
Schiedsverfahren: Nach einer Studie des kanadischen Rechtsprofessors Gus van Harten über die bis zum Frühjahr 2014 veröffentlichten Schiedsverfahren, profitieren von diesen vornehmlich internationale Großkonzerne mit über zehn Milliarden Dollar Jahresumsatz. Die Studie sei jedoch lediglich skizzenhaft, da keine Veröffentlichungspflicht für die Entscheidungen besteht, berichtet die Montags-FAZ (maxw).
Datenschutz: Bei immer mehr vernetzten Geräten, die Berge an Daten sammeln, wird die Frage, wem die Daten zustehen, unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Beschränkungen, immer drängender. Die Samstags-FAZ (Carsten Knop) mahnt zur Eile beim Regeln dieser Frage, bevor der Markt Gesetzmäßigkeiten schaffe, die sich nicht oder nur schwer ändern ließen.
Vorratsdatenspeicherung: Die SPD-Parteispitze hat ein Papier zur Verteidigung der Vorratsdatenspeicherung gegen parteiinterne Kritik herausgegeben, dessen Argumentation netzpolitik.org (Andre Meister) angreift.
Heribert Prantl (Samstags-SZ) spricht sich gegen die aus Reihen der SPD vorgeschlagene Befristung des Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung aus. An einer Grundrechtswidrigkeit ändere auch eine Befristung nichts und die Vergangenheit zeige, dass meist doch eine Dauerlösung daraus werde.
Justiz
BVerfG zu Vertrauensschutz bei rückwirkenden Urteilen: Dass das Bundesarbeitsgericht 2012 durch Urteil die Tarifunfähigkeit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGPZ) feststellte – rückwirkend bis 2003 –, verstößt nicht gegen den rechtsstaatlichen Vertrauensgrundsatz, wie das Bundesverfassungsgericht mit am Freitag veröffentlichtem Beschluss entschied. Der Grundsatz gelte für Urteile nur bei Änderung gefestigter Rechtsprechung, hier sei jedoch die Rechtslage bekanntermaßen ungewiss gewesen. Es berichtet lto.de.
BVerwG zu Fahrtenbuchauflage: Der Verkehrsrechtler Adolf Rebler schreibt auf lto.de über die Voraussetzungen der Präventivmaßnahme Fahrtenbuchauflage nach § 31a Straßenverkehrs-Zulassungsordnung. Anlass ist eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom vergangenen Donnerstag. Danach darf die Auflage bei saisonal angemeldeten Fahrzeugen länger angeordnet werden, um so die sonst übliche Dauer der Fahrzeitüberwachung zu erreichen.
StA Göttingen – Einstellung gegen Lüttig: Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur soll das Ermittlungsverfahren gegen den Celler Generalstaatsanwalt Frank Lüttig wegen mutmaßlicher Weitergabe von Dienstgeheimnissen in den Fällen Wulff und Edathy eingestellt werden, meldet die Montags-FAZ (bin).
StA München I – Augustinum: Der Altenheim-Betreiber Augustinum soll laut Samstags-SZ (Bernd Kastner/Klaus Ott) zu bilanziellen Zwecken einer Firma Darlehen gegeben haben, die davon mehrere Augustinum-Immobilien kaufte und zurückvermietete. Die Personen, die den Deal auf beiden Seiten einfädelten, sollen sich daran bereichert haben und der Kaufpreis viel zu niedrig sein, weshalb die Staatsanwaltschaft München I seit einem knappen Jahr ermittelt. Über den "Immobilienskandal" schreibt auch die FAS (Inge Kloepfer).
LG Darmstadt – Tugce-Prozess: Die Verteidigung des Angeklagten Sanel M. hat einen Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter gestellt. Er habe den Inhalt eines Videos der Tat, in einer Stellungnahme an das Oberlandesgericht zur laufenden Haftbeschwerde des Angeklagten, verzerrt dargestellt. Bis zum 12. Juni soll über den Antrag entschieden werden, melden die Samstags-FAZ (Timo Frasch) und spiegel.de (Wiebke Ramm).
GBA – Beobachtungvorgang zu Drohnen: Signale für US-Drohnen zur gezielten Tötung von Terroristen werden wohl über Ramstein geleitet. Der Generalbundesanwalt hat dazu nun einen sogenannten Beobachtungsvorgang eingeleitet, hinsichtlich etwaiger Verstöße gegen das Völkerstrafrecht. Für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens werde derzeit jedoch keine Grundlage gesehen, berichtet der Spiegel (Matthias Gebauer/Sven Röbel).
LG Leipzig – Chlorephedrin: Die Ermittlungsbehörden hatten im vergangenen Herbst 2,9 Tonnen des legal handelbaren Stoffs Chlorephedrin sichergestellt und so den mutmaßlichen Weiterverkauf und die Verarbeitung zu 2,3 Tonnen Chrystal Meth verhindert. Die Staatsanwaltschaft hat wegen Beihilfe zum unerlaubten bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln Anklage erhoben. Ob das Verfahren eröffnet wird, ist jedoch fraglich, da Billigung fremder Betäubungsmitteldelikte ebenso wenig strafbar ist, wie versuchte Beihilfe. Darauf habe das Landgericht Leipzig die Verfahrensbeteiligten laut Spiegel (Steffen Winter) hingewiesen. Auch die Entscheidung des Oberlandesgerichts über die Aufrechterhaltung der Haftbefehle werde in den kommenden Tagen erwartet.
StA-Neuruppin – Flughafen BER: Im Verfahren um die Korruptionsvorwürfe beim Bau des Berliner Flughafens sitzt ein frühere Bereichsleiter des Flughafens wegen Flucht- und Verdunklungsgefahr in Untersuchungshaft. Mitarbeiter der Firma Imtech gegen die ebenfalls ermittelt wird, befinden sich mangels Fluchtgefahr weiterhin auf freiem Fuß, meldet die Montags-FAZ.
LG Lüneburg – Auschwitz-Prozess: Die FAS (Alexander Haneke) schreibt über den Lüneburger Auschwitzprozess, der vor allem auch eine Auseinandersetzung der deutschen Justiz mit sich selbst und der verschleppten Aufarbeitung sei.
LG Köln – Sal. Oppenheim: Die Montags-FAZ (Christine Scharrenbroch) fasst den Stand des Prozesses um das Bankhaus Sal. Oppenheim und die Vorwürfe zusammen. Die Staatsanwaltschaft fordert Haftstrafen zwischen zwei Jahren und acht Monaten und drei Jahren und sechs Monaten für die frühere Führungsriege der Bank. Für den Immobilienentwickler Esch wird es wohl bei einer Geldstrafe bleiben.
Recht in der Welt
Schweiz – Korruptionsstrafrecht: Vor dem Hintergrund der Fifa-Korruptionsaffäre will die Schweizer Regierung das Korruptionsstrafrecht derart ändern, dass auch Korruption durch Vereine ein von Amts wegen zu verfolgender allgemeiner Straftatbestand wird, schreibt die Samstags-FAZ (Johannes Ritter).
Belgien – BND-Untersuchung: Der Belgische Telekommunikationsminister Alexander De Croo hat, laut spiegel.de und zeit.de, wegen möglicher Grundrechtsverletzungen wissenschaftliche Untersuchungen über Ausspähungen belgischer Telekommunikation durch den Bundesnachrichtendienst in Auftrag gegeben.
Sonstiges
Vertragsverletzungsverfahren/Maut: Laut Informationen der Samstags-Welt (Christoph B. Schiltz/Andre Tauber) wird die EU-Kommission, sobald das Maut-Gesetz unterzeichnet und veröffentlicht ist, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik einleiten.
Neues Recht im Juni: Die Montags-Welt (Stephan Maass) fasst die ab Juni geltenden rechtlichen Regelungen zusammen, vom Bestellerprinzip bei Maklerkosten über die Mietpreisbremse, neue Kennzeichnungspflichten bei Gefahrstoffen und Änderungen der Betriebssicherheitsverordnung bis zur Befristung des Widerrufsrecht von Verbrauchern auch ohne Widerrufsbelehrung.
Polizeigewalt: Vor dem Hintergrund der mutmaßlichen Vorfälle in Hannover schreibt die Samstag-SZ (Thomas Hahn/Philipp Schulte) über mögliche Strategien gegen Polizeigewalt und für effektive Straftataufklärung auch gegenüber Polizisten, so etwa die Kennzeichnungspflicht, interne oder externe Polizeibeauftragte und eine Kronzeugenregelung. Experten regen auch bessere Ausbildung in sozialen und interkulturellen Kompetenzen an, die Gewerkschaft der Polizei hält bestehende Strukturen für ausreichend.
DDR-Unrechtsstaat: Der Rechtsprofessor und Rechtsanwalt Rupert Scholz antwortet in der Montags-FAZ auf zwei Beiträge, die das Verdikt Unrechtsstaat für die DDR aus seiner Sicht fälschlicher Weise relativierten. Maßgeblich sei die fehlende verfassungsrechtliche Absicherung rechtsstaatlicher Prinzipien und der Grundrechte, das Bestehen sonstigen Rechts ändere daran nichts, da es nur unter dem Vorbehalt der Übereinstimmung mit der Staatsideologie gegolten habe. Die angebliche Diskreditierung der Bürger des Unrechtsstaates könne kein Argument gegen das Verdikt sein, da "Opfer eines Unterdrückungssystems keine Entlastungszeugen für dieses System" seien.
Großkanzlei-Fusion?: Wie das Handelsblatt (Martin Tofern) schreibt, sucht die weltgrößte Rechtsanwaltskanzlei, Dentons, nach einer deutschen Kanzlei für einen Zusammenschluss. Kanzleichefs Andrews sehe in der Masse die Macht für jeden Mandanten den richtigen Anwalt bieten zu können und die Rechtsanwaltskanzlei der Zukunft als Problemlösungskonzern.
Cannabis Pilotprojekt: Die FAS (Corinna Budras) schreibt über das im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg geplante Pilotprojekt zur legalen Abgabe von Cannabis. Im Bezirksamt werde derzeit an dem Antrag beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte geschrieben.
Sonderermittler im NSA-UA: Wie der Spiegel (Horand Knaup u.a. – Spiegel Online-Kurzmeldung) berichtet, will die Bundesregierung den Sonderermittler zur Einsichtnahme in die Selektorenliste der NSA auch ohne die Opposition einsetzen und sich der für diesen Fall angekündigten Klage vor dem Bundesverfassungsgericht stellen.
Michael Stolleis: Anlässlich seiner Aufnahme in den Orden Pour le mérite am Sonntag, stellt die Samstags-FAZ (emm) den Rechtsprofessor und Romanautor Michael Stolleis und seine aktuellen Projekte kurz vor.
Elternrechte im Kita-Streik: Professor der Verwaltungslehre Janbernd Oebbecke spricht im Interview mit zeit.de (Marlies Uken) über Rechte und Handlungsmöglichkeiten der Eltern hinsichtlich des Kita-Streiks.
Das Letzte zum Schluss
Dual-Use-Tür: Äußerst hilfreich war die Glastür einer Drogerie in New York, die nicht nur Wind und Wetter fern hielt, sondern auch eine Ladendiebin stoppte, wie bild.de meldet. Verhältnismäßiges Eingreifen muss der Tür noch beigebracht werden, die Frau erlitt eine Platzwunde am Kopf.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/krü
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 30. Mai – 1. Juni 2015: Post an Wulff erlaubt – neues Recht im Juni – Tür stoppt Diebin . In: Legal Tribune Online, 01.06.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15696/ (abgerufen am: 19.05.2024 )
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