Das EU-Parlament will Schockbilder auf Zigarettenpackungen sehen. Die Reform wird von heißen Diskussionen und massivem Lobbying begleitet. Außerdem in der Presseschau: BVerfG verhandelt über Filmförderung, Piraten klagen gegen Drei-Prozent-Hürde, BGH zu Erbschein bei Bankgeschäft und was Teeparties in Japan mit Prostitutionsförderung zu tun haben.
Thema des Tages
Schockbilder auf Zigarettenpackungen: Das EU-Parlament hat der Einführung von Schockbildern auf Zigarettenpackungen zugestimmt. Dabei hätten die Abgeordneten den Vorschlag der EU-Kommission zur Änderung der Tabakproduktrichtlinie aber stark abgeschwächt und weitere geplante Verschärfungen gestrichen, berichtet die SZ (Cerstin Gammelin). Die FAZ (Hendrik Kafsack/cmu.) spricht dagegen nur von einer leichten Abschwächung. Auch das Handelsblatt (Thomas Ludwig) beschäftigt sich mit dem Thema und schildert dabei auch die intensive Lobbyarbeit und vergiftete Diskussionsatmosphäre im EU-Parlament. spiegel.de (Claus Hecking) weist darauf hin, dass der Richtlinienentwurf wohl auch Schokoladenzigaretten als Tabakimitate verbietet.
Ludwig Greven (zeit.de) begrüßt den Entschluss trotz der umstrittenen Wirkung von Schockbildern: "Alles, was auch nur ansatzweise vor allem Jugendliche davon abhalten kann, mit dem Rauchen anzufangen, ist zu begrüßen." Hendrik Kafsack (FAZ) meint dagegen, das EU-Parlament schränke "die unternehmerische Freiheit der Konzerne schwerwiegend ein" und verabschiede "sich endgültig von der Idee des mündigen Bürgers". Auch Thomas Müller (Handelsblatt) meint, die Regelungen schössen "über Gesundheitsaspekte hinaus und verletzen Marken- und Eigentumsrechte."
Rechtspolitik
Anti-Doping-Gesetz: Die SZ (Christopher Keil) dokumentiert die Diskussion um die Einführung eines Anti-Doping-Gesetzes sowie die damit verbundenen rechtlichen Herausforderungen. Noch in dieser Woche solle der Bericht einer Expertenanhörung des Bundesinnenministeriums veröffentlicht werden.
Telekommunikations-Regulierung: Die Rechtsanwältin Caroline Heinickel setzt sich auf der "Recht und Steuern"-Seite der FAZ mit dem Vorschlag der EU-Kommission zur Reform der Regulierung des Telekommunikationsmarktes auseinander. Dabei vermisst sie hinsichtlich der Vorschläge zum Roaming und zur Vereinheitlichung der Regulierungspraxis "Augenmaß". Die Welt (Thomas Heuzeroth) berichtet anlässlich einer Tagung des europäischen Telekom-Verbands Etno über die Bedenken der Telekommunikationsanbieter.
Justiz
BVerfG – Filmförderung: Am gestrigen Dienstag hat das Bundesverfassungsgericht über die Verfassungsmäßigkeit der deutschen Filmförderung verhandelt. Über die Verhandlung in Karlsruhe und die Hauptargumente der beschwerdeführenden Kinokette UCI sowie der Bundesregierung berichtet die taz (Christian Rath). Das Handelsblatt (Julian Kutzim) präsentiert die Stellungnahme der Schauspielerin Iris Berben, die als Präsidentin der Deutschen Filmakademie für die Beibehaltung der Förderung streitet. Laut zeit.de deutete das Gericht während der Verhandlung Sympathien für die Filmförderung an.
lto.de (Claudia Kornmeier) führt ein Interview mit dem Filmrechtler Patrick Jacobshagen, der dem Verfahren keine Erfolgschancen einräumt.
BVerfG – Drei-Prozent-Hürde: Die Piratenpartei hat beim Bundesverfassungsgericht Organklage wegen der vom Bundestag beschlossenen Drei-Prozent-Hürde für die Wahlen zum Europäischen Parlament eingereicht, nachdem Bundespräsident Joachim Gauck das Gesetz am Montag unterzeichnet hatte. spiegel.de berichtet knapp.
BGH zu Erbscheinen bei Bankgeschäften: Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass Banken von Verbrauchern nicht das Vorlegen eines Erbscheins verlangen dürfen, wenn diese Zugriff auf das Konto Verstorbener erlangen wollen. Ein Erbvertrag oder ein beglaubigtes Testament reichten als Nachweis aus. spiegel.de fasst das Urteil knapp zusammen.
LG Hagen – NS-Kriegsverbrecherprozess: spiegel.de (Jörg Diehl) berichtet über einen NS-Kriegsverbrecherprozess vor dem Landgericht Hagen. Angeklagt ist ein ehemaliger SS-Mann, der einen niederländischen Widerstandskämpfer ermordet haben soll. Zentral sei die Frage, ob dem Angeklagten in dem Indizienprozess Heimtücke nachgewiesen werden könne – die Tat sei heute wegen Verjährung nur noch strafbar, wenn Mord und nicht bloß Totschlag vorliege.
OLG München – NSU-Prozess: Wie im Vorfeld erwartet worden war, ist die Aussage einer Zeugin, die Beate Zschäpe, die Hauptangeklagte im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München, auf dem Grundstück eines Nachbars in Dortmund gesehen haben will, durch die Aussagen des Nachbarn und seiner Ehefrau in Zweifel gezogen worden. Die taz (Andreas Speit) berichtet.
LAG Hamm zu mittelbarer Diskriminierung: Das Landesarbeitsgericht Hamm hat einer Bewerberin einen Entschädigungsanspruch auf Grundlage des Antidiskriminierungsgesetzes zugesprochen, weil diese mittelbar wegen ihres Geschlechts diskriminiert worden sei. Auf den an sie zurückgesandten Bewerbungsunterlagen fand sich neben der Angabe "Verheiratet, ein Kind" der handschriftliche Vermerk "7 Jahre alt!". Darin sah das Gericht ein ausreichendes Indiz für eine mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts, berichtet blog.beck.de (Christian Rolfs).
LSG Hessen zu Privat-Pflege: Privatpersonen, die mehr als 14 Stunden in der Woche einen nahen Angehörigen pflegen, haben Anspruch auf die Zahlung von Rentenbeiträgen durch die Pflegeversicherung. Das hat laut FAZ (Corinna Budras) das Landessozialgericht Hessen entschieden. Zum Nachweis reiche die Führung eines Pflegetagebuchs. Auch lto.de fasst das Urteil zusammen.
EuGH zu EU-Antiterror-Liste: Nele Yang diskutiert auf juwiss.de die bereits im Juli ergangene "Kadi II"-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zum Rechtsschutz gegen die Aufnahme einer Person in EU-Antiterrorlisten auf Grundlage von Sanktionsentscheidungen des UN-Sicherheitsrats. Dabei problematisiert sie vor allem den individuellen Zugang zu den einer Listung zugrundeliegenden Geheimdienstinformationen und äußert Bedenken hinsichtlich der vom Gerichtshof in einem obiter dictum erwogenen Nutzung von "in-camera"-Verfahren unter Ausschluss von Betroffenen und Öffentlichkeit.
Untersuchungshaft in Wirtschaftsverfahren: Die SZ (Klaus Ott) beschäftigt sich anlässlich einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Bamberg mit der in Wirtschaftsverfahren häufig angeordneten Untersuchungshaft. Diese werde mit Flucht- oder Verdunkelungsgefahr begründet, laut einem Strafverteidiger aber "de facto häufig als Beugehaft missbraucht". Staatsanwälte verwehrten sich gegen solche Vorwürfe.
Recht in der Welt
USA – Airbnb soll Nutzerdaten herausgeben: Die New Yorker Staatsanwaltschaft hat das Online-Untervermietungs-Portal "Airbnb" dazu aufgefordert, seine Nutzerdaten herauszugeben. Damit soll ein Vorgehen gegen illegale Untervermietung in der Stadt ermöglicht werden. Laut FAZ (Roland Lindner/Corinna Budras) setzt sich Airbnb aber gegen die "unangemessen weit gefasste" Anordnung zur Wehr.
Griechenland – Ex-Verteidigungsminister verurteilt: Christiane Schlötzer (FAZ) kommentiert die Verurteilung von Griechenlands Ex-Verteidigungsminister Tsochadzopoulos wegen Geldwäsche und Bestechlichkeit am Montag als "Urteil gegen die Raffgier". Hier sei "auch ein Exempel" gegen die Korruption hoher Beamter statuiert worden.
Rumänien – Anklage wegen Wahlbetrugs: In Rumänien hat die Staatsanwaltschaft gegen den stellvertretenden Ministerpräsidenten Liviu Dragnea Anklage wegen Wahlbetrugs erhoben. Wie die SZ (Klaus Brill) berichtet, wird ihm vorgeworfen, lokale Parteifunktionäre dazu angehalten zu haben, die Wahlbeteiligung bei der Volksabstimmung über die Absetzung des Staatspräsidenten im letzten Jahr künstlich zu steigern. Auch spiegel.de berichtet.
IStGH und Syrien: spiegel.de (Thomas Darnstädt) führt ein Interview mit dem Völkerrechtler Claus Kreß zur Möglichkeit, durch die Einschaltung des Internationalen Strafgerichtshofs zur Aufklärung des Giftgaseinsatzes in Syrien und zur Stabilisierung der dortigen Lage beizutragen.
Sonstiges
Schlampige Klausurkorrekturen: Der Rechtsanwalt Arne-Patrik Heinze prangert auf lto.de "diverse Missstände" bei der Korrekturpraxis im juristischen Prüfungssystem an – diese sei "alles andere als vollbefriedigend". Diese Unzulänglichkeiten beruhten zum einen auf der Auswahl und Bezahlung der Korrektoren, zum anderen auf der oft nur oberflächlichen Zweitkorrektur und dem von der Rechtsprechung auch bei schriftlichen Prüfungen anerkannten weiten Beurteilungsspielraum der Prüfer.
Arbeitnehmerentsendung nach Deutschland: Auf der "Recht und Steuern"-Seite der FAZ stellt der Rechtsanwalt Lukas Weitbrecht die vielfältigen "Hürden und Fallstricke" vor, die mit der Entsendung von Arbeitnehmern aus dem europäischen Ausland nach Deutschland verbunden sind.
"Hinter Gittern": Auf der Seite "Jugend schreibt" der FAZ befassen sich drei Artikel mit dem Justizvollzug: Katja Schabet schildert ihre Führung durch das Gefängnis-Museum im Justizkrankenhaus auf dem Hohenaspberg bei Stuttgart, Mareike Müller berichtet über ihren Besuch der Christophorus-Klinik für forensische Psychiatrie in Münster-Amelsbürgen und Alicia Stumpf hat einen JVA-Beamten bei seiner Arbeit begleitet.
Das Letzte zum Schluss
Japanische Teeparties: In Japan ist ein 70-Jähriger festgenommen worden, der in Zeitungsanzeigen zu "Teeparties" der etwas anderen Art eingeladen hatte: Ihm wird vorgeworfen, gegen Bezahlung so Sex-Treffen zwischen Senioren vermittelt und damit gegen ein Anti-Prostitutions-Gesetz verstoßen zu haben, weiß focus.de.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/thd
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 9. Oktober 2013: EU will Raucher schocken – BVerfG hegt Sympathien für Filmförderung – Piraten bekämpfen Drei-Prozent-Hürde . In: Legal Tribune Online, 09.10.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9761/ (abgerufen am: 29.04.2024 )
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