Verfassungsmäßig, aber nur bei enger Auslegung: Der BGH hat sich mit dem umstrittenen Paragrafen 89a Strafgesetzbuch befasst. Außerdem in der Presseschau: Kritik an schärferen Gesetzen gegen Flüchtlinge, Gleichstellungsbeauftragte gewinnt gegen Familienministerium, Untersuchungsausschuss will Snowden vernehmen - und Guttenberg klagt gegen ein falsches Vorwort.
Thema des Tages
BGH zu Paragraf 89a StGB: Der Bundesgerichtshof hält den § 89a Strafgesetzbuch – Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenen Straftat – zwar für verfassungsmäßig, mahnt aber eine enge Auslegung an. Strafbar könne die Vorbereitung nur sein, wenn der Täter fest entschlossen sei, auch einen Anschlag zu verüben. Die Richter haben deshalb eine dreijährige Haftstrafe gegen einen Bombenbauer aufgehoben, nun muss das Landgericht Frankfurt erneut verhandeln. Der Mann hatte versucht, nach einer Anleitung aus dem Internet eine Bombe zu bauen, dabei explodierte jedoch die Sprengstoffmischung. Die SZ (Wolfgang Janisch) und taz.de (Christian Rath) berichten. Der Rechtsprofessor Michael Kubiciel weist auf lto.de darauf hin, der Paragraf sei schon bei seiner Einführung 2009 kritisiert worden – zum einen wegen der unbestimmten Formulierung, zum anderen, weil schon die Vorbereitung einer Tat unter Strafe gestellt wurde. Inzwischen habe sich gezeigt, dass der Paragraf ohnehin wenig praktische Relevanz habe.
Rechtspolitik
Haft für Flüchtlinge: Heribert Prantl (SZ) kritisiert mit scharfen Worten den Gesetzentwurf aus dem Bundesinnennministerium, wonach Flüchtlinge bei "Fluchtgefahr" schneller inhaftiert werden sollen. Das sei "das Schäbigste, was einem deutschen Ministerium seit der Änderung des Asylgrundrechts vor 21 Jahren eingefallen ist" und "Perfidie in Paragrafenform". Ein Flüchtling könne demnach für fast alles was typischerweise eine Flucht ausmacht, in Haft genommen werden – etwa weil er keinen Pass besitzt oder Grenzkontrollen umgangen hat.
Frauenquote für Aufsichträte: Die große Koalition stößt bei der Einführung einer Frauenquote in Aufsichtsräten auf Schwierigkeiten, berichtet die SZ (Karl-Heinz Büschemann). Bei Unternehmen, die als Europäische Aktiengesellschaft organisert sind, würde ein deutsches Gesetz nicht greifen – hier gelte Europarecht. Damit blieben wichtige Unternehmen wie Allianz oder BASF außen vor.
TTIP: Auf verfassungsblog.de geht es weiter um das Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaftsabkommen (TTIP) zwischen der EU und USA. Christian J. Tarms schildert die bisherige Debatte in Medien und Blogs und die dort gepflegten "Mythen" zum TTIP. Isabel Feichtner, die die Verfassungsblog-Debatte kuratiert, wundert sich über die Kritik an den TTIP-Kritikern und fragt sich, ob Wirtschaftsvölkerrechtler hier eine Grundsatzdebatte scheuen.
Verbraucherschutz: Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier befasst sich in der FAZ mit dem Verbraucherschutz. Aus dem Grundgesetz ergebe sich zwar die Pflicht des Gesetzgebers, ein Mindestmaß an Schutz zu gewährleisten, allerdings müsste dabei die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben, "Gesetzesaktionismus" sei gefährlich. Der Beitrag ist die gekürzte Fassung eines Vortrags Papiers beim Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen.
Informationsfreiheitsgesetze: Der Rechtswissenschaftler Sönke E. Schulz schreibt auf juwiss.de über die Pläne verschiedener Bundesländer, ihre Informationsfreiheitsgesetze zu ändern. Dabei müsse ein Ausgleich zwischen Transparenz und Amtsverschwiegenheit gefunden werden.
Justiz
VG Berlin zu Gleichstellungsbeauftragter: Das Familienministerium hat gegen die Vorgaben des Bundesgleichstellungsgesetzes verstoßen, weil drei wichtige Posten besetzt wurden, ohne rechtzeitig die Gleichstellungsbauftragte einzuschalten – damals noch unter der Ministerin Kristina Schröder (CDU). Dies entschied das Verwaltungsgericht Berlin. Wie zeit.de meldet, erklärte das Gericht, trotz des Wechsels an der Spitze auf Manuela Schwesig (SPD) bestehe Wiederholungsgefahr, weil sich Ministerium und Gleichstellungsbeauftragte weiter uneinig waren.
BGH zu Mietkaution: Der Rechtsanwalt Dominik Schüller erläutert auf lto.de das Urteil des Bundesgerichtshofs, wonach der Vermieter die Mietkaution während eines laufenden Mietverhältnisses nicht antasten darf.
AG Stuttgart zu unzulässiger Werbung: Wenn ein Kunde keine Werbung erhalten will, darf ihm ein Unternehmen auch keine zuschicken – und deshalb auch einer automatisierten Antwortmail auf eine Anfrage keine Werbung anhängen. Das entschied das Amtsgericht Stuttgart, internet-law.de (Thomas Stadler) berichtet.
AG Hamburg spricht Jurastudenten frei: Ein Jurastudent soll eine Prüfung heimlich mit einer Kamera gefilmt haben, die in einem Wecker versteckt war. Die Staatsanwaltschaft hatte dem 30-Jährigen deshalb Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes vorgeworfen, ausreichende Beweise gab es jedoch nicht. Das Amtsgericht Hamburg hat den Studenten freigesprochen. Das meldet die taz im Hamburg-Teil.
LG München – Ecclestone-Prozess: Die FAZ (Christoph Becker/Henning Peitsmeier) berichtet über den Prozess gegen den Formel-1-Chef Bernie Ecclestone vor dem Landgericht München. Ecclestone wird vorgeworfen, er habe beim Verkauf von Formel-1-Anteilen den früheren BayernLB-Banker Gerhard Gribkowsky geschmiert – Gribkowsky soll am heutigen Freitag als Zeuge aussagen.
Staatsanwalt zu Deals: spiegel.de (Jörg Römer) führt ein Interview mit dem pensionierten Staatsanwalt Egbert Bülles, der bis 2012 die Abteilung Organisierte Kriminalität der Staatsanwaltschft Köln leitete. Es geht um Deals und das notwendige Verhandlungsgeschick von Staatsanwälten.
Recht in der Welt
USA – NSA-Reform: Der Rechtsausschuss des US-Repräsentantenhauses hat sich einstimmig für ein Gesetz ausgesprochen, um den Geheimdienst NSA zu reformieren. Das meldet spiegel.de. So sollen Telefondaten künftig nicht bei der NSA, sondern bei den Anbietern gespeichert werden und dürften dann nur mit der Genehmigung durch ein Geheimgericht durchsucht werden. Dem Gesetzentwurf müssen noch das gesamte Repräsentantenhaus und der Senat zustimmen.
Pakistan – Anwalt erschossen: In Pakistan ist der Rechtsanwalt Rashid Rehman erschossen worden, weil er einen Englischdozenten verteidigt hat, der von Studenten wegen Blasphemie angezeigt worden ist. Wie die taz (Sven Hansen) berichtet, hatte der Dozent ein Jahr lang vergeblich nach einem Verteidiger gesucht, weil keiner das Risiko eingehen wollte – auch Rehman hatte bereits Todesdrohungen erhalten.
Sonstiges
Snowden – Vernehmung: Der NSA-Untersuchungsausschuss hat wie erwartet beschlossen, Edward Snowden zu vernehmen – ob in Deutschland, in Russland oder per Videoübertragung ist aber noch unklar. Die FAZ (Eckart Lohse) berichtet. Die Welt (Ulrich Clauß) stellt Fragen und Antworten zu einer möglichen Vernehmung zusammen.
Snowden – Auslieferung: Müsste die Bundesregierung Edward Snowden an die USA ausliefern, wenn er deutschen Boden betreten sollte? Nein, meint der Rechtswissenschaftler Nikolaos Gazeas in einem Gastbeitrag auf zeit.de. Wenn Snowden eine politische Straftat vorgeworfen werde, bestehe keine Auslieferungspflicht. Allerdings könne Snowden in Auslieferungshaft genommen werden, bis ein Gericht über seinen Fall entschieden hat.
Das Letzte zum Schluss
Guttenberg gegen falsches Vorwort: Karl-Theodor zu Guttenberg verklagt den Münsteraner Wissenschaftsverlag LIT, weil der ein Buch mit dem Namen "Von der hohen Kunst ein Plagiat zu fertigen" mit einem Geleitwort des früheren Ministers versehen hat. Das stammt allerdings weder von Guttenberg, noch handelt es sich um ein Plagiat – sondern offenbar um Satire, unterschrieben mit dem Hinweis "1. April 2014". Wie welt.de (Manuel Bewarder) berichtet, verlangt Guttenberg eine Zahlung von 633,32 Euro und eine Unterlassungserklärung, damit das Buch nicht weiter vertrieben wird.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ak
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 9. Mai 2014: BGH zu Anti-Terror-Paragraf – Gleichstellungsbeauftragte gegen Ministerium – Falscher Guttenberg . In: Legal Tribune Online, 09.05.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11920/ (abgerufen am: 18.05.2024 )
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