Das Fiasko um den Flughafen Berlin-Brandenburg facht die Diskussion um unternehmerische Verantwortung und Kontrolle und die Rolle von Politikern in Aufsichtsgremien an. Außerdem in der Presseschau: EU-Datenschutzverordnung, Schläger in Eisleben, Landesrichtergesetz Baden-Württemberg und wieso es 650 Jahre nach einem Mord im Kanton Glarus genug der Buße ist.
Flughafen-Fiasko: Die Presse erörtert nicht nur die politische Dimension des Debakels um den Flughafen BER, sondern geht auch auf die auf gesellschafts- und staatsrechtliche Fehlkonstruktionen bei der Verteilung der Verantwortlichkeiten ein. Dieter Fockenbrock (Handelsblatt) fordert eine Reform der Unternehmensverfassung, da "die Damen und Herren Aufseher" den Anforderungen nicht gewachsen seien.
Heribert Prantl (SZ) meint, allein die Möglichkeit, Politiker wie Wowereit und Platzeck für desaströse Großbauvorhaben persönlich haftbar machen zu können, zeige, "dass die Verantwortungsverdichtung von Politikern in Aufsichtsräten ein Übermaß erreicht hat."
In ihrem Diskussionsbeitrag bemängeln Julia Löhr und Kerstin Schwenn (FAZ) das fehlende Fachwissen von Politikern und knüpfen an die im Zusammenhang mit der Bankenkrise begonnene Diskussion um die Einführung von Berufsaufsichtsräten an. Die Unsitte des "Ämtersammelns" bei Politikern sorge für Eindimensionalität in den Aufsichtsgremien.
Weitere Themen – Rechtspolitik
EU-Datenschutzverordnung: Die taz (Ruth Reichstein) berichtet über die von der EU-Kommission entworfene Datenschutzverordnung und die darin vorgesehene Möglichkeit der automatischen Löschung persönlicher Daten im Netz. zeit.de (Patrick Beuth) berichtet über die Forderung des grünen EU-Parlamentariers Jan-Philipp Albrecht, auch den Schutz von IP-Adressen in die Verordnung aufzunehmen.
Albrecht meint im Interview mit der taz (Ruth Reichstein), der Bundesinnenminister wolle die Anforderungen, die die geplante EU-Verordnung an die deutsche Wirtschaft stelle abschwächen.
Ruth Reichstein (taz) meint, die Anbieter, die mit den Daten der Nutzer Geld verdienten, müssten dafür sorgen, dass jeder Nutzer frei über seine Daten verfügen kann.
Neues Landesrichtergesetz Baden-Württemberg: Die FAZ (Rüdiger Soldt) stellt kurz den Entwurf für grün-rotes Landesrichtergesetz in Baden-Württemberg vor, mit dem der Einfluss des Justizministeriums auf die Auswahl der Richter weiter eingeschränkt werden soll.
Reinhard Müller (FAZ) kommentiert: "Eine Richterschaft, die sich selbst ergänzt, entscheidet auch nicht immer nach fachlichen Maßstäben."
Prüfung von Beihilfen durch EU-Kommission: In einem Gastbeitrag auf der Seite "Recht und Steuern" (FAZ) stellt der Rechtsanwalt Ulrich Soltész das Vorhaben der EU-Kommission vor, die Verfahren zur Prüfung von Beihilfen zu straffen um damit für eine organisatorische Entlastung und eine schnellere Bewilligung der Mittel zu sorgen.
Lizenz der Bankenaufsicht für E-Commerce: Ebenfalls auf der Seite "Recht und Steuern" (FAZ) erläutert der Rechtsanwalt Volker Baas, unter welchen Voraussetzungen eine Plattform für Online-Handel eine Lizenz der Bankenaufsicht Bafin benötigt.
Weitere Themen – Justiz
Bayern und Hessen klagen gegen Länderfinanzausgleich: Die beiden Bundesländer Bayern und Hessen haben angekündigt, vor dem Bundesverfassungsgericht gegen den Länderfinanzausgleich zu klagen. Das berichten die SZ (Guido Bohsem / Mike Szymanski) und die FAZ (Philipp Krohn), jeweils in ihrem Wirtschaftsteil.
Schläger in Eisleben: Die SZ (Annette Ramelsberger) berichtet über die mangelhafte strafrechtliche Verfolgung einer Gruppe von Gewalttätern in Eisleben. Obwohl bekannt sei, wer die Familie zusammengeschlagen habe, befänden sich die Täter seit Jahren auf freiem Fuß.
Anklageschrift gegen Zschäpe: Die Anwälte von Beate Zschäpe halten die 488 Seiten starke Anklageschrift gegen ihre Mandantin für "mängelbehaftet", berichtet die SZ (Hans Leyendecker). Die Anklage könne nicht zur Eröffnung der Hauptverhandlung vor dem Oberlandesgericht München zugelassen werden.
OLG Köln zu Lufthansa Miles & More: Das Oberlandesgericht Köln hat die Klage eines Vielfliegers mit 900.000 angesammelten Bonusmeilen zurückgewiesen. Die Lufthansa dürfe unangekündigt und binnen eines Monats den Anrechnungstarif für Bonusmeilen um bis zu 20 Prozent abwerten, berichten FAZ (Corinna Budras) und zeit.de.
Corinna Budras (FAZ) scheibt im Wirtschaftsteil, die Lufthansa mag juristisch einwandfrei gehandelt haben, betriebswirtschaftlich sinnvoll sei es nicht gewesen, die treuesten Kunden zu verprellen.
Chronik Deutsche Bank: Die SZ (Harald Freiberger / Alexander Mühlauer / Klaus Ott / Andrea Rexer) zeichnet in ihrem Wirtschaftsteil eine Chronik zu den Skandalen der Deutschen Bank aus den letzten zwei Jahren, in der auch die wichtigsten juristischen Auseinandersetzungen genannt werden.
LG Berlin – Herr Korkmaz: Klaus Ungerer (FAZ) bringt im Feuilleton eine Gerichtsreportage. Vor dem Landgericht für Strafsachen muss sich ein Mann, der an paranoider Schizophrenie leidet, wegen Bedrohung verantworten.
OLG Stuttgart zu Allianz rechtskräftig: Die Allianz hat ihre Beschwerde beim Bundesgerichtshof gegen ein Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom August 2011 zurückgenommen, das damit rechtskräftig wird, berichtet das Handelsblatt (Ozan Demircan). Als Konsequenz hätten etwa eine Million Lebensversicherungskunden wegen nichtiger Klauseln Anspruch auf Nachzahlungen. Insgesamt kämen auf den Konzern Zahlungen im dreistelligen Millionenbereich zu. Auch spiegel.de berichtet über diese neuesten Entwicklungen.
Beschwerde bei EU-Kommission gegen Bundesregierung: Die Kandidatin der Piratenpartei bei der niedersächsischen Landtagswahl, Katharina Nocun, hat bei der EU-Kommission Beschwerde gegen die Bundesregierung eingelegt, berichtet netzpolitik.org (Andrea Jonjic). Sie kritisiert, der Bundesdatenschutzbeauftragte genieße nicht das erforderliche Maß an Unabhängigkeit. Sie verweist dabei auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 16. Oktober 2012, der die fehlende Unabhängigkeit der österreichischen Datenschutzkommission bemängelt hatte.
Weitere Themen – Recht in der Welt
Indien – A Note on Rape: In einem Gastbeitrag für den verfassungsblog.de plädiert Supriya Routh für kurzfristige Maßnahmen gekoppelt mit einer langfristigen Strategie, um die Gewalt gegen Frauen in Indien einzudämmen. Statt der Todesstrafe gehöre dazu eine korruptionsfreie Verwaltung und eine auf "Gender" ausgerichtete Erziehung. Routh ist Professor an der Universität von Kolkata/Westbengalen und zur Zeit Rechtskulturen-Fellow an der Humboldt-Universität Berlin.
Sonstiges
Katholische Kirche stoppt Forschung zu Missbrauch: Die katholische Kirche hat die Zusammenarbeit mit dem Kriminologischen Institut Niedersachsen und dessen Direktor Christian Pfeiffer beendet. Damit werde es zu keiner wissenschaftlichen Erforschung der Missbrauchspraxis in katholischen Institutionen kommen, berichtet die SZ (Roland Preuss). Die Wissenschaftler hätten sich durch die Kontrollansprüche der Kirche hinsichtlich des Zugangs zu den Quellen, der Publikation von Ergebnissen und der Auswahl der Mitarbeiter maßgeblich in ihrer Forschungsfreiheit eingeschränkt gefühlt.
Auch spiegel.de (Barbara Hans) berichtet über das gescheiterte Projekt.
Wulff-Trennung: Über die rechtlichen Konsequenzen aus der Trennung von Bettina und Christian und Wulff – die Situation der Kinder, den Ehrensold – informiert lto.de (Pia Lorenz, Herbert Grziwotz).
Das Letzte zum Schluss
Sühne für Mord nach 650 Jahren beendet: Ein Gericht im Kanton Glarus (Schweiz) hat einen Bauer von der Verpflichtung freigesprochen, für einen Mord aus dem Jahr 1357 für den Unterhalt eines "Ewigen Lichts" 60 Euro jährlich aufbringen zu müssen. Diese Aufgabe hatte der Mann zusammen mit einem Bauernhof geerbt. Der Anspruch der Kirche sei mit der Reformierung der Hypothekenordnung 1849 spätestens erloschen, meldet spiegel.de.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
(Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen epaper des jeweiligen Titels.)
lto/ro
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 9. Januar 2013: Flughafen-Fiasko – Katholische Kirche stoppt Forschung zu Missbrauch – Allianz muss zahlen . In: Legal Tribune Online, 09.01.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7926/ (abgerufen am: 05.05.2024 )
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